Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman. Toni Waidacher
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»Ja, in der Tat. Ich bin gekommen, um das Angebot, das ich dir unterbreitet hab’, zu erhöhen. Ich kann jetzt also mehr für den Hof bieten als zuvor und…«
»Das kannst d’ dir sparen«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich hab’ dir schon einmal g’sagt, dass ich net zulassen werde, dass aus dem Hof meines Vaters ein Luxushotel wird. Sollen die Reichen doch woanders hingehen, hier ist jedenfalls kein Platz für sie!«
Mit diesen Worten wollte sie an ihm vorbeistürmen, doch Karsten hielt sie auf, indem er sie am Oberarm packte. Er wusste, dass ihr das mit Sicherheit nicht recht war, aber er wollte und konnte sie jetzt einfach nicht gehen lassen. Nicht in dem Zustand, in dem sie sich befand.
Sie fuhr herum und funkelte ihn böse an.
»Lass mich g’fälligst vorbei«, sagte sie.
Doch Karsten schüttelte den Kopf und legte beide Arme um sie, so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen.
Michaela machte sich nicht von ihm los. Stattdessen schmiegte sie sich eng an ihn und begann, sich an seiner Brust auszuweinen. Sanft strich er ihr mit der Hand über den Hinterkopf, spürte ihr wundervolles weiches Haar und hatte nur noch einen Wunsch: Er wollte Michaela trösten und dafür sorgen, dass sie nie wieder traurig sein musste. Gleichzeitig war ihm klar, dass das reines Wunschdenken war; er konnte schließlich keine Wunder vollbringen.
Nach einer Weile sah Michaela auf und schaute ihm direkt in die Augen. Ihr Blick war voller Sehnsucht, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihre zarten Lippen auf Karstens Mund drückte.
In dem Moment vergaß Karsten alles um sich herum. Zärtlich, aber immer leidenschaftlicher erwiderte er Michaelas Küsse, gleichzeitig wischte der ihr mit den Fingern sanft die Tränen aus dem Gesicht.
Gott, dachte er, was für eine Frau!
Michaela schloss die Augen, und mit einem Mal war alle Traurigkeit, die sie vor wenigen Minuten noch empfunden hatte, verschwunden. Jetzt wollte sie nur noch eines: Nie mehr aus Karstens Nähe fort zu müssen.
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog sich ganz fest an ihn heran. Plötzlich schienen alle Sorgen der Welt vergessen zu sein. Sie dachte nicht mehr an den Hof, an die finanziellen Sorgen, die ihr Vater hatte und an den wahrscheinlich unumgänglichen Verkauf – in diesem Moment gab es nur noch Karsten und sie, und sonst gar nichts.
Doch so schnell, wie alles begonnen hatte, hörte es auch schon wieder auf, als Karsten sich plötzlich und völlig unerwartet abrupt von ihr löste und einen Schritt zurücktrat.
Michaela öffnete die Augen. Sie hatte das Gefühl, soeben aus einem wunderschönen Traum aufgewacht zu sein.
»Was…, was ist los?«, fragte sie mit kehliger Stimme. »Habe ich etwas falsch gemacht?«
Hastig schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er. »Du hast nichts falsch gemacht. Entschuldige, es tut mir leid, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.«
Noch einmal sah er sie kurz an, dann drängte er sich an ihr vorbei und lief zurück zu seinem Wagen.
*
Michaela war wie vor den Kopf geschlagen. Sie wusste selbst nicht, wie es hatte geschehen können. Aber als Karsten sie getröstet hatte, hatte sie diese unendliche Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit gespürt. Und als sie sich schließlich geküsst hatten, war da nur noch ein Wunsch gewesen: dass dieser Augenblick nie vorübergehen mochte.
Und Karsten war es ebenso ergangen, das hatte sie deutlich gemerkt. Um so überraschter war sie nun darüber, dass er sie jetzt einfach stehen gelassen hatte.
