Bei abnehmendem Mond. Jörg M. Pönnighaus

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Bei abnehmendem Mond - Jörg M. Pönnighaus

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style="font-size:15px;">      Ich folgte ihr.

      Asha bemühte sich, die Herztöne zu finden.

      Serapia bemühte sich die Herztöne zu finden.

      Vergeblich.

      Na ja, wenn es tot war, war vielleicht doch der Uterus geplatzt?

      »Bewegt sich Ihr Kind wirklich noch?«

      »Vor zwei Tagen hat es sich bestimmt noch bewegt.«

      Ich konnte mir keinen Reim aus den Befunden machen. Hatte Asha wirklich Herztöne gehört? Und wieso waren die nun einfach nicht mehr aufzufinden? »Rufen Sie das OP-Team.«

      »Kann der Uterus wirklich geplatzt sein, wenn die Frau gar keine Wehen hat«, fragte mich Lenna, die die Narkose gab.

      »Eigentlich nicht; aber im Ultraschall sieht es wirklich so aus, als könnte er geplatzt sein. Und das Kind scheint tot zu sein. Aber klar ist mir das alles auch nicht!«

      Längsschnitt.

      Bevor ich die Gebärmutter aufschnitt, tastete ich sie ab. Ja, an einer Stelle wölbte sich die Uteruswand vor und schien sie ganz dünn zu sein. Aber geplatzt war sie nicht. Na gut, dann war es eben eine Fehlentscheidung gewesen, einen Kaiserschnitt zu machen. Das kam halt vor. Oder vielleicht war es auch keine Fehlentscheidung, denn sicher wäre der Uterus an eben der Stelle gerissen, sobald Fatuma richtige Wehen bekommen hätte. Und ein geplatzter Uterus gestaltet sich sehr sehr schnell zu einem Wettlauf mit dem Sensenmann!

      Querschnitt durchs untere Segment. Fruchtwasser spritzte im Strahl durch den Saal, durchnässte das Hemd von Ndali. Wir lachten. Na ja, bei so viel Fruchtwasser würde mit dem Kind irgendetwas nicht stimmen, dachte ich. Mit der rechten Hand holte ich den Kopf aus dem unteren Segment. Das Kind lebte noch! Aber es hatte nur ein Auge. Ein Kyklop! Scheiße, es lebte noch. Ein Mädchen. Es öffnete sein eines Auge. Schrie. Sehr schrill.

      Tindwa durchtrennte die Nabelschnur, ich gab das Kind Serapia.

      Schweigend nähte ich den Uterus wieder zu.

      Schweigend ging ich später zum Entbindungszimmer.

      »Lebt das Kind noch?«

      »Es atmet noch«, antwortete Serapia.

      Ich ging zu dem Kind hin und legte ihm eine Decke über den Kopf.

      »Es ist tot«, sagte ich.

      »Wir haben bei der Morgenbesprechung gehört«, sagte Claudia (die Medizinstudentin) am nächsten Morgen, »dass gestern ein Kind mit nur einem Auge geboren wurde. Stimmt das?«

      »Ja«, sagte ich. Ich hatte die Morgenbesprechung wegen eines weiteren Kaiserschnittes verpasst.

      »Ich dachte, so etwas gibt es nur in Büchern!«

      »Was geschah dir für Leid, Polyphemos, dass du so brülltest

      Durch die ambrosische Nacht, und uns vom Schlummer erwecktest?

      Raubt der Sterblichen einer dir deine Ziegen und Schafe?

      Oder würgt man dich selbst, arglistig oder gewaltsam?«

      Der Mann, der neun Fahrräder hatte

      [16. August 2006]

      Es war schon ein merkwürdiger Anblick: über dem rechten Ohr schaute eine Speerspitze aus dem Kopf und über dem linken Ohr der dort abgebrochene Schaft. Ich weiß nicht, wieso der Mann noch lebte. Sie brachten ihn auf einer Trage aus ein paar kleinen Ästen. Er war natürlich bewusstlos. Er hatte nichts mehr zu sagen, er würde nie wieder etwas zu sagen haben.

      Moses kannte ihn – wen kennt Moses nicht? Und Mama Chogo kannte ihn auch. Er war aus Kipingo, ihrem Dorf. Er wohnte nur ein paar Häuser weit von ihrem Anwesen entfernt. Magnus hieß er.

      Sie hatten ihn erwischt, als er Reis stehlen wollte. Und der Besitzer von dem Reis hatte ihm diesen Speer durch den Kopf gerammt.

      Ich erinnere mich an zwei Patienten, die auch mal wegen einer gespaltenen Rübe gebracht worden waren.

      Der eine war betrunken gewesen und hatte sich irgendwo unter ein Vordach schlafen legen wollen. Da hatte der Besitzer gedacht, da komme ein Dieb und hatte ihm voll mit dem Buschmesser vor die Stirn gehauen.

      Der andere: Ich glaube, den hatte ein Ehemann mit seiner Frau erwischt und das nicht lustig gefunden. Das Buschmesser war von der Nasenwurzel bis durch den Gaumen gefahren. Und wenn man den Gesichtserker vorklappte, konnte man die Mandeln sehen. Ich hatte den Oberkiefer verdrahtet und das Gesicht schichtweise wieder verschlossen. Es blieb nur eine relativ unauffällige Narbe. Die Operation hatte Spaß gemacht.

      Aber dem Mann mit dem Speer durch den Kopf konnte ich natürlich nicht helfen. Da konnten wir nur warten, bis er starb.

      Alle in Kipingo wussten, dass Magnus ein Dieb war. Man hatte ihn nur nie so recht erwischen können. Kipingo ist ein großes Dorf vielleicht drei Kilometer von Lugala entfernt. Ich weiß nicht, wo genau es in Njassa auf der einen Seite und Nawigo auf der anderen Seite übergeht. In Kipingo hat mal das Krankenhaus gestanden, als es noch ein Krankenhäuschen war. Irgendwo dort, bis es in einer besonders heftigen Regenzeit praktisch weggeschwemmt wurde. Anfang der fünfziger Jahre war das. Und dann wurde es eben in Lugala wieder neu gebaut. Ein kleiner Gedenkstein soll dort stehen. Man sieht es dem Dorf sofort an, dass es ein altes Dorf ist: Überall hohe Mangobäume und alte Ölpalmen. Und man sieht auch, dass es ein reiches Dorf ist: Die meisten Häuser sind aus Ziegelsteinen. Kipingo hat eine Oberschule und natürlich eine Grundschule. Ursprünglich hatte auch ›unser‹ Bischof dort seinen Sitz, bis die Diözese ihren Sitz nach Ifakara verlegte. Die große Kirche zeugt noch davon.

      Dort in Kipingo wohnte Magnus also in einem recht großen Ziegelsteinhaus mit Wellblechdach. Verheiratet war er auch, aber seine Frau war nicht mitgekommen, als sie ihn jetzt mit einem Speer durch den Kopf gebracht hatten.

      Wir standen rum. Es war eben ein sehr merkwürdiger Anblick.

      In Ifakara hatten sie neulich einem jungen Mann der versuchte hatte, Reis zu stehlen, beide Augen ausgestochen und den Penis abgeschnitten und ihm in den Mund gestopft. Da war ein Speer durch den Kopf ja noch geradezu vorteilhaft!

      Irgendwann kam die Polizei. Mit ihrem neuen weißen Landrover. Sie sahen sich Magnus kurz an.

      »Den kennen wir«, sagte der dickere von den beiden Polizisten, »das geschieht dem recht so.«

      Dann gingen sie wieder.

      In dem Hause von Magnus wurden später neun Fahrräder gefunden. Seine Frau hatte das Weite gesucht.

      Dunkelblau

      [24. August 2006]

      Ich hatte es eilig. Es war schon nach drei Uhr. Ich hatte mir fünf Stunden lang Patienten angeschaut und mir für jeden Zeit genommen, hatte jeden ausführlich befragt, hatte jeden untersucht und hatte mit jedem besprochen, was zu tun war. Auch wenn mir manche Beschwerden einfach unsinnig vorgekommen waren (Bauchschmerzen, die den Rücken hochsteigen und dann von hinten in die Brust gehen). Denn viele kamen von weit weither. Auf steinigen

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