Zeit für dich - Zeit für mich. Susanna Fassbind

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Zeit für dich - Zeit für mich - Susanna Fassbind rüffer&rub visionär

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Geldund Finanzierungsmodelle benötigen.

      KISS habe ich von Anfang an als großes Gesundheitsprojekt gesehen, als evolutionäres Programm für einen gesellschaftlichen Wertewandel, der Schritt um Schritt mit der Bevölkerung gestaltet werden kann. Eine fixe Vorstellung, was KISS alles beinhalten soll, hatte und habe ich nicht. Ein solch visionäres Konzept kann nur mit empathischen und engagierten Menschen, die KISS Tag für Tag leben, umgesetzt werden.

       Inspirationen, Ressourcen und Potenziale

      Ideen und Visionen entstehen nicht aus dem Nichts: persönliche Erfahrungen, lange reifende Erkenntnisse und – nicht zu unterschätzen – Zeiten der Muße sind Geburtshelferinnen. So erging es auch uns Gründerfrauen von KISS.

      Nicht erst mit den neueren, erhellenden Erkenntnissen der Hirnforschung hinterfrage ich, wo meine Inspirationen für die verschiedensten beruflichen und persönlichen Neuausrichtungen ihren Anfang nahmen. Wie ist es möglich, dass unglaublich viele Ideen zu einem Projekt verschmelzen, mit einiger Überlegung gebündelt zur Tat motivieren und dann die Kraft zum Durchhalten geben? Was mir stets hilft, meine Ideen und Gedanken zu klären, ist ein Blick in die Geschichte (als ehemalige Geschichtsstudentin!) und in meine Herkunft – in meine eigene und die von historischen Persönlichkeiten, in mich faszinierende Mythen des Altertums wie in den Zeitgeist6 einer Epoche. Für mich steckt eine tiefe Wahrheit im Ausspruch: »Zukunft braucht Herkunft.«7

      Allgemeine Überlegungen zu Visionen und Pionierleistungen sind sicher hilfreich. Letztlich entstehen neue Modelle durch ein lebenslanges in sich Hineinhören. Immer tauchen scheinbar kleine Ereignisse auf, die den nötigen Kick und Mut geben und das bisherige Erfahrungswissen stärken. Meine kleinen Kicks finde ich in ein paar wenigen, sehr prägenden Erlebnissen, die mich mein langes und gesundes Leben begleiten und stützen. Meine Quellen lagen in der Jugend in Elternhaus und Schule und sind nun, im reifen Alter, eher bei empirisch-wissenschaftlichen Ansätzen von Soziologen angesiedelt.

      Prägend waren Philosophien aus Altertum und Mittelalter. Auch wenn Berichte erst viel später auf- oder nachgezeichnet wurden, es vielleicht Legenden sind, ist es für mein Empfinden in gewisser Weise eine andere Form von Realität und eine große Inspirationsquelle.

      Wertewandel8 | Gerade für die Umsetzung eines zivilgesellschaftlichen Projekts haben die tiefen Beweggründe der Initianten meiner Meinung nach einen entscheidenden Einfluss: Die Mitwelt spürt bewusst oder unbewusst, ob der betreffende Mensch aus tiefer innerer Überzeugung handelt oder ob das Streben nach Macht und Prestige die Triebfedern sind. Darum ist es mir wichtig, meine Inspirationsquellen und Beweggründe für das Modell KISS zu erforschen und zu teilen.

      Wir leben in einer revolutionären Zeit, in der die großen Veränderungen weniger von den Eliten universitärer Wissenschaft, von globalen Wirtschaftsführern oder von einer vom Wahlzyklus abhängigen Politik kommen, sondern aus der Bevölkerung, aus der »Garage der Eltern«, wo viele die Gesellschaft umwälzende Entdeckungen und Modelle ihren Anfang nahmen und nehmen.

      Ideengeschichte hat mich stets fasziniert: Wie, wann und wo entstehen neue Erkenntnisse? Wann finden Quantensprünge in der Menschheitsgeschichte statt? Was sind die Auslöser? Welche Ideen, Persönlichkeiten und Ereignisse bewegten die Menschheit? Das Geschichtsstudium hat mir in dieser Hinsicht wenig gebracht; es war eher das Verständnis, dass Geschichte für unsere Gegenwart und Zukunft prägend sein kann. Und die Erkenntnis, dass nie etwas aus dem Nichts entsteht, dass auch einzelne Menschen einen geradezu unglaublichen Wandel in Gang setzen können. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass einzig aus kleinen, engagierten Zellen der Gesellschaft größere Wandel initiiert werden und sich dann auf immer mehr solche Zellen ausweiten, die häufig im Verbund die Bewusstseinsänderungen ermöglichen und in Taten umsetzen. Ohne Wertung ein paar Beispiele: Urban Gardening, Transition Towns,9 Social Media, Commons (Wiedergeburt des Allmend-Gedankens) und nicht zuletzt Nachbarschaftshilfe.