Und jetzt? Michaela wusste es nicht. Eigentlich war ihr klar, dass sie erleichtert sein sollte. Erleichtert darüber, dass Karsten die Sache beendet hatte, bevor mehr hatte passieren können. Immerhin hatte sie sich geschworen, sich in naher Zukunft nicht wieder auf einen Mann einzulassen. Und außerdem durfte sie nicht vergessen, dass
Karsten für die Gegenseite arbeitete. Er war im Auftrag des Mannes hierher geschickt worden, der ihrem Vater den Hof abluchsen wollte.
Und dennoch konnte sie nur daran denken, wie wundervoll weich sich Karstens Lippen angefühlt hatten und wie unglaublich zärtlich er gewesen war…
Michaela schüttelte den Kopf, doch es gelang ihr nicht, diese Gedanken zu verbannen. Den ganzen Tag über dachte sie immer wieder an Karsten und daran, wie gern sie ihn noch einmal küssen würde. Selbst als sie am späten Abend in ihrem Bett lag, tauchte immer wieder sein Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf.
Und etwas später, als sie bereits schlief, schlich er sich sogar in ihre Träume.
*
»Na, haben S’ gut geschlafen, Michaela?«, erkundigte sich Sebastian Trenker gut gelaunt, als die junge Frau am nächsten Morgen schon recht früh die Küche betrat. Er war gerade dabei, Tee zu kochen.
Michaela hob die Schultern. »’s geht so«, sagte sie, und ihre Worte klangen ein wenig ausweichend. »Wo ist denn Mutter?«
»Sie schläft noch.« Der Pfarrer lächelte. »Zum Glück, wie ich sagen möchte, sie hat den Schlaf wirklich dringend nötig. Die ganzen Sorgen zehren doch sehr an ihren Kräften.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Michaela und senkte betroffen den Blick. »Ich wünscht’, ich könnte ihr helfen. Wenn es mir gelänge, den Hof zu retten, ginge es ihr bestimmt schnell besser.«
»Wie sieht’s denn im Moment aus?«, erkundigte Sebastian Trenker sich. »Besteht noch Hoffnung?«
Michaela seufzte. »Ehrlich gesagt, ich weiß es net, Herr Pfarrer. Ich werde heute noch einmal mit ein paar Leuten sprechen, bei denen der Vater noch Rechnungen offen hat, und um Stundung oder Ratenzahlung bitten. Auch mit der Bank werde ich noch ein weiteres Mal sprechen müssen, auch wenn ich nicht viel Hoffnung hab’, dass die mich überhaupt noch mal anhören werden. Tja, und wenn das alles nix bringt, werde ich wohl oder übel mit dem Vater sprechen und ihm sagen müssen, dass uns nur noch der Verkauf bleibt.«
Der Pfarrer nickte. »Verstehe. Aber um ehrlich zu sein, der Ludwig rechnet schon längst mit nix anderem mehr. Ich hab’ mich gestern noch einmal in aller Ruhe mit ihm unterhalten, und er hat mir klar gesagt, dass er sich nix mehr vormacht. Er weiß, wie es um den Hof steht. Und wenn er durch den Verkauf seine Schulden los ist und auch für die Rosi und ihn gesorgt ist, ist ihm das allemal lieber, als wenn es hinterher noch zu einer Zwangsversteigerung kommt.«
»Sicher, das versteh’ ich ja auch, aber trotzdem – ich kenne den Vater doch. Ich kann mir einfach net vorstellen, dass er ohne sein Höfl glücklich werden kann. Deshalb werde ich mir noch einmal einen genauen Überblick über die Situation machen, in der sich der Hof befindet. Aber wahrscheinlich wird auch das nix mehr bringen, so leid es mir auch für den Vater tut.« Sie blickte auf ihre Armbanduhr. »So, ich muss jetzt los, Herr Pfarrer. Ich hab’ heute viel zu tun.«
»Aber wollen S’ denn gar net frühstücken?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke«, sagte sie noch, dann war sie auch schon verschwunden.
Nachdenklich beobachtete Sebastian Trenker sie durchs Küchenfenster, wie sie in ihren Wagen stieg. Er hatte das Gefühl, dass Michaela nicht nur