Liebe auf den zweiten Blick. Doris Lott
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Seit 1980 sind Roberto und sein Bruder Maurizio eine Karlsruher Institution und aus der Gastronomie-Szene nicht mehr wegzudenken. Roberto, der Maître de Service und sein Bruder Maurizio, der Chefkoch.
Roberto Borella ist das geblieben, wofür ihn seine Gäste mögen. Ein Mann, der auch nach Jahrzehnten das liebenswürdige Lächeln und die menschenfreundliche Zuwendung zu seinen Gästen nicht verloren hat. Sein Alter sieht man ihm auch heute noch nicht an. Trotz seiner grauen Haare erinnert er seine alten Karlsruher Stammgäste auch heute noch an den netten italienischen Jungen aus dem kleinen Dorf bei Friaul, der einfach nur mit seinen Gästen ein wenig älter geworden ist.
Wenn Roberto zurückdenkt an die Stationen seines Lebens, vom berühmten „Baur au Lac“ in Zürich über das „Dorchester“ in London und vom Kellner im „Adria“ bis hin zum Besitzer eines eigenen Feinschmecker-Lokals, dann stellt er fest, dass das Leben es gut mit ihm gemeint hat. Als die Brauerei Moninger wegen angeblich zu geringem Bierumsatz seinen Pachtvertrag in der Ritterstraße nicht verlängerte, fand er im O‘Henry ein Restaurant, das zu ihm passte. „Eine gute Fügung war das“, sagt der gläubige Katholik, der an den traditionellen Werten von Familie, Treue und Ehrlichkeit festhält. „Ich lass mich nicht bestechen“, sagt er lachend. „Ich bin zu korrekt. Ob da wohl noch meine Kindheit und Jugend in Italien im Priesterseminar der Marianer eine Rolle spielt?“
An verführerischen Angeboten mit neuen Projekten fehlte es nicht, aber er lehnte ab. Dunkle, unehrenhafte Geschäfte scheut er wie der Teufel das Weihwasser.
„Ich habe Karlsruhe zu meiner Heimat gemacht, nach Italien möchte ich nicht zurück und würde meine Beiertheimer Eigentumswohnung auch niemals gegen das Haus in Italien eintauschen. Manchmal fahre ich nach Hause, um meine Mutter zu besuchen und im Weinberg zu helfen, aber in Karlsruhe habe ich Wurzeln geschlagen.“
Roberto hat nicht zuletzt dank seiner spanischen Ehefrau Antonia und seinen beiden Töchtern Annabella und Susanna, die in Karlsruhe geboren sind und auf der Europäischen Schule ihr Abitur gemacht haben, nie seine Bodenhaftung verloren. So sicher steht er auf seinen beiden Beinen, dass er sein Versprechen, dass er der Madonna gegeben hat, um jeden Preis einlösen wollte. Würde seine Frau von ihrer schweren Krankheit genesen, dann würde er sich auf den Pilgerweg nach Santiago de Compostella begeben.
„Ja, und das habe ich dann auch gemacht. Ganz ohne Wasserblasen und blutige Zehen“, sagt er lachend und erzählt, wie er sich auf seinen achtwöchigen Fußmarsch über die Pyrenäen vorbereitet hat.
„Monatelang habe ich mit zehn Kilo Büchern im Rucksack in der Günter-Klotz-Anlage trainiert. Früh um 8 Uhr bin ich losmarschiert in Richtung Rheinhafenbad, und um 10 Uhr war ich dann bei der Arbeit.“
Eigentlich hatte Roberto die Pilgerreise mit einem Freund der Familie, Peter Baumbusch, dem Rektor der Drais-Realschule geplant. Der überraschende Herztod seines Freundes machte diesen Plan zu nichte. „Ich machte mich trotzdem auf den Weg und fand Pilger, denen ich vorschlug, am Abend in der Herberge für sie zu kochen. Jedem teilte ich dann seine Aufgabe zu. Der Koreaner zum Beispiel musste das Gemüse einkaufen und schnippeln, der Südamerikaner war für Fleisch und Nudeln zuständig, der Franzose für die Getränke.“
Jeden Abend traf sich dann die Gruppe von acht bis zehn Pilgern beim gemeinsamen Kochen, besprach die Ereignisse des Tages und dann saßen alle gemeinsam bei Tisch und verzehrten das köstliche Mahl für zwei Euro pro Person. Anschließend ging die Gruppe geschlