German Cop. Dieter Jandt
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Dann die endlos lange Zeit, die sie in der stickigen Hütte des Edelsteinhändlers beisammen hockten, weil Nok die Rubine ewig lange hin und her schob und von allen Seiten durch die Lupe ins Visier nahm, auf der Suche nach irgendwelchen Mängeln wie Gaseinschlüssen, Kratzern und Kerben, die mit einem Schliff nicht zu beseitigen waren. Nok hatte mehr Erfahrung als Ton. Sie holte sogar aus ihrer Handtasche eine kleine Kunststoffbox mit heller Immersionsflüssigkeit hervor, legte ein paar Steine hinein, um verborgene Mängel, Risse oder Einschlüsse besser erkennen zu können. Das dauerte, und das spindeldürre Männlein hinter dem groben Holztisch verdrehte genervt die Augen. Es verfluchte die Tatsache, dass Ton auf die Idee gekommen war, unbedingt seine Schwester mitbringen zu müssen.
Nok hatte schon früher in Mae Sai mit Rubinen gehandelt. Ihr machte man so leicht nichts vor. Lange Jahre hatte sie inmitten des Viertels der Edelsteinhändler ein kleines Geschäft betrieben, hatte wie alle anderen an der Straße mit einer Lupe gebeugt an einem Tisch gesessen, mit einer Pinzette in kleinen Häufchen von Rubinen gestochert und die aussortierten Steine an einen jungen Mann mit flinken Fingern weitergereicht, der hinter ihr am Schleifband saß. Schon damals reihte sich ein Laden an den anderen, immer mehr zwielichtige Händler waren hinzugekommen, die ahnungslose Touristen übers Ohr hauten. Einige Ladeninhaber sahen sich genötigt, auf großen Metallschildern zu verkünden, dass sie garantiert mit echten Steinen handeln würden. Das Geschäft im Ort war zusehends verkommen und das Misstrauen untereinander schnell gewachsen. Das war der eigentliche Grund, warum Nok nach Bangkok gewechselt war.
Als Nok die Lupe endlich beiseitegelegt hatte, und man sich nach weiteren zähen Verhandlungen über den Preis einigte, wünschte sich das Männlein, diese Frau nie wieder zu sehen, strich freudlos die thailändischen Banknoten ein und sah gequält lächelnd Ton an, während Nok die in kleine Cellophantüten verstauten und in Papier eingewickelten Steine in einen der Rucksäcke legte. Draußen fuhr sie sofort ihren Bruder an, weil sie diese kleinen, fest verschnürten Bündel im Rucksack entdeckt hatte, die nur zu einer Gelegenheit dort hineingekommen sein konnten: Als der Freund des Akha ihnen das Motorrad gleich hinter der Grenze überlassen hatte.
»Sag mal, wie leichtsinnig bist du eigentlich? Wir führen das ganze Zeug hier 40 Kilometer in Burma spazieren und jetzt wieder zurück! Schleichen zu dritt über die Berge mit diesem klapprigen Motorrad. Ich hatte doch deutlich gesagt, ich will das nicht. Schmeiß es weg!«
»Nun bleib mal ruhig, Schwesterchen! Ich mach das nicht zum ersten Mal, das weißt du. Vor allen Dingen schreie nicht so rum! Es gibt nicht wenige hier, die verstehen Thai. Und unsere Steinchen sind ja schließlich auch nicht gerade legal, wenn wir die so einfach über die grüne Grenze mitnehmen.«
Die nächtliche Rückfahrt war nicht ganz so anstrengend. Nur zwei Mal sah sich der junge Akha genötigt abzusteigen und einen steilen Berg zu Fuß hochzulaufen, bis Ton kam und ihn mit dem Motorrad nachholte.
Nun auf der thailändischen Seite tuckerten sie zu dritt die Hügel hinauf, während über ihnen erleuchtete Ballons in die Höhe stiegen. Zu Tausenden wurden sie von den Straßenrändern in Mae Sai emporgeschickt. Wie die kleinen Krathongs auf dem Grenzfluss sollten sie die Wünsche der Menschen weitertragen. Irgendwo dort unten saß auch Wagner und hatte zumindest einen Wunsch.
9.
Johann fläzte sich mit lang ausgestreckten Beinen auf einem Sessel im Café des Top North Hotels. Er hielt einen Teller mit Schwarzwälder Kirschtorte in der Hand und aß gemächlich, während er das Treiben auf der Hauptstraße nahe den Grenzanlagen beobachtete. Die Dämmerung setzte ein. In einer halben Stunde, um 18 Uhr, würde die Grenze geschlossen sein. Ein Stau hatte sich auf der linken Seite der Fahrbahn gebildet, meist Pickups mit allen möglichen Waren auf den Ladeflächen. Fliegende Händler mit Handkarren schoben sich dazwischen, Motorräder nutzten die Lücken und drängten sich geschickt in gewagten Slaloms nach vorn. Fußgänger mussten aufpassen, nicht angefahren zu werden. Auf der rechten Fahrbahn kamen Autos und Motorräder zügig von der Grenzbrücke herunter und verteilten sich eilig auf der dreispurigen Straße nach Mae Sai hinein.
Vor dem Eingang des Hotels stellten burmesische Händler ihre Karren mit Textilien, billigem Schmuck und allerlei Nippes auf. Der Nachtmarkt veränderte wie überall in Thailand allabendlich das Straßenbild.
Johann pflückte die Kirsche von der Torte und schob sie mit der Zunge am Gaumen hin und her. Er beobachtete Wagner, der im Stehen seinen kleinen Rucksack kontrollierte.
»Was willst du mit der Kamera? Ein Familienfoto machen, bevor sie dich schnappen?«
Wagner antwortete nicht. Er nahm ein kleines, blau-gelbes Wörterbuch heraus, nickte und stopfte es wieder in den Rucksack zurück.
»Ich sag’s dir nochmal: Du bist so schnell weg vom Fenster, da hast du noch nicht mal nachgeschlagen, was ›Bitte, bitte‹ heißt. Und denk daran, falls sie dich festnehmen: Wir kennen uns nicht, okay?«
An den Kontrollposten waren die beiden am frühen Morgen im Bus tatsächlich nicht kontrolliert worden. Während die Polizisten die Einheimischen und vor allem Burmesen sehr genau checkten, ließ man Farang meist in Ruhe. Aber verlassen konnte man sich darauf nicht, und Johann konnte es immer noch nicht fassen, mit welcher Naivität Wagner herumreiste. Andererseits fand er zunehmend Gefallen an der ganzen Angelegenheit. Es versprach spannend zu werden. Und mit etwas Distanz konnte er sich das, was da kommen würde, in Ruhe anschauen, ohne sich selbst zu gefährden.
Wagner zog den Reißverschluss zu und schulterte den Rucksack.
»Was musst du die lieben!«, spottete Johann mit der Kirsche im Mund. »Denk doch mal nach: Wenn die Eltern wissen, wer du bist, ist das allererste, was sie tun, die Polizei anzurufen. Schon allein, weil sie hoffen, dass die Nok dann in Ruhe lässt.«
»Glaube ich nicht. So sind die nicht!«
»Ach ja klar. Weil Nok von ihnen abstammt. Und weil die auch nicht so ist. Kennen wir, die Leier.« Johann stieß seine Gabel hart in die Torte und schob sich ein großes Stück in den Mund. Schokoraspeln regneten auf sein T-Shirt. Hinter ihm bearbeitete ein Amerikaner mit langem Pferdeschwanz den etwas zu fest gebackenen Mürbeteig einer Käsetorte. Das Top North Hotel war so etwas wie eine Absteige für Alt-Hippies, die sehnsuchtsvoll daran zurückdachten, wie sie vor 40 Jahren hoch oben in den Bergen Opium geraucht hatten. Nun saßen sie im zur Straße hin offenen Café, verzehrten Kuchen, wie sie ihn von ihren Großmüttern her kannten, und erzählten sich, was sie sonst noch alles vor 40 Jahren erlebt hatten. Bier zum Kuchen war hier nicht unüblich, und manche hatten sich mittlerweile der thailändischen Sitte angepasst und kippten Eiswürfel ins Glas. Was sie fast alle vereinte, stand ihnen ins Gesicht geschrieben: zu viel Alkohol. Müde Augen, verbrämte Gesichter, bei all der Erfahrung und den Abenteuern. Dagegen sah Wagner recht frisch aus. Er war ja auch das erste Mal in Thailand.
»Also: Thanon Müang Dääng, Soi Sii«, plapperte Wagner die Adresse nach, die Johann ihm bestimmt zehn Mal vorgesagt hatte.
»Genau. Wobei du Sii von oben nach unten betonen musst, sonst versteht dich niemand.«
Später, es war schon dunkel und Wagner hatte gar nicht nachfragen müssen, stand er in der Linkskurve einer schmalen Straße vor einem großen grünen Metalltor. Das musste die Adresse sein, wenn Johanns