Brothers in Crime. Wolfgang Pohrt

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Brothers in Crime - Wolfgang Pohrt

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Vorgeschichte: »1988 steigt die Verbrechensrate in den Vereinigten Staaten um 400 Prozent. Die ehemals freie Stadt New York wird das einzige ausbruchssichere Gefängnis des Landes. Umgeben wird dieses Gefängnis von einer 20 Meter hohen Mauer, welche entlang der Küste von New Jersey über den Haarlem-River bis zur Küste von Brooklyn führt. Sie umgibt ganz Manhattan Island. Alle Brücken und Wasserstraßen sind vermint. Die Polizei der Vereinigten Staaten ist wie eine Armee um die Insel herum stationiert. Innerhalb des Gefängnisses gibt es keine Wächter, sondern nur Gefangene – und eine Welt, die sie selbst geschaffen haben. Die Regeln sind einfach: Wer erst mal drin ist, kommt nicht wieder raus.«

      Oder wer erst mal draußen ist, kommt nicht wieder rein, wenn man die Sache von der anderen Seite aus betrachtet. Jedenfalls ist die Welt aufgeteilt, und jeder kennt solche Endgültigkeiten. Im Gefängnis hat sich das frühere Deportationssystem mit seinen Strafkolonien erhalten. Die Strafkolonie wiederum tradiert alten Stammesbrauch. Wer nicht spurt, wird verstoßen, und Entzug der Mitgliedschaft bedeutet Tod. »Fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben«, wissen kleine Kinder schon. Ihr Leben lang werden sie das Hänsel-und-Gretel-Gefühl nicht los, denn hinter der Jagd nach Erfolg und Anerkennung steckt die Angst vor sozialer Ächtung und Deklassierung. Weitere Informationen braucht der Zuschauer daher nicht, um die Situation zu verstehen.

      Die Partie beginnt damit,, dass die Air Force One Probleme meldet. An Bord befindet sich der Präsident, aber es gibt noch andere Gäste. Im Cockpit der Maschine hat sich ein Selbstmordkommando verschanzt, über Bordlautsprecher lässt es den Präsidenten und seine Begleiter wissen: »Euer ganzes imperialistisches Waffensystem und eure Lügen können ihn nicht mehr retten. Wir schmieren ab. Wir werden abstürzen. Erzählt dies euren Arbeitern, wenn sie wissen wollen, wo ihr Staatsoberhaupt ist. Wir, die Soldaten der Nationalen Befreiungsfront der Vereinigten Staaten von Amerika, haben im Namen aller Arbeiter und aller, die von diesem imperialistischen System unterdrückt worden sind, dem rassistischen Polizei- und Obrigkeitsstaat einen vernichtenden Schlag versetzt. Welches Beispiel wäre besser dazu geeignet, als den Präsidenten im Ghetto seines eigenen imperialistischen Gefängnisses zugrunde gehen zu lassen. Diese rassistischen Schweine haben es nicht besser verdient. Dies war unser erster Schlag, und es werden weitere folgen.«

      Schläge ins Wasser allerdings, weil die Schwätzer weder den eigenen Status noch die Situation begreifen. Sie sind nur eine Bande unter vielen, es gibt kein Drinnen und Draußen, das ausbruchssichere Gefängnis ohne Wächter ist die Welt. Sich selbst für Freiheitskämpfer und den Präsidenten für einen Imperialisten zu halten, heißt, eine Konfrontation aufzublasen, die in Wahrheit längst keine Parteien und Ideologien mehr kennt, nur Gewinner und Verlierer. Befangen noch im Glauben an einen Kampf zwischen verschiedenartigen Gesellschaftssystemen, zwischen Böse und Gut, unterschätzen die Soldaten der Nationalen Befreiungsfront die persönlichen Qualitäten ihres Gegners. Der sei ein Trottel, meinen sie, ein Werkzeug, gefährlich nur als Agent und Repräsentant der Klassenherrschaft, der er sich verschrieben hat.

      Aber längst macht nicht mehr der Geschäftsmann Karriere, der sich für die Firma ruiniert. So hoch wie der Präsident kommt in einer Welt wie dieser vielmehr nur, wer schon als Säugling wusste, dass man sich keiner Person oder einer Sache restlos hingeben darf. Das Reserve-As im Ärmel gehört zum Spiel dazu. Kühl, geschäftsmäßig erteilt der erprobte Überlebenskünstler also Weisung, dass seine persönliche Rettungskapsel startklar zu machen sei. Von den Mitarbeitern, die in der Maschine bleiben müssen, nimmt er Abschied mit den Worten: »Gott rette mich und beschütze Sie alle« – man beachte den feinen Unterschied. Und er landet auch unversehrt, nur eben — keine Sicherheitsvorkehrung, die nicht neue Gefahren schaffen würde, wie jeder weiß, der schon mal einen Schlüssel verlor – ausgerechnet an diesem Ort, der dafür präpariert ist, dass keiner rauskommt.

      Bevor man reinkommt, passiert man eine Art Terminal. Schilder mahnen »No Talking. No Smoking.«, und wieder die Stimme aus dem Off: »Achtung, Sie betreten jetzt die Transportzone. Bitten reden Sie nicht und rauchen Sie nicht. Folgen Sie der orangenen Linie zur Kontrolle. Die nächste planmäßige Abfahrt zum Gefängnis ist in zwei Stunden. Sie haben jedoch die Wahl, sich töten und einäschern zu lassen. Wenn Sie diese Möglichkeit in Betracht ziehen, begeben Sie sich zu einem der Private Duty Sergeants in Ihrer Kontrollzone.«

      Dort begegnet uns Snake Plissken, ein breitschultriger, muskulöser, langmähniger, wortkarger, misstrauisch und mürrisch dreinschauender Typ mit schwarzer Augenklappe: Amerikaner laut Akte, außerdem »Lieutenant, Spezialeinheit Black Light, Auszeichnung zwei Lederherzen, Einsatz in Leningrad und Sibirien jüngster Officer, der vom Präsidenten ausgezeichnet wurde, Einbruch im Nuklearwaffendepot, verurteilt zu lebenslänglicher Strafe im Staatsgefängnis New York.«

      Also der richtige Mann, den Präsidenten aus der von ihm installierten Hölle wieder rauszuholen, und als Belohnung winkt Straferlass. Damit beginnt eine wirre Geschichte, die im Einzelnen nicht nacherzählt werden muss. Wichtig ist, dass wir mit Plissken in eine reichlich bizarre, meist nur spärlich beleuchtete Welt abtauchen, die allerhand Ähnlichkeit mit jugoslawischen Bürgerkriegsgebieten hat. Versorgt wird sie per Hubschrauber über eine »Lebensmittelabwurfzone«, die im Central Park eingerichtet worden ist. Sonst sind alle Verbindungen zur Außenwelt unterbrochen — kein Strom, kein Benzin, kein Öl. Die Straßen gleichen Autofriedhöfen, überall stapelt sich Schrott, kokelnder Müll wirft flackerndes Licht. Gestalten huschen im Halbschatten herum, stets sind sie Mitglieder einer von zahllosen rivalisierenden Banden. Einander quälen und einander beim Quälen zuschauen ist ihr bevorzugter Zeitvertreib.

      Wo keiner bleiben will und keiner wegkommt, verliert jede Tätigkeit ihren Sinn. Von vornherein ist ausgeschlossen, dass der Einzelne per Kraftanstrengung erreichen kann, was er am meisten wünscht. Herr der Lage wird er nur, indem er sich zum Vollstrecker des Gesetzes macht, dem er sich unterworfen glaubt. Als jemand, der sich von der Aussichtslosigkeit langsam abgetötet fühlt, wird er andere quälen. »Wenn sie sich langweilten«, heißt es in einem Bericht über die Jugend des späteren Mafia-Bosses Mooney Giancana, »lungerten Mo und der Rest der Gang in Goldstein's Delicatessen, Mary's Restaurant oder in Bonfiglio's Pool Hall herum. Um sich zu amüsieren, wandten sie sich der Vervollkommnung auserlesener Foltermethoden zu. Vor allem Mo hatte ein besonderes Talent, die anderen Mitglieder der Gang mit neuen Methoden zu unterhalten, wie man die Katzen, die in großer Zahl in den Gassen des Viertels herumschlichen, zu Tode prügeln konnte.« (Giancana 1995:29) Unter der Bedingung umfassender Vergeblichkeit wird das Zufügen von Schmerz zur Methode, mittels welcher das Subjekt sich von seiner Existenz überzeugen will. Die Folter soll Gewissheit stiften: Er schreit, also bin ich. Aber vielleicht ist der Schrei kein echter, und vielleicht hat die Seele des Ermordeten entweichen können. Vielleicht spürt er nichts, vielleicht ist er gar nicht tot. Die Folter stiftet keine Gewissheit, darum wird sie unendlich wiederholt.

      Je ähnlicher sich, bedingt durch die ausweglose Lage, die Insassen sind, desto größeren Wert legen die Scarls darauf, dass keiner sie mit den verhassten Crazys verwechselt. Ob mit Wärtern oder ohne, nirgends funktioniert Bandenbildung besser als im Knast. Wenn Menschen gruppenweise übereinander herfallen sollen, muss man sie zusammensperren, wo durch die Übermacht der Umstände jeder Unterschied zwischen den Personen ausgelöscht ist.

      Auch dieser Krieg aller gegen alle hat seine Ordnung. Dafür sorgt der Duke, der gefürchtete Slumlord, der in der Hierarchie über den Bandenchefs steht. Sein Hauptquartier sind abgestellte Eisenbahnwaggons auf der früheren Grand Central Station, wohin mittlerweile der Präsident verbracht worden ist. Gefesselt und an die Wand gestellt, soll er, zum Slumlord gewandt, nachsprechen: »Sie sind der Duke von New York, Sie sind die Nummer Eins.« Das fällt ihm schwer, er stammelt. Paar dicht neben seinen Kopf gezielte Schüsse aber räumen alle Hemmungen weg, und er schreit die Botschaft lauthals hinaus.

      Später wendet sich das Blatt, und der Präsident hat die Demütigung nicht vergessen. Es kommt zu einer Autojagd, vom Duke verfolgt erreichen Plissken und sein Schützling den Polizeikordon. Statt erst mal durchzuatmen, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen oder

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