Die Taube auf der Moschee. Marmaduke William Pickthall
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Читать онлайн книгу Die Taube auf der Moschee - Marmaduke William Pickthall страница 7
Suleymân trat mit wehendem Staubmantel gelassen an ihn heran und stellte mich als »eine der wichtigsten Persönlichkeiten unter den Franken« vor. Die Gesellschaft erhob sich, begrüßte uns, und man rückte Stühle zurecht, damit wir es bequem hatten.
»Seine Hoheit bittet Euch um Gerechtigkeit, o überaus rechtschaffener Richter. Ihm wurde übel mitgespielt«, bemerkte Suleymân ruhig.
Der Richter wirkte sehr betroffen. »Worum geht es?«, fragte er.
»Man hat uns den Koch weggenommen«, lautete die Antwort. »Und wir haben Freunde zum Dinner eingeladen.«
»Ist er ein guter Koch?«, fragte der Richter mitfühlend.
»Wenn Eure Exzellenz ihn zu uns zurückschickt und dann an dem Mahl teilnehmen möchte …«
»Wie kann ich Euch dienen?«
Ich gab Suleymân zu verstehen, er solle die Geschichte erzählen, was er so gut machte, dass bald die ganze Gesellschaft von Lachanfällen gebeutelt wurde.
Der Richter ging die Anklageliste durch, bis er den Fall fand, und markierte ihn.
»Wie können wir heute Abend ohne Koch speisen?«, seufzte ich verzweifelt.
»Keine Sorge«, sagte der Richter. »Er ist in einer Stunde bei Ihnen. Kommt, o meine Freunde, wir müssen an die Arbeit! Es wird spät.«
Der Richter verabschiedete sich sehr höflich von mir.
»Also«, sagte Suleymân, als sie fort waren. »Gehen wir zum Gericht und schauen zu, wie Recht gesprochen wird.«
Wir überquerten die Straße zu einem eindrucksvollen Portal. Suleymân flüsterte einem Soldaten, der dort Wache stand, etwas ins Ohr, woraufhin dieser lächelte und uns mit einer huldvollen Geste eintreten ließ.
Der Saal war überfüllt. Wir konnten nur mit viel Mühe das Podium erkennen. Dort saß der Richter, und dort stand der bedauernswerte Koch, ein Bild des Jammers. Ein Soldat neben ihm hielt die hölzerne Schöpfkelle hoch. Die christlichen Stutzer, die der Koch angegriffen hatte, durften ausführlich von dem Abenteuer berichten, bis der Ehrenwerte ihnen mit einem finsteren Stirnrunzeln zu schweigen gebot. Da duckten sie sich.
»Achtet auf eure Worte«, ermahnte der Richter. »Ihr habt nicht gezögert, den Zorn dieses Kochs religiösem Fanatismus zuzuschreiben. Die Nazarener sind allzu gern bereit, dies gegen einen Moslem vorzubringen, ohne in Betracht zu ziehen, dass es noch andere Gründe für Ärger geben mag. Ja, viele der vorgebrachten Anschuldigungen haben sich im Laufe der Ermittlung als völlig unbegründet erwiesen. Ihr Nazarener benehmt euch oft unverschämt. In die Gunst der ausländischen Konsule und Missionare vertrauend, verhöhnt, verärgert oder schmäht ihr sogar gelegentlich die Moslems. Also, selbst unter der Annahme, eure Schilderung der Ereignisse wäre korrekt – was ich stark bezweifle, denn auf der einen Seite sehe ich eine leichte Holzkelle, auf der anderen zwei gute Spazierstöcke mit Silberknauf, einer von euch hat seinen Stock vor Angst fallen gelassen, und ihr seid zwei, während dieser arme Koch allein ist. Selbst wenn das, was ihr berichtet habt, wahr wäre, seid ihr sicher, dass nichts an eurer Erscheinung, euren Worten oder eurem Verhalten ihn verärgert haben könnte? Ich neige zu der Annahme, dass ihr ihn verspottet oder vielleicht über seinen Glauben gelästert habt.«
Solche Worte von einem muslimischen Richter in einem Saal voller Moslems ließen die beiden Christen ängstlich zittern. »Er schlug uns grundlos und überaus heftig«, stöhnte einer der Angesprochenen.
