Die Taube auf der Moschee. Marmaduke William Pickthall

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Taube auf der Moschee - Marmaduke William Pickthall страница 11

Die Taube auf der Moschee - Marmaduke William Pickthall

Скачать книгу

klug oder töricht. Eine glückliche Nacht!«, sagte Suleymân zum Abschluss und legte sich schlafen.

      Das übliche Nachtlicht der syrischen Bauern – ein Docht, der in einer Tasse voll Öl und Wasser schwimmt – brannte zwischen uns auf dem Boden und ließ auf Wand und Decke große Schatten tanzen. Das Letzte, was ich vor dem Einschlafen hörte, war Rashîds Stimme: »Er ist ein berühmter Lügner, unser weiser Mann dort; und trotzdem sagt er die Wahrheit!«

       Der klappernde Sack

      Der Sand, vorher in einem dunklen Ockerton, färbte sich cremig weiß, das Blau des Meeres wechselte in ein fahles Grün, das Gras auf den Sanddünen schwärzte und bog sich unter einer plötzlichen Windböe. Die Veränderung kam unvermittelt, so schien es mir. Ich hatte bemerkt, dass Wolken über den Berggipfeln im Landesinneren aufzogen, aber ich war unter einer heißen Sonne geritten, die nur ein klein wenig schwächer schien als zur Mittagsstunde, als plötzlich die Kälte und der Schatten mich trafen. Dann sah ich den Himmel bedeckt von einer riesigen purpurnen Wolke, die sich zu Land und Meer hinabwölbte. Die Wellen, die den ganzen Tag gelispelt hatten, ließen ein unheilvolles dumpfes Brüllen vernehmen. Weiße Pferde bäumten sich auf und schlugen nach vorne aus. Ein Wind sang zwischen dem Gras und den Disteln der Dünen, blies mir Sand ins Gesicht.

      Rashîd, der weit hinter mir ritt und mit dem Maultiertreiber plauderte, raste herbei, und ich hörte die Schreie des Mukâri, der seine zwei Tiere zur Eile antrieb.

      »Dort auf der Landzunge liegt ein Dorf … ein Dorf von zirkassischen Siedlern«, rief mein Diener atemlos. »Es hat einen schlechten Ruf, und ich hätte ungern dort übernachtet. Doch in solch einem Sturm ist jedes Dach gut. Reitet schnell! Vielleicht kommen wir an, bevor es schüttet.«

      Mein Pferd lief bereits aus eigenem Antrieb im Kanter. Ich spornte es zum Galopp an. Wir umrundeten die Bucht wie im Flug. Das Dorf auf der Landzunge nahm rasch Gestalt an – ein paar würfelförmige, weißgetünchte Häuser, die zwischen etwas kauerten, das zunächst wie große Felsen aussah, sich aber beim Näherkommen als Blöcke von Mauerwerk herausstellte, die Ruinen einer uralten Stadt. Gelegentlich spritzte die Gischt über sie hinweg, weiß wie Lilien im Dämmerlicht. Die Flut kam. Ich erkannte ein altes Tor, das sich zum Strand öffnete, und lenkte mein Pferd dorthin, während der Regen herabprasselte. Ich sah nichts mehr, bis die Ruinen dicht vor mir emporragten, eine lückenlose Mauer.

      »Zu Eurer Rechten!«, rief Rashîd, und als ich mich nach rechts wandte, fand ich das Tor. Wir warteten unter dem Torbogen, bis der Maultiertreiber, eine tropfnasse Gestalt, gehüllt in einen Sack, mit den beiden Mauleseln erschien; und dann tauchten wir erneut in die Sintflut. Der Pfad, der sehr uneben war, schlängelte sich durch die Ruinen auf und ab, hinein und hinaus. Es gab ungefähr ein Dutzend verstreuter Häuser ohne Gärten oder andere Anzeichen von Bewirtschaftung ringsum. Nur eines hatte ein oberes Stockwerk, und da wir es für den Gasthof hielten, gingen wir darauf zu. Es stand allein auf dem Vorgebirge, umgeben von Gischtwolken.

      Ein kleiner Hof bot ein wenig Schutz, während Rashîd eine grobe Steintreppe hinaufeilte, an die Tür hämmerte und rief: »Friede diesem Hause! Mein Herr braucht dringend Essen und Obdach, und wir, seine Diener, erbitten von Eurer Güte dieselbe Gunst. O Herr des Hauses, Gott wird Euch für Eure Gastfreundschaft belohnen!«

      Die Tür wurde geöffnet, und ein Mann erschien, der uns alle im Namen Allahs hereinbat. Er war mittelgroß, stämmig gebaut und hatte einen buschigen grauen Schnurrbart. Ein altmodischer flacher Fez mit einer großen blauen Quaste war mit einem bestickten Turban um seine Stirn gebunden. Eine blaue Zuavenjacke, eine karmesinrote Weste und dunkelblaue Pluderhosen vervollständigten sein Gewand, doch Schuhe trug er keine. In seinem Gürtel steckten zwei Pistolen und ein Krummsäbel.

