Wohnt Gott im Gehirn?. Hans Goller

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Wohnt Gott im Gehirn? - Hans Goller

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      Alpers Deutung blendet die reiche Erlebnisvielfalt religiöser Erfahrungen aus. Diese sind, wie alle Erfahrungen, keine Merkmale, die Wissenschaftler von außen am Gehirn beobachten und messen könnten. Mit seiner neurobiologischen Deutung religiöser Phänomene erweckt Alper den Eindruck, es handle sich um eine wissenschaftliche Erklärung. In seinem Buch finden sich jedoch keinerlei Hinweise darauf, wie objektiv beschreibbare Gehirnmechanismen subjektive Erlebnisse wie ein Gefühl der Heiligkeit, der Wonne und des Friedens hervorbringen. Alper scheint sich auch des Problems nicht bewusst zu sein, dass wir nicht die leiseste Ahnung davon haben, wie aus elektrochemischen Vorgängen im Gehirn Empfindungen, Wahrnehmungen, Gefühle und natürlich auch religiöse Erlebnisse entstehen. Es klafft stets eine Erklärungslücke zwischen dem bewussten Erleben auf der einen und den Hirnprozessen, die damit einhergehen, auf der anderen Seite. Erst dann, wenn wir wüssten, warum und auf welche Weise Hirnprozesse bewusste Erlebnisse erzeugen, könnten wir diese Erklärungslücke schließen. Dieses bis heute ungelöste Problem bildet die größte Herausforderung für die Neurowissenschaften (vgl. Goller 2003). Es gibt keinen empirischen Beweis für die Annahme, dass das Bewusstsein und damit auch religiöse Erfahrungen und spirituelle Erlebnisse nur neurobiologische Phänomene sind.

      Um die These, religiöses Bewusstsein sei rein biologischer Natur, wissenschaftlich beweisen zu können, müsste Alper zunächst zeigen, dass die Erlebnisvielfalt religiöser Erfahrungen sich mit den Begriffen der Neurobiologie genauso gut, wenn nicht sogar treffender, beschreiben ließe als mit den religiösen Begriffen unserer Alltagssprache. Er müsste außerdem erklären, warum jemand notgedrungen ein religiöses Erlebnis hat, wenn sein Gehirn sich in einem bestimmten Zustand befindet. Zudem müsste er das schwierigste Problem des Bewusstseins lösen, indem er für die Erlebnisqualität religiöser Erfahrungen, für die Art, wie diese sich für die erlebende Person anfühlen, eine rein neurobiologische Erklärung vorlegt. Mit dem bloßen Hinweis, es gebe einen göttlichen Teil des Gehirns oder besondere Schaltkreise für Spiritualität, Gebet, Moral und Religion im Allgemeinen, ist die Frage nach der neurobiologischen Grundlage religiöser Phänomene keineswegs beantwortet. Von einer Biologisierung der Spiritualität und Religiosität kann keine Rede sein.

      Religiöse Erfahrungen und spirituelle Erlebnisse sind nicht auf ihre neurobiologische Grundlage reduzierbar. In den ungeheuer komplexen elektrochemischen Vorgängen des Gehirns lässt sich nichts entdecken, was religiösen Überzeugungen, frommen Gefühlen und mystischen Erlebnissen auch nur im Entferntesten ähnlich wäre. Der erlebenden Person sind diese Phänomene jedoch unmittelbar gegeben. Ausgangspunkt jeder Suche nach der neurobiologischen Grundlage religiöser Erfahrungen sind stets die Erlebnisberichte der Betroffenen, und nicht die Aufzeichnungen der elektrischen Aktivität ihres Gehirns oder Aufnahmen mit bildgebenden Verfahren.

      Im Epilog seines Buches lässt Alper immerhin verhalten anklingen, dass er Erlebnissen doch eine eigene Form der Wirklichkeit zuerkennt. Er fragt: Selbst wenn Glück etwas rein Biologisches sein sollte – erleben wir es deshalb weniger intensiv? Die bloße Tatsache, dass wir überhaupt etwas erleben, sei Grund genug zum Feiern. Sein Leben bleibe stets ein staunenswertes Rätsel. Dem kann man vorbehaltlos zustimmen.

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