Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman. Marietta Brem

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Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman - Marietta Brem Sophienlust Bestseller

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gab es für Denise kein Halten mehr. Hier war jemand lebensmüde, und sie war die einzige weit und breit, die helfen konnte. Zumindest versuchen mußte sie es.

      Leise öffnete sie die Autotür und stieg aus. Zum Glück war die Straße an dieser Stelle breit genug, daß notfalls andere Autos an ihr vorbeifahren konnten. Tausend Gedanken wirbelten der Frau durch den Kopf, während sie rasch auf die andere Straßenseite hinüberlief. Hoffentlich kam sie nicht zu spät, und hoffentlich machte sie jetzt keinen Fehler. Das Leben eines Menschen hing davon ab, wie sie sich verhielt.

      Denise wußte, daß man Lebensmüde nicht erschrecken durfte. Aber ansprechen mußte sie diesen Menschen, der sich offensichtlich in höchster Not befand.

      »Warum wollen Sie es tun?« fragte sie leise.

      Als die Person sich umdrehte, erkannte Denise, daß es sich um eine Frau handelte, oder besser noch um ein Mädchen. Auf dem Kopf trug es eine Schildmütze, die ihm ein jungenhaftes Aussehen verlieh. Die schlanke Gestalt steckte in einem dunklen Overall, der dieses Aussehen noch unterstrich. So war sie bei der herrschenden Dunkelheit kaum zu erkennen, und auch Denise hätte das Mädchen nicht bemerkt, wenn nicht die Ampel gerade auf rot umgeschaltet und sie dadurch Zeit gehabt hätte, sich ein wenig umzusehen.

      »Gehen Sie weg. Lassen Sie mich in Ruhe«, kam die hastige Antwort. »Verschwinden Sie endlich.«

      »Warum wollen Sie es tun?« wiederholte Denise ihre Frage von vorhin. Vorsichtig umfaßte sie den Oberarm des Mädchens.

      »Sie können mich nicht aufhalten, also verschwinden Sie.«

      »Da haben Sie recht«, gab Denise zu. »Wenn Sie wirklich springen ­wollen, dann kann ich es nicht verhindern. Aber Sie sind sich ja gar nicht sicher, ob Sie das wirklich wollen, sonst wären Sie längst gesprungen.«

      »Haben Sie eine Ahnung.« Die Unbekannte lachte bitter auf. »Ich habe es mir lange überlegt und bin zu dem Schluß gekommen, daß das für mich die einzige Lösung ist. Für mich gibt es jetzt keinen Platz mehr auf dieser Welt. Mein Leben ist kaputt, weil der Mann, den ich liebe, tot ist.«

      Insgeheim atmete Denise schon ein bißchen auf. Wenigstens war die junge Frau bereit, zu reden. Und das war immerhin schon etwas, denn dann bestand zumindest ein bißchen Hoffnung.

      »Und Sie meinen, das ist nun Grund genug, Ihr Leben wegzuwerfen, als ob es keinen Wert mehr hätte? Glauben Sie mir, irgendwie wird es auch für Sie weitergehen.« Denise wußte, daß ihre Worte hart klangen, aber mit Mitleid hätte sie dieser Unglücklichen nicht helfen können.

      »Und Sie meinen, mir Vorhaltungen machen zu müssen? Sie haben ja gar keine Ahnung, wie hart das Leben sein kann. Jochen war der einzige Mann in meinem Leben, der mir ein bißchen Geborgenheit, ein bißchen Liebe geschenkt hat. Und jetzt ist er tot, tot für immer. Und ich bleibe allein zurück, mit seinem Kind unter dem Herzen, von dem er noch nicht einmal etwas gewußt hat.« Trocken schluchzte sie auf und wagte einen ängstlichen Blick in die Tiefe.

      »Kommen Sie doch, ehe Sie noch abstürzen«, versuchte es Denise noch einmal. »Sie wollen eigentlich gar nicht springen, sonst hätten Sie es längst getan. Warten Sie, ich helfe Ihnen.«

      Aber die junge Frau wehrte sich noch immer. »Hauen Sie endlich ab mit Ihren klugen Reden, die mir auch nicht helfen können. Ohne Jochen hat mein Leben keinen Sinn mehr.«

      »Und sein Kind? Was meinen Sie, was Ihr Jochen sagen würde, wenn er wüßte, daß Sie sein Kind umbringen wollen? Ich glaube nicht, daß er das verstehen würde.«

      Wieder schaute die Lebensmüde zögernd in die Tiefe. Ein kalter Schauer rann über ihren Körper, und Denise spürte das Beben, das auch auf sie selbst übergriff. Sie wußte, daß sie es sich niemals würde verzeihen können, wenn sie hier versagte.

      Die Ampel schaltete auf Grün um, und in der Ferne sah sie die Scheinwerfer eines Autos, das sich langsam näherte. Anscheinend hatte der unbekannte Fahrer begriffen, daß er sich beeilen mußte, wenn er noch durchfahren wollte, denn er gab plötzlich Gas und kam rasch auf sie zu.

      Denise betete inständig darum, daß er sie bemerken und ihr zu Hilfe eilen würde, aber nichts dergleichen geschah. Ohne anzuhalten, fuhr das Auto an ihnen mit abgeblendeten Scheinwerfern vorbei.

      Die Enttäuschung trieb Denise Tränen in die Augen. noch fester hielt sie den Arm des Mädchens umklammert, das jeden Moment in den Abgrund stürzen konnte.

      »Bitte, kommen Sie zurück. Dann können wir über alles in Ruhe reden«, bat sie.

      Die Fremde gab keine Antwort. Sie schien zu überlegen.

      »Ich bin sicher, daß wir gemeinsam einen Ausweg finden werden.«

      »Niemals!« Plötzlich begann das fremde Mädchen zu weinen, und jetzt wußte Denise, daß sie gewonnen hatte.

      »Ein Leben ohne Jochen ist für mich kein Leben mehr. Er war mein ein und alles.«

      »Sie sind noch sehr jung und haben das Leben noch vor sich«, sagte Denise mitfühlend. »Sehen Sie, ich habe ein kleines Mädchen im Auto. Agnes ist fünf Jahre alt, ihre Mami ist vor einer Woche an einer schrecklichen Krankheit gestorben. Die Kleine hat keinen Vater, weil niemand ihn kennt. Seinen Namen hat die Mutter mit ins Grab genommen. Wie gern hätte Gisela gelebt und selbst für ihr Kind gesorgt. Aber das Schicksal hat es eben anders bestimmt. Ich habe Agnes gesagt, daß der liebe Gott ihre Mami im Himmel dringend gebraucht hat. Vielleicht braucht er Ihren Jochen auch.«

      Ein kleines trauriges Lächeln stahl sich über das schmale Gesicht des weinenden Mädchens, und Denise stellte überrascht fest, wie hübsch es eigentlich war.

      »Haben Sie noch Eltern oder Geschwister?«

      »Nein, niemanden mehr. Darum wollte ich auch Schluß machen. Es hat ja doch alles keinen Sinn mehr.« Sie taumelte. In letzter Sekunde konnte Denise sie noch aufhalten.

      »Jetzt kommen Sie endlich zurück. Sie haben sich doch längst für das Leben entschieden.«

      »Für was für ein Leben denn? Eine ledige Mutter ohne Heim und ohne Zukunft. Was ist das für ein Leben, das mich erwartet, das ich meinem Kind bieten kann? Mit Jochen zusammen wäre das etwas geworden, aber so? Nein, nein, es ist zwar lieb von Ihnen gemeint, aber das ist die beste Lösung. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.«

      »Jetzt seien Sie aber vernünftig«, antwortete Denise härter, als sie beabsichtigt hatte. Damit aber hatte sie genau den richtigen Ton getroffen. »Sie sind nicht allein, denn ich bin ja auch noch da. Wahrscheinlich war es Schicksal, daß wir uns begegnet sind. Ich leite ein privates Kinderheim, das meinem Sohn gehört. Wenn Sie möchten, dann werden Sie und Ihr Kind bei uns ebenfalls ein schönes Plätzchen finden, solange Sie wollen.«

      »Sie haben Arbeit für mich?« fragte das Mädchen ungläubig und begann tatsächlich, über das Geländer zu steigen. »Oder wollen Sie mich bloß von hier weglocken, damit ich nicht hinunterspringe?« Ihr Blick wurde schon wieder mißtrauisch.

      »Jetzt kommen Sie schon. Merken Sie nicht, daß es anfängt zu regnen? Ich habe keine Lust, wegen Ihnen bis auf die Haut naß zu werden.« Nur schnell weg vom Geländer, schoß es Denise durch den Kopf, und sie zog die Fremde eilig zu ihrem wartenden Auto.

      »Und jetzt verraten Sie mir, wie Sie heißen«, sagte sie erleichtert, als sie endlich beide im Auto saßen. Denise kam sich vor, als hätte sie einen langen

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