      Er hieß uns in schlechtem Arabisch willkommen und führte uns in ein großes Zimmer – das obere Stockwerk, das wir aus der Ferne gesehen hatten. Die Fenster wussten nichts von Glas, sondern waren grob mit Fensterläden aus Holz verschlossen und verriegelt, die im Sturm knirschten und klapperten. Ein sehr vornehm aussehender alter Mann erhob sich vom Diwan, um uns zu begrüßen.

      »Woher kommt Ihr? Seid Ihr ein Türke oder einer von uns?«, fragte er, als ich meinen Schal abnahm. »Ein Engländer, sagt Ihr?« Er ergriff meine Hand und drückte sie. »Ein Engländer … jeder Engländer ist gut, und sein Wort gilt. Doch die englische Regierung ist sehr übel. In Kars benahmen sich drei Engländer wie Kriegerengel, kämpften wie Teufel. Und während sie für uns kämpften, betrog ihre Regierung unser Land. Wie? Ihr habt davon gehört? Allah sei gepriesen! Endlich treffe ich jemanden, der die Geschichte bestätigt. Mein Sohn hier meint, ich hätte sie erfunden.«

      Zufällig hatte ich über die Verteidigung von Kars unter Führung dreier heldenhafter Engländer gelesen – General Williams, Captain Teesdale und Doktor Sandwith – und über den Verrat an dem zirkassischen Aufstand unter Shamyl während des Krimkriegs.

      Der Alte war hocherfreut. »Höre, o mein Sohn!«, rief er dem Mann zu, der uns hereingelassen hatte. »Was ich so oft erzählt habe, ist wahr. Dieser Engländer weiß alles darüber. Ebenso die ganze Welt, bis auf solche Dummköpfe wie du und deine Freunde.«

      Sein Sohn bat darum, sich kurz entfernen zu dürfen, um seine Ernte in die Scheune zu bringen. Daraufhin schleppte er einen Sack aus dem Zimmer. Welche Früchte er geerntet hatte, weiß ich nicht, aber eines weiß ich: Der Inhalt des Sacks klapperte, als er ihn hinauszog.

      Bei seiner Rückkehr brachte er eine Schale mit in klarer Butter gebratenen Eiern, zwei Scheiben Brot und einen großen Krug Wasser und entschuldigte sich für die schlichte Kost. Wir aßen alle zusammen, der Alte plapperte ganz aufgeregt über alte Zeiten. Sein Sohn starrte mich an, ohne zu blinzeln. Schließlich sagte er: »Ich mag Euch, o Khawâjah. Einst hatte ich einen Sohn in Eurem Alter. Sag, o mein Vater, sieht er ihm nicht sehr ähnlich?«

      Hernach redete er fast so viel wie der Alte, schilderte mir, wie sie aus dem Kaukasus ausgewandert waren, um dem Joch der verfluchten Moskoviten zu entrinnen, und zählte all die Schwierigkeiten auf, mit denen sie sich hatten herumschlagen müssen, seit sie nach Syrien gekommen waren.

      »Wir sind keine Untertanen der Regierung«, erklärte er mir, »sondern Verbündete, und wir genießen besondere Privilegien. Doch die ehrlosen Hunde in dieser Gegend vergessen alte Bündnisse und wollen, dass wir Steuern zahlen wie gewöhnliche Fellâhîn

      Wir plauderten bis spät in die Nacht, während draußen der Sturm tobte und Regen und Gischt gegen die Fensterläden prasselten; ich bin noch nie freundlicher behandelt worden. Es war üblich, dass Zufallsgäste nur abends eine Mahlzeit bekamen und früh am nächsten Morgen abreisten. Doch als ich bei strahlendem Sonnenschein erwachte, hatte unser Gastgeber bereits das Frühstück zubereitet – saure Milch, arabisches Brot und duftenden Kaffee –, und als ich zu meinem Pferd hinausging, folgte er mir, stopfte zwei Brathühner in meine Satteltaschen und rief: »Zâd!« – das bedeutet »Reiseproviant«. Und zu meiner Verlegenheit fielen er und der Alte mir um den Hals und küssten mich auf beide Wangen.

      »Gute Leute! Die Allerbesten! Sie wollen kein Geld. Gott möge sie belohnen«, jubelte Rashîd, als wir aus den Ruinen heraus landeinwärts durch einen Garten aus Wildblumen ritten. Der Sturm war abgezogen. Keine Wolke blieb zurück.

      Nach einer Stunde kamen wir in Sichtweite eines großen Khan, außerhalb eines Lehmhüttendorfes an der Küste. Davor hatten sich eine Menschenmenge sowie einige Soldaten versammelt. Als wir uns der Menge näherten, fragte Rashîd, was der Grund für das Gewimmel sei.

      »Ein schreckliches Unglück«, sagte man ihm. »Ein Mann, ein Fremder, liegt im Sterben, Wegelagerer haben ihn tödlich verwundet. Einer seiner Gefährten,

Скачать книгу