Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman. Karina Kaiser

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Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman - Karina Kaiser Sophienlust - Die nächste Generation

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weil sie in den vergangenen Jahren nie versucht hatten, Kontakt zu Jenny aufzunehmen. Das schlechte Verhältnis zu den Eltern hätten sie zwar nicht in Ordnung bringen können. Aber möglicherweise wäre es ihnen gelungen, wenigstens eine lockere Verbindung zu halten. Stattdessen hatten sie beiden ihr Leben gelebt und nicht weiter über die familiären Verhältnisse nachgedacht. Jetzt fühlten sie sich schuldig und wollten in Erfahrung bringen, ob es den Eltern vielleicht ähnlich erging.

      Thorsten und Barbara freuten sich, als Tochter und Schwiegersohn unerwartet erschienen. Sie baten die beiden sofort in ihre Wohnung, die im Seitenflügel des Hotels lag, und ließen sich aus der Küche Kaffee und Torte bringen. Linda liebte die geräumige Wohnung ihrer Eltern. Besonders das riesig anmutende Wohnzimmer, dessen bodentiefe Fenster den Blick in den Hotelpark freigaben, gefiel ihr. Einen Moment lang genoss sie diesen herrlichen Blick, bevor sie zum Thema kam: »Wir finden es schrecklich, dass Jenny und ihr Mann ums Leben gekommen sind. Obwohl ich seit Jahren keine Verbindung mehr zu ihr hatte, kann ich es noch immer nicht so recht begreifen, dass Jenny nicht mehr da ist.«

      Barbara nickte. »Ich kann dich gut verstehen. Für uns Eltern ist das auch schwer zu begreifen. Aber wir haben von Anfang an gespürt, dass die Verbindung mit Alessandro Castello unter keinem guten Stern stand. So eine Katastrophe war eigentlich abzusehen. Wer sein Leben lang in einem billigen Wohnwagen unter unwürdigen Verhältnissen haust, muss damit rechnen, dass irgendwann einmal alles in Flammen aufgeht.«

      »Das sind Vorstellungen aus längst vergangenen Zeiten«, bemerkte Daniel. »Die Wohnmobile der Schausteller sind heute nicht mehr billig und bieten allen nur denkbaren Komfort. Oft sind es bewegliche Einfamilienhäuser, die keine Wünsche offen lassen. Unwürdig sind die Verhältnisse jedenfalls nicht.«

      »Mag schon sein«, gab Thorsten zu. »Aber das ganze Milieu ist indiskutabel. Wer will schon ständig mit seinem Haus herumreisen und es irgendwo auf schlammigen Plätzen und versumpften Wiesen stehen haben? Das ist doch kein Leben. Und in diese Verhältnisse werden dann auch noch Kinder hineingeboren, deren Heimat ungepflegte Kirmesplätze sind. Was soll aus so einem Kind denn werden? Sie können noch nicht einmal eine vernünftige Schule besuchen und lernen nichts. Am Ende gehen sie denselben Weg wie ihre Eltern und werden verkrachte Existenzen, die sich mit einem Fahrgeschäft gerade so über Wasser halten können. Vielleicht hat die Tochter von Jenny und diesem Italiener jetzt mehr Glück. Im Kinderheim wird man schon dafür sorgen, dass sie etwas lernt und vernünftig erzogen wird.«

      Linda und Daniel saßen da wie vom Donner gerührt. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Sprache wiederfanden.

      »Jenny und Alessandro hatten ein Kind?«, fragte Linda fassungslos. »Und dieses kleine Mädchen ist bei dem Feuer nicht ums Leben gekommen? Davon habt ihr uns noch gar nichts erzählt! Warum habt ihr uns das bisher verschwiegen? Das verstehe ich nicht.«

      »Wir haben es selbst gestern erst erfahren. Die Leiterin eines Kinderheims aus Wildmoos hat uns angerufen und uns mitgeteilt, dass sich das Mädchen in ihrer Obhut befindet. Ich glaube, das Kinderheim heißt Sophienlust oder so ähnlich. Aber das spielt keine Rolle. Es ist auch völlig egal, ob Jenny und ihr Partner ein Kind miteinander hatten. Warum sollten wir euch unwichtige Dinge mitteilen?«

      »Also, ich finde das überhaupt nicht unwichtig«, ließ Daniel sich vernehmen. »Dieses kleine Mädchen tut mir unendlich leid. Ich darf gar nicht daran denken, was es durchmachen musste und wie traurig und verzweifelt es jetzt sein muss. Wie heißt die Kleine denn, und wie alt ist sie?«

      »Ich glaube, Frau von Schoenecker hat erwähnt, dass das Kind sieben Jahre alt ist. Es heißt Ramona, Rabea oder so ähnlich.«

      »Romina«, berichtigte Barbara ihren Mann. »Das ist der Name des Mädchens. Ich war bei dem Telefonat anwesend und habe es verfolgen können.«

      »Und was wird jetzt aus der armen kleinen Romina?«, wollte Linda wissen. »Wollen wir nicht in dieses Kinderheim fahren und sie besuchen?«

