Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Susanne Svanberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sophienlust Staffel 15 – Familienroman - Susanne Svanberg страница 41
Angstvoll sah Anja in das wutverzerrte Gesicht des Mannes.
»Wehe, wenn du jemanden hierherführst. Und wenn du zu berichten versuchst, dass du jemanden hier getroffen hast, dann bringe ich dich um. Weißt du, was das heißt? Es ergeht dir dann genauso wie deinem Vater, deiner Mutter und deinem kleinen Bruder. Nur mit dem Unterschied, dass du langsam sterben wirst. So etwa!«
Die Hände des Mannes legten sich um Anjas zarten Hals und drückten langsam immer stärker zu. Das Kind wand sich in panischer Angst und rang nach Luft.
»Du hast mich niemals hier gesehen, ist das klar? Du wirst überhaupt keinem sagen, dass du hier oben an der Koppel warst. Ich lasse mir von einer kleinen miesen Kröte, wie du es bist, die Tour nicht vermasseln, das merke dir! Und wenn du nicht gehorchst, hast du die längste Zeit geatmet!«
Anja hustete und bäumte sich in wilder Panik auf. Doch gegen den Griff dieses Mannes konnte sie nichts, aber auch gar nichts ausrichten.
»Überlege dir gut, was du tust. Du bist die letzte deiner Familie, und es wäre für manche Leute gar nicht ungeschickt, wenn es dich nicht mehr gäbe. Aber das wirst du nicht verstehen. Du weißt ja nicht, wie gut es ist, viel Geld zu haben.« Der Mann grinste höhnisch.
Anja wusste nicht, in welcher Gefahr sie schwebte. Trotzdem hatte sie wahnsinnige Angst vor dem Mann. Sie setzte all ihre Kräfte ein, um freizukommen, doch es gelang ihr nicht.
Der Mann, der die Kleine noch immer hinten am Kleid festhielt, schien eine satanische Lust daran zu haben, zuzusehen, wie das stumme Kind sich quälte, wie es zu schreien versuchte, wie es wild um sich schlug. Doch das war ihm noch nicht genug. Er wollte das Grauen mehren.
»Wie bist du überhaupt hierher gekommen?«, zischte er böse. »Weißt du denn nicht, dass es im Wald von wilden Wölfen wimmelt? Wenn du noch einmal hierher kommst, werden sie dich zerreißen. Sie werden sich über dich stürzen und dich auffressen. Kein Stückchen wird übrig bleiben.«
Der Fremde hatte dumpf und drohend gesprochen. Dabei hatte er das Kind hasserfüllt angesehen. Es war mehr dieser böse Blick, der Anja all ihre Kräfte aufbieten ließ. Sie trat gegen den Mann, warf sich gleichzeitig ruckartig nach vorn.
Das, was sie selbst nicht vermutet hatte, geschah. Sie kam frei. Kopfüber stürzte sie auf den Waldboden. Sie fühlte Erde und Pflanzenteile in ihrem schreckensweit aufgerissenen Mund, spürte stechende Schmerzen in beiden Knien, und hinter ihr lachte schadenfroh der Mann. Doch Anja achtete auf das alles nicht. Sie krabbelte hoch und rannte quer durch den Wald zurück, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzusehen. Noch immer glaubte sie den Atem des Mannes hinter sich zu hören, sah sie in Gedanken seine ausgestreckten Hände, die nach ihr greifen wollten.
Sie stürzte über einen Stein, fiel in das Bächlein. Doch sie spürte gar nicht, dass sie durchnässt war. Kopflos hastete sie weiter. Sie stolperte über eine Baumwurzel, fiel in einen Graben. Und mit jeder Verletzung steigerte sich ihre Panik. Panik, die sich keinen Ausgleich durch Rufen oder Schreien verschaffen konnte.
In wilder Hast lief Anja weiter. Da war ein steiler Abhang. Anja sah gar nicht, dass sie sich an der ungünstigsten Stelle befand. Nur glatten Fels, bewachsen mit niedrigem Moos, gab es hier. Nichts, worauf die Füße hätten Sicherheit finden können. Anja hielt sich an den herabhängenden Zweigen einer Buche fest, doch ihre Füße rutschten ab, die Hände verloren den Halt.
Anja kullerte den Abhang hinab, überschlug sich und blieb liegen.
*
Voll Ungeduld ging Grit durch das große Haus ihres Verlobten, das schon in wenigen Tagen auch ihre Heimat sein sollte. Dann würde sie Davids Frau sein, würde hier mit ihm leben.
