Gaias Vermächtnis. Hans-Rudolf Zulliger

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Gaias Vermächtnis - Hans-Rudolf Zulliger

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Wohnort Meilen bei Zürich eine Energiekommission, um der Gemeinde und den Bürgern Entscheidungsgrundlagen für gebäudetechnische Verbesserungen zu bieten. Wir empfahlen verbesserte Isolation der Gebäudehülle, effizientere Heizsysteme, richtiges Lüften der Wohnungen. In jenen Jahren waren diese Vorschläge für viele noch neu und die damit erreichbaren Ersparnisse beträchtlich. In unserem Wohnhaus konnten wir mit bescheidenen Kosten den Ölverbrauch um 30% senken. Heute gibt es im Bauamt Meilen eine Energieberatungsstelle.

      Etwa zur gleichen Zeit wurde ich vom Amt für Konjunkturfragen in die Kommission für Innovation, später bekannt als die Kommission für Technologie und Innovation, die KTI, gewählt. Durch meinen Interessenschwerpunkt in Energiefragen wurde ich 1997–2003 zum Präsident der Commission fédérale pour la recherche énergétique (CORE) berufen. In verschiedenen professionellen Verbänden hatte ich zudem genügend Gelegenheit, meine Nachhaltigkeitsanliegen einzubringen. Als Mitglied der Geschäftsleitung von Mettler und später als Geschäftsleiter und Mitinhaber der Firma Gretag Imaging war mein Einfluss, aber auch meine Verantwortung noch größer. Allmählich reifte mein Verständnis für die Möglichkeiten von konkreten Maßnahmen zu strategischen Zielen, die ich schließlich auch in unserer Firma umsetzen konnte.

      1993 führte ich in unserem Unternehmen Nachhaltigkeitsprozesse ein.5 Gretag Imaging war damals ein führender Hersteller von Geräten und Systemen für fotografische Bildverarbeitung. Unsere sogenannten Minilabors für den Einstunden-Fotoservice waren eines der erfolgreichsten Produkte auf dem Markt. Eines der Hauptmotive für dieses Programm war, die Firmenabläufe effizienter zu gestalten, da der Ertrag der Firma ungenügend war. Zwischen 1993 und 1997 führte die Firma das sogenannte Prozess-Management ein, dessen Ziele in Abb. 7 aufgeführt sind. Die Umsetzung dieser Ziele basierte auf dem Qualitätssystem ISO 9001, in dem alle wichtigen Geschäftsprozesse dokumentiert werden mussten. Zudem war ich davon überzeugt, dass Gewinnziele allein für eine zukunftsträchtige Firma ungenügend seien, und fügte zusätzliche Nachhaltigkeitsziele ein. Insgesamt definierten wir etwa 30 Subprozesse, die in acht Hauptprozesse zusammengefasst wurden:

      1 Produktion und Logistik

      2 Marketing und Produkteentwicklung

      3 Kundendienst

      4 Finanz und Controlling

      5 Personal

      6 Verkauf

      7 Gebäudemanagement

      8 IT und Kommunikation

      Die Managementprozesse sind mit Team-Verantwortlichen entwickelt und betreut worden [→ Anhang 3].

      Hier möchte ich drei Beispiele dieser Subprozesse erwähnen, die eher unerwartete Auswirkungen hatten. Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen kam aus der Speditionsabteilung. Mit ihren sechs Mitarbeitern lautete ihre primäre Aufgabe, den Kunden die fertig fabrizierten Geräte vollständig, termingerecht, effizient und umweltgerecht zu liefern. Eine der Anforderungen hieß, Energie einzusparen. Die Mitarbeiter schlugen vor, wenn möglich Überseelieferungen per Schiff und europäische per Bahn auszuführen. Zusätzlich unterhielt die Abteilung drei Fahrzeuge, um täglich in alle Ecken der Schweiz dringende Ersatzteile zu liefern oder verspätete Produktionsteile von Lieferanten abzuholen. Einer der Mitarbeiter schlug deshalb vor, diese teuren und zeitraubenden Fahrten zu reduzieren, denn es würde genügen, einmal pro Woche in eine geografische Region zu fahren, wenn es gelänge, zusammen mit dem Einkauf, die Liefertreue der Lieferanten zu verbessern. Diese Vorschläge wurden umgesetzt, sie sparten 75% aller Fahrten und zwei Fahrer ein. Glücklicherweise wuchs die Firma in dieser Periode so stark, dass wir viele der »eingesparten« Mitarbeiter anderswo einsetzen konnten, anstatt sie entlassen zu müssen. Zudem boten wir den älteren Mitarbeitern eine attraktive Frühpensionierung an, die häufig angenommen wurde. Diese Maßnahmen resultierten in einer Halbierung des Energieverbrauchs dieser Abteilung und eine Reduktion des Personals um 30%, was etwa 40% der Kosten einsparte. Eine typische Win-win-Situation, wie sie in solchen Prozessen häufig anzutreffen ist.

