Vom Imperiengeschäft. Berthold Seliger

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Vom Imperiengeschäft - Berthold Seliger

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ein Imperium errichten will, dem sind alle Mittel recht, legale wie illegale. Ob Walt White in Albuquerque Crystal Meth herstellt, dann die Vertriebswege seiner Drogen kontrolliert und schließlich als »Heisenberg« zum Herrscher eines Imperiums wird, oder ob Microsoft in eben diesem Albuquerque eine Software schreibt, später ein Betriebssystem und eine grafische Benutzeroberfläche entwickelt (oder von Apple klaut, ganz wie man will),6 seine Verdrängungspolitik gegenüber der Konkurrenz mit nicht immer legalen Mitteln vorantreibt,* öfter mit Ermittlungen des Kartellamts zu tun hat und am Ende als Monopolist und als »wertvollstes« Unternehmen der Welt dasteht – der Weg und das Ergebnis sind ähnlich: Man hat ein Imperium errichtet, das den Markt beziehungsweise die Welt dominiert – koste es, was es wolle.

      Einen ähnlichen Weg sind die drei weltbeherrschenden Giganten des Konzertgeschäfts gegangen: die AEG, CTS Eventim und Live Nation.

      Mit AEG ist nicht etwa die altehrwürdige, 1883 in Berlin gegründete »Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft« gemeint, die einmal einer der weltweit größten Elektrokonzerne (und vor und während des Ersten Weltkriegs nach Krupp zweitgrößter deutscher Rüstungsproduzent) war, die 1982 Insolvenz anmelden mußte, 1985 von der Daimler-Benz AG übernommen und 1996 endgültig aufgelöst wurde – sondern die »Anschutz Entertainment Group«, als Tochtergesellschaft der »Anschutz Corporation« eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Unterhaltungsindustrie und des Sports. Die AEG besitzt und betreibt einige der wichtigsten und größten Arenen und Theater wie das Staples Center in Los Angeles, »The O2«* in London (ein Entertainment-Komplex mit dem größten Kuppelbau der Welt), die Cadillac Arena7 in Beijing oder hierzulande die Mercedes-Benz (ehemals O2) Arena in Berlin und die Hamburger Barclaycard Arena.

      * Es ist schlechter Brauch, daß derartige Arenen heutzutage ähnlich wie Stadien nach demjenigen benannt werden, der dafür am meisten Geld bietet: Die Namensrechte für diesen Entertainment-Komplex in Greenwich (London) wurden 2007 durch das Mobilfunkunternehmen O2 erworben und 2017 für umgerechnet etwa 148 Millionen Euro bis in das Jahr 2027 verlängert.

      Jüngst hat die AEG ihre Tournee-Sparte »AEG Live« in eine globale Tourneeagentur umgewandelt: die »AEG Presents Global Touring and Talent«. Von der Zentralisierung der Tourneegeschäfte erhofft man sich, die AEG noch mehr als »leader in global touring«, als einen der Weltmarktführer im Tourneegeschäft, zu etablieren. Zusätzlich verbleiben die weiteren Konzertveranstalter und Agenturen, die AEG besitzt, unter dem Dach von »AEG Presents«. Dazu gehören die Firmen Goldenvoice (ein kalifornischer Großveranstalter von Konzerten und Festivals, unter anderem des Coachella und des Stagecoach Country Music Festivals), Concerts West (einer der größten Konzertveranstalter, zu dessen Klienten Céline Dion, The Rolling Stones, Katy Perry, Roger Waters und Justin Bieber gehören), die im Bereich der Country-Musik tätige Messina Touring Group (u. a. Taylor Swift, Ed

      Sheeran), The Bowery Presents (einer der führenden Veranstalter und Betreiber von Konzerthallen in New York, Boston, Philadelphia, Atlanta und Maine) und die legendäre europäische Agentur Marshall Arts, die unter anderem Paul McCartney, Elton John, Herbie Hancock, José Carreras, Cher, Pink und Tina Turner vertritt und die Tourneen von Joe Cocker veranstaltet hat. Am Rande sei erwähnt, daß die Anschutz Entertainment Group mit AEG Sports auch eine Sportdivision unterhält. Der AEG gehören weltweit eine Vielzahl von Sportmannschaften, unter anderem die Eishockeyteams Los Angeles Kings und Eisbären Berlin (beide Teams können ihre Spiele praktischerweise in den AEG-eigenen Mehrzweckhallen austragen), das Fußballteam Los Angeles Galaxy (das 2006 mit der Verpflichtung von David Beckham für Aufsehen sorgte) oder die Los Angeles Lakers (an dem Basketballteam hält AEG eine 50-Prozent-Betei­ligung). Unternehmenschef Philip Anschutz unterstützt übrigens politische Gruppierungen aus dem evangelikal-konservativen Milieu, die unter anderem Homosexuelle dis­kriminieren,8 was durchaus eine pikante Note hat: Mit dem Geld, das mit dem bekennenden Homosexuellen Elton John verdient wird, finanziert Anschutz Propaganda, die sich gegen Homosexuelle richtet.