Grit hatte sich in den vergangenen Wochen sehr auf diese Zeit gefreut. Sie hatte Pläne gemacht, um dem luxuriösen Heim eine persönliche Note zu geben, um es gemütlicher zu gestalten. Doch heute, da sie viel Zeit für derartige Dinge hatte, dachte sie nicht mehr daran. Sie lief unruhig in den vielen großen Räumen auf und ab und wartete.
David hatte ihr versprochen, rasch zurückzukommen, um dann mit ihr nach Sophienlust zu fahren. Aber das war vor mehr als fünf Stunden gewesen.
Grit wurde immer nervöser. Würde es überhaupt noch möglich sein, nach Sophienlust zu fahren? Würde es nicht zu spät dafür werden? Wo blieb David nur so lange? Als sie sich, wie verabredet, am Vormittag mit ihm im Hotel getroffen hatte, war er sehr in Eile gewesen. Er hatte erklärt, gleich geschäftlich weg zu müssen. So rasch war er gegangen, dass nicht einmal Zeit für eine Erklärung geblieben war.
Seitdem wartete Grit. Was sind das überhaupt für Geschäfte, die er so dringend erledigen musste?, überlegte sie. Wieder fiel ihr ein, dass David es ablehnte, darüber zu sprechen. Musste sie nicht vermuten, dass auch sonst niemand davon wissen sollte? Dass er vielleicht sogar etwas tat, was ungesetzlich war?
Zum ersten Mal fragte sich Grit, woher der Reichtum ihres Verlobten stammte. Früher hatte sie angenommen, dass er von seinen Eltern ein beträchtliches Vermögen geerbt hatte. Doch durch Zufall hatte sie in den letzten Tagen erfahren, dass er von zu Hause aus arm war.
Grit fröstelte zwischen all den kostbaren Kunstgegenständen, den echten Teppichen und den wertvollen alten Möbeln. Ein Innenarchitekt hatte dieses Haus eingerichtet, und er hatte einen beachtlichen Geschmack dabei bewiesen. Doch wovon hatte David das alles bezahlt?
Grit fuhr erschrocken zusammen, als die Türglocke ihr melodisches Bim-Bam ertönen ließ.
»Ich möchte nur rasch die Zeitung kassieren«, meldete sich eine helle Bubenstimme aus der Gegensprechanlage.
»Moment, bitte.« Grit lief zur Garderobe. Hing da nicht ihre Tasche? Ach nein, die Tasche musste in Davids Wagen liegen. Er hatte sie doch vom Hotel abgeholt und sie dann gebeten, hier auf ihn zu warten.
»Ich war schon mehrmals hier. Und deshalb wäre ich froh, wenn Sie mir das Geld heute geben könnten«, meldete sich der Zeitungsjunge wieder.
»Ich werde nachsehen.« Grit eilte in Davids Arbeitszimmer und öffnete eine Schublade seines Schreibtisches. Doch außer einer Menge unbezahlter Rechnungen fand sie nichts darin. Flüchtig überflog sie die Mahnschreiben eines großen Modehauses. Eine Autofirma mahnte die Bezahlung eines Lieferwagens an. Wo war dieser Lieferwagen? Und wozu brauchte David ihn?
Grit griff sich an den Kopf. Draußen wartete der Zeitungsjunge. Sie musste sich beeilen. David musste doch Geld im Haus haben. Sie selbst hatte schon mehrmals beobachtet, dass er Münzen und Scheine aus einer großen Schatulle genommen hatte, die im unteren Fach des Schreibtisches stand.
Das Schreibtischfach war verschlossen. Hatte David nicht kürzlich dort aus der hohen Vase einen Schlüssel genommen? Grit eilte hin und griff hinein. Tatsächlich hielt sie zwei Schlüssel in der Hand. Wie sich gleich darauf herausstellte, war der eine für den Schreibtisch, der andere für die Kassette.
Grit dachte sich nichts dabei, als sie den Deckel der Kassette aufschnappen ließ. Sie wollte David weder nachspionieren, noch ihm etwas nehmen. Schließlich war sie es gewesen, die David eine große Summe vertrauensvoll zur Verfügung stellte. Ihr elterliches Erbe, das ihr der Bruder ausbezahlt hatte, war es gewesen. David hatte das Geld angeblich in sein »Geschäft« gesteckt. Nie hatte er ihr eine Abrechnung gezeigt. Existierte dieses »Geschäft« überhaupt? Grit zweifelte jetzt daran. Sobald die Sache mit Anja geklärt sein würde, wollte sie Rechenschaft von David verlangen. Sie würde sich nicht länger mit Lügen abspeisen lassen.