      Alltagstauglichkeit | Praxisferne, nicht der Mitwelt dienende Projekte haben mich nie interessiert. Deshalb fasziniert mich auch die Erkenntnis, dass »Citizen Science«10 eine große Bedeutung hat, nicht nur die Wissenschaftlichkeit. Ganz »normale« Bürger haben enormes praktisches Wissen, für den Alltag sehr wertvolles Wissen.

      Praxisnähe und einfache Umsetzungsstrategien wollte und will ich stets in scheinbar kleine Teilbereiche des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens einfließen lassen. Dies aus der Gewissheit heraus, dass »Kleines« große Effekte auf ganz anderen Ebenen haben kann. So löste

      z.B. mein Engagement für verursachergerechte Abfallentsorgung bei vielen Firmen wegen des geänderten Kaufverhaltens der Kunden enorme Anstrengungen bezüglich Verpackungsreduktionen aus.

      Aus der neueren Hirnforschung11 wissen wir, dass Bewusstseinsänderungen und entsprechende Taten nicht einfach aus »neutralen« Forschungsergebnissen gespiesen werden, sondern im Wesentlichen aus persönlichen, tief greifenden Erfahrungen. Das hat mich dazu bewogen, selbst und mit anderen Menschen zusammen Erfahrungen zu einem Thema zu sammeln. Das Feedback von Menschen und Gruppen erachte ich als höchste Hürde und als höchste Auszeichnung. Und dennoch: Entscheidend war immer auch das Abstützen auf wissenschaftlich nachprüfbare Daten, die zu einer Veränderung genügend Anlass geben. Mein Ziel ist, Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen – Ökologie, Ökonomie und Soziales – miteinander zu vernetzen und daraus die Erkenntnisse zur Umsetzung zu erlangen. Die segmentierte Betrachtung nur einer Dimension ist meiner Meinung nach fatal und wirklich nachhaltigen Lösungen hinderlich. In der globalisierten Finanzwirtschaft sind wir alle geprägt vom Denken in wirtschaftlichen Dimensionen. Häufig ist darum der Einstieg in und der Entscheid, sich mit einem Thema zu befassen, finanzgeprägt: Was sind die Kosten, vorher – nachher?

      Zeitgeist | Nicht selten werden neue Ideen zuerst nicht beachtet, dann lächerlich gemacht oder abgelehnt und – bei Erfolg – als eigene Idee ausgegeben. Meiner Erfahrung nach ist das das Beste, was passieren kann. So herrscht in der Aufbauphase die nötige Ruhe und Konzentration auf Inhalt und Formgebung für die Idee; Opposition ist wenig zu erwarten, da Außenstehende häufig den Aufwand scheuen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Steigt der Bekanntheitsgrad, folgt relativ rasch die Ablehnung, aus was für Gründen auch immer. Da hilft es, wenn die »Hausaufgaben« gemacht sind, also die Idee durch fundierte Fakten und Konzepte sowie gesicherte finanzielle Unterstützung glaubwürdig vertreten werden kann.

      Für Pioniere sind diese manchmal sehr herausfordernden Phasen dankbar anzunehmen, weil sie letztlich helfen, die Idee zu einem erfolgreichen Modell reifen zu lassen. Auch wenn der Zeitgeist für soziale Projekte nicht günstig scheint, gilt es für die Entscheidungsträger, stimmige Anreize zu finden. In unserer Zeit der hohen öffentlichen und privaten Verschuldung mit unablässig neu aufgegleisten Sparprogrammen in Wirtschaft und Politik hat der gesuchte Anreiz meist für möglichst viele finanziell interessant zu sein, d.h. Geld zu sparen.

      Meine Motivation für ein Projekt verstärkt sich eher, wenn der Zeitgeist nicht von Anfang an unterstützend ist. Visionen und Pioniergeist leben vermutlich gerade von solchen Herausforderungen. Die Bedeutung des Zwischenmenschlichen und des Miteinanders hat in unserer individualisierten, von Überfluss an materiellen Dingen geprägten Zeit abgenommen. Gleichzeitig sehnen sich aber viele Menschen nach sozialen Kontakten auf Augenhöhe, die sie sich aufgrund hoher Belastungen in Beruf, Familie, Geldverdienen schwer erfüllen können.

      Polaritäten respektieren und verbinden | Im Alter von etwa zwölf Jahren hat mich mein Vater auf meine frühen Leitsterne geschubst. Der erste war Marco Polo (ca. 1254–1324),12 venezianischer Kaufmann und unerschrockener Chinareisender, der in der Nachfolge seines Vaters und Onkels wenig bekannte, weit entfernte Welten bereiste, harte Strapazen erlitt und gleichzeitig lukrative Geschäfte initiierte. Warum übte diese Erfolgsmischung eine solche Faszination auf

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