      In meinem Buch Das Geschäft mit der Musik habe ich beschrieben, wie der 1996 verabschiedete US-amerikanische »Telecommunications Act« Wettbewerbsbeschränkungen aufhob mit dem vorgeblichen Ziel, die Angebotsvielfalt zu steigern, und genau den gegenteiligen und letztlich erwünschten Effekt erzielte, denn es kam zu massiven Konzentrationsprozessen. Zu den Unternehmen, die von diesem Gesetz profitiert haben, gehört die regionale texanische Radiostation Clear Channel aus San Antonio. Nach 1996 investierte Clear Channel mehr als 30 Milliarden Dollar und kaufte mehr als 1200 Radiostationen in den USA – aber auch führende Konzertagenturen, Veranstalter und Konzerthallen. Im Jahr 2005 mußte Clear Channel aus Wettbewerbsgründen die Konzertsparte aus dem Unternehmen herauslösen, die seitdem als »Live Nation« fungiert und heute der weltgrößte Konzertveranstalter ist.

      Live Nation hat 2017 etwa 30 000 Konzerte in 40 Ländern veranstaltet und dabei 500 Millionen Tickets verkauft. Live Nation besitzt oder betreibt weltweit 222 Veranstaltungsorte und besitzt oder kontrolliert über Mehrheitsbeteiligungen etliche der wichtigsten Tourneeveranstalter und Festivals unter anderem in Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Skandinavien, Italien, Spanien und neuerdings auch in Deutschland. Live Nation managt weltweit mehr als 500 Künstler und Bands, darunter U2 und Madonna. Der weltweite Expansionskurs, das Imperiengeschäft, wurde mit gigantischen Verlusten finanziert: Zwischen 2005 und 2012 schrieb Live Nation Verluste in Höhe von 951 Millionen Dollar (allein im Jahr 2008 waren es 239 Mio.).

      Seit dem Erscheinen von Das Geschäft mit der Musik im Jahr 2013 hat Live Nation unter anderem die folgenden Firmen gekauft oder gegründet beziehungsweise Beteiligungen an ihnen erworben: Insomniac Events (ein auf »Electric Dance Music«, EDM, spezialisierter US-Veran­stal­ter, der zum Beispiel das Electric Daisy Carnival-Festi­val betreibt), C3 Presents aus Austin, Texas (die unter anderem das legendäre Austin City Limits Music Festival und das Lollapalooza Festival, das seit einigen Jahren auch in Berlin stattfindet, aber auch eine Managementfirma betreiben, zu deren Klienten The Strokes, Phoenix, My Bloody Valentine oder Justice gehören; zum Zeitpunkt der Übernahme durch Live Nation galt C3 Presents als der größte unabhängige Konzertveranstalter der Welt), marktdominierende Tourneeveranstalter in Südafrika und Israel sowie weitere Groß-Festivals, von New Orleans über das finnische Hip-Hop-Festival »Blockfest« bis zum brasilianischen »Rock in Rio«.

      Last but not least wagte Live Nation im Sommer 2015 auch den Markteintritt nach Deutschland, den größten europäischen Musikmarkt. Hier gewann man den größten deutschen Konzertveranstalter der letzten Jahrzehnte, Marek Lieberberg (an dessen Marek Lieberberg Konzertagentur, MLK, die CTS Eventim AG seit dem Sommer 2000 eine Mehrheitsbeteiligung hält) als »Chief Executive Officer« von Live Nation Concerts Germany; Lieberberg brachte auch sein Führungsteam mit zu Live Nation. Marek Lieberberg war zum Zeitpunkt seines Eintritts in den Live Nation-Konzern laut eigenen Angaben der weltweit fünftgrößte Konzertveranstalter. Live Nation-Chef Michael Rapino kom­mentierte den deutschen Markteintritt seines Unternehmens und die Zusammenarbeit mit Marek Lieberberg wie folgt: »Dieser Schritt bildet die Fortsetzung der globalen Expansion unseres Unternehmens und bietet unseren Sponsoren Zugang zu den Fans in einem wichtigen europäischen Markt, während gleichzeitig das Inventar von Ti­cketmaster um mehrere Millionen Tickets wächst.«

      Die »Fortsetzung der globalen Expansion unseres Unternehmens« – so nennt Rapino das Imperiengeschäft, dem er nachgeht. Und Marek Lieberberg stieß ins gleiche Horn: »Ein Teil von Live Nation zu werden, ist der Traum eines jeden Veranstalters. Der Zugang zur Plattform von Live Nation und dem Sponsorship-Team wird unser Business auf die nächste Ebene heben.«9 Einigermaßen lustig ist es, daß nun die Firma, die Lieberbergs Namen trägt, nämlich die Marek Lieberberg Konzertagentur Holding GmbH, zu 100 Prozent der CTS Eventim AG gehört, während er, Lieberberg selbst, für Live Nation arbeitet. Besonders aufschlußreich an Rapinos und Lieberbergs Stellungnahmen zur Gründung von Live Nation Concerts Germany ist allerdings der doppelte Hinweis auf Sponsoren, denen man »den Zugang zu den Fans in einem wichtigen Markt« ermöglichen möchte, und auf das Ticketing. Auch wenn Rapino hier flunkert, denn Lieberbergs Konzertagentur

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