»Wir haben ihn nicht einmal gesehen, bis er begann, uns zu schlagen. Bei Allah, mein armer Kopf ist wund, mein Rücken gebrochen von diesen furchtbaren Schlägen. Er war wie ein Irrer!« Der Sprecher und sein Mitkläger weinten laut.
»Hast du diese beiden Jungen geschlagen, so wie er es beschreibt?«, fragte der Richter und wandte sich ebenso streng an den Koch.
»Nein, o Exzellenz!«, lautete die bittere Antwort. »Man hat mir übel mitgespielt und mich verleumdet. Ich habe diese beiden Männer nie zuvor gesehen.« Auch er begann bitterlich zu weinen.
»Beide Parteien lügen mich an!«, rief der Richter erzürnt. »Denn du, o Koch, hast diese Jungen geschlagen. Die Tatsache ist bekannt, denn du wurdest verhaftet, während du auf sie einschlugst. Und ihr, o Nazarener, seid nicht schwer verletzt, denn jeder sieht, dass ihr vollkommen gesund seid und eure Kleidung heil ist. Eure Schande ist größer, denn es ist erwiesen, dass ihr diesen Moslem wegen religiösen Hasses angeklagt habt.«
»Bei Allah, nein, Eure Exzellenz. Wir wollen dem Mann nichts Böses. Wir haben nur gesagt, was geschehen ist.«
»Ihr seid allesamt Schurken«, brüllte der Richter. »Jede Partei soll einen ganzen Mejîdi an das Gericht zahlen. Die Parteien sollen sich jetzt sofort vor mir und für alle Zeiten Frieden und lebenslange Freundschaft schwören, und ich will nichts mehr von ihnen hören!«
Die jungen Christen umarmten den Koch, der Koch umarmte die jungen Christen immer wieder, und alle weinten vor Erleichterung, einer Bestrafung entkommen zu sein. Ich zahlte die Strafgebühr für unseren Mann, der uns nach Hause begleitete. Suleymân hielt unterwegs einen Vortrag von solch hoher Moral, in solch einer himmlischen Sprache, dass der arme, schlichte Bursche wieder zu weinen anfing und Allah um Vergebung bat.
»Es ist deine Pflicht, zu bereuen«, sagte Suleymân beifällig. »Doch auch gegenüber dieser Welt kannst du Wiedergutmachung leisten. Koche heute Abend so gut du nur kannst, denn der Richter ist unser Gast.«
Nawâdir – Kostbarkeiten
Eines späten Nachmittags erreichten wir ein Bergdorf und schlenderten durch die Ortschaft, da riefen einige ungezogene Kinder: »Hallo, o mein Onkel, du bist zu zweit gekommen!«
Es war ein gängiger Scherz beim Anblick europäischer Hosen, die man damals selten zu Gesicht bekam. Doch Suleymân zeigte sich nach meinem Bericht sehr verärgert. Er kehrte um und hielt den Kindern eine furchtbare Strafpredigt, tadelte sie streng, da sie sich erdreistet hatten, einen Fremden und Gast derart zu beleidigen. Seine Missbilligung beruhte auf solch hohen Prinzipien, dass niemand, der auch nur ein Fünkchen Frömmigkeit oder guten Willen im Herzen trug, widerstehen konnte; und seine Redekunst war so eindrucksvoll und gleichzeitig überzeugend, dass nicht nur die Kinder, sondern auch viele Erwachsene ihm folgten, als er schließlich fortging.
Das Dorf lag hoch oben, unter dem Gipfel eines Bergkamms, und von einer nur einen Steinwurf entfernten Felsengruppe aus konnte man das Meer sehen, eine große blaue Mauer, die sich nach Norden und Süden erstreckte. Wir hockten zwischen diesen Felsen, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Die Dörfler ließen sich in Hörweite nieder, einige unter, andere über uns. Bald sagte ein alter Mann: »Ihr sprecht wohl, o Weiser! Sie haben gesündigt, als sie solch Worte hinter dem Rücken eines vornehmen Gastes riefen. Ihr schlechtes Benehmen verlangt nach strenger Erziehung. Aber ich bin überzeugt, dass kein Kind, das den Worten von Euer Ehren gelauscht hat, je wieder so unverschämt sein wird.«
»Amân!« (Friede), rief einer der Missetäter. »Allah weiß, dass wir es nicht böse gemeint haben.«
Ich beeilte mich zu erklären, dass die Beleidigung nichts bedeute.