      »Auf keinen Fall!«, erwiderte Thorsten barsch. »Ich glaube, das ist auch das Ansinnen der Heimleiterin gewesen. Deshalb hat sie mich angerufen. Aber ich habe ihr sofort deutlich erklärt, dass wir mit diesem Kind nichts zu tun haben wollen. Im Kinderheim ist es bestens aufgehoben, und dort soll es auch bleiben. Der Nachwuchs von Jenny und diesem Alessandro interessiert uns in keiner Weise. Vermutlich spricht das Mädchen ohnehin nur italienisch und würde uns gar nicht verstehen. Bisher haben wir nichts von diesem Kind gewusst.« Er hob die Stimme. »Wir verlieren also nichts, wenn es auch in Zukunft keinen Platz in unserem Leben hat. Es gibt für uns kein Enkelkind und damit basta. Wenn ihr euren Adoptionsantrag gestellt und ein Kind bekommen habt, dann werden wir ein richtiges Enkelkind haben. Das soll uns genügen.«

      »Papa, das kannst du doch nicht machen, und du auch nicht, Mama«, meinte Linda entsetzt. »Was kann dieses bedauernswerte kleine Geschöpf denn dafür, dass ihr mit Jenny gebrochen habt? Romina ist ein Kind, ein hilfloses und unschuldiges kleines Kind. Es braucht Menschen, die ihm zur Seite stehen. Das Leben in einem Kinderheim ist bestimmt kein Zuckerschlecken. Wir müssen etwas für Romina tun. Das ist unsere Pflicht.«

      Barbara seufzte hörbar auf. »Pflicht hin oder her. Wir müssen auch an uns denken. Romina ist sieben Jahre alt. Bis jetzt ist sie zwischen Wohnwagen und Kirmesbuden aufgewachsen. Positiv kann sie sich dabei wohl kaum entwickelt haben. Wir wollen uns aber nicht um ein Problemkind kümmern müssen. Kinderheime und Waisenhäuser sind nicht so schlimm, wie man es immer wieder in Märchenbüchern liest. Den Kindern geht es dort gut. Sie benötigen keine Hilfe von außen.«

      »So ist es«, bestätigte Thorsten. »Nichts auf der Welt kann mich dazu bringen, Kontakt zu diesem Kind aufzunehmen. Ihr solltet das auch auf jeden Fall bleiben lassen. Euer Mitgefühl in Ehren, aber ihr tätet euch damit nichts Gutes. Vergesst einfach, dass Jenny ein Kind hatte. So halten wir es auch. Denkt lieber an das kleine Wesen, das ihr demnächst in die Familie aufnehmen werdet.«

      Im Augenblick waren weder Daniel noch Linda in der Lage, an die geplante Adoption zu denken. Dazu waren sie über die Nachricht, dass Jenny und Alessandro ein Kind hinterlassen hatten, viel zu berührt. Gleichzeitig konnten sie nicht begreifen, dass Thorsten und Barbara jeglichen Kontakt zu dem kleinen Mädchen ablehnten. Es interessierte sie nicht einmal, ob Romina gut untergebracht war. Nicht einmal das wollten sie nachprüfen. Das Enkelkind existierte für sie einfach nicht! Ein solches Maß an Kälte und Hartherzigkeit konnten Linda und Daniel nicht begreifen.

      Was sie selbst unternehmen wollten, konnten sie beide noch nicht sagen. Was sie eben erfahren hatten, mussten sie erst einmal verarbeiten. Auf jeden Fall versprachen sie aber nicht, keinen Kontakt zu Romina aufzunehmen.

      *

      Die meisten Kinder, die nach dem Tod ihrer Eltern nach Sophienlust kamen, litten viele Wochen oder Monate sehr stark unter dem erlittenen Verlust. Auch Romina trauerte um ihre Eltern. Aber es gab zwei Dinge, die sie unglaublich aufbauten: Da war Fabio, den Romina aus ihrem alten Leben mitgebracht hatte und der sich als treuer Freund erwies. Wenn das kleine Mädchen traurig wurde, wich er nicht von ihrer Seite, schleppte Spielzeug herbei und versuchte, Frohsinn zu verbreiten. Fast immer gelang ihm das auch. Außerdem war da dieser helle Stern, auf dem Romina ihre und auch die verstorbenen Eltern der anderen Kinder vermutete. Sie konnte ihre Eltern zwar nicht mehr sehen und ihre Nähe nicht erleben. Aber sie musste auch nicht endgültig Abschied nehmen. Es verging kein Tag, an dem Romina nicht nach draußen oder in den Wintergarten ging, den Stern betrachtete und ihren Eltern erzählte, was sie an diesem Tag in Sophienlust so alles erlebt hatte. Diese Monologe halfen ihr ungeheuer, ihr schweres Schicksal zu verarbeiten.

      Kein Psychologe hätte mehr erreichen können.

      Pünktchen hatte Romina an diesem Tag mit zu den Pferden genommen. Die großen Pferde waren noch etwas zu mächtig für die kleine Romina. Auch wenn sie fast alle

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