      Ein weiteres positives Resultat erzielte der Gebäudemanager. Er unterbreitete den Vorschlag, die veraltete Beleuchtung in der Produktion durch neue, zu 30% effizientere Leuchten zu ersetzen. Der Kostenvoranschlag war mit CHF 35 000 eher bescheiden, doch die Finanzabteilung kalkulierte, dass die Investition durch die Stromersparnisse erst nach fünf Jahren amortisiert werden konnte. Da unsere geforderte Amortisationszeit für Investitionen unter drei Jahren liegen musste, wurde der Antrag von der Finanzabteilung abgelehnt. Mein oberstes Ziel war jedoch, die Mitarbeiter für unser Programm zu motivieren, und ich suchte nach Argumenten, diesen Antrag zu retten. Da Gebäude typischerweise eine viel längere Amortisation aufweisen und die Beleuchtung schon 25 Jahre alt war, schlug ich vor, die Leuchten trotzdem zu installieren. Dank meiner Position als Direktionspräsident konnte ich mich durchsetzen, und die neue Beleuchtung wurde installiert. Kaum war diese in Betrieb, baten mich zwei geschätzte Mitarbeiter aus der Produktion um ein Gespräch. Normalerweise endeten diese Anliegen in Beschwerden oder persönlichen Wünschen. Doch wurde ich positiv überrascht, weil sie mir zu meiner Aktion gratulierten: »Endlich hat das Management realisiert, dass wir gutes Licht für unsere Präzisionsarbeit benötigen und dass die Leuchten dort platziert sein müssen, wo wir diese Arbeit verrichten.« Diese zusätzliche Motivation der Mitarbeiter wäre mit Geld kaum möglich gewesen, zumal die Qualität unserer Produkte anstieg. Die daraus folgenden Ersparnisse waren weit mehr als CHF 35 000 wert.

      Auch das dritte Beispiel hat mit Energiesparen zu tun. Der Gebäudemanager hatte zusätzlich den Auftrag, Heizöl und Strom zu sparen. Mit Stolz präsentierte er die erfreuliche Nachricht, dass er den Heizölverbrauch um 30% reduziert hätte. Ich konnte mir dieses Resultat nicht erklären und bat ihn, mir seine Grafik zu erläutern. Dabei bemerkte ich, dass er das Diagramm in der vertikalen Achse, die den Verbrauch von Öl aufzeigte, durch den Umsatz der Firma dividierte und statt des totalen Verbrauchs den pro Umsatzfranken eingetragen hatte. Da der Mehrumsatz jedoch in dem bestehenden Gebäude entstand, machte eine solche Betrachtung keinen Sinn. In absoluten Zahlen hatte er also nichts eingespart. Nun, wenn man seine Mitarbeiter zu kreativem Denken und Handeln motiviert, muss man damit rechnen, dass es einige Übereifrige gibt, die über das Ziel hinausschießen.

      Gesamthaft war das Programm jedoch sowohl ein wirtschaftlicher als auch ein ökologischer Erfolg. Insgesamt verdoppelten wir in diesen vier Jahren den Umsatz ohne merklichen Anstieg der Anzahl der Mitarbeiter. Wichtiger waren jedoch die Innovationen, die der Nachhaltigkeitsgedanke auslöste. Unsere Produkte wurden neben anderen Vorteilen diejenigen mit dem geringsten Ressourcenverbrauch an Wasser, Strom und Chemikalien. Diese Erfahrung bestätigte, dass Mitarbeiter in den Führungsprozess einbezogen werden müssen und dass Nachhaltigkeitsprozesse fast immer auch einen positiven finanziellen Nutzen haben. Wichtiger jedoch war die Tatsache, dass viele Mitarbeiter mit Stolz und Eifer an diesen Prozessen teilnahmen und sich stärker mit der Firma und ihren Zielen identifizierten.

      Aus dieser Erfahrung stellten wir uns die hier aufgeführten Fragen in der folgenden Reihenfolge:

      1 Kann ein Prozess oder ein Produkt eliminiert werden?

      2 Kann ein Prozess durch einen besseren ersetzt werden?

      3 Können schädliche Nebenwirkungen reduziert oder eliminiert werden?

      4 Kann der erzeugte Abfall rezykliert werden?

      5 Kann der nicht rezyklierbare Abfall sicher entsorgt werden?

      Doch weshalb sollten wir überhaupt solche Nachhaltigkeitsmaßnahmen ergreifen? Wie im Vorwort angesprochen, gibt es mindestens zwei Gründe, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen. Erstens sind diese Maßnahmen unentbehrlich, wenn die Menschheit überleben soll. Endliche Ressourcen, kontinuierliches Wachstum der Bevölkerung, die Belastung der Ökosphäre mit Giften und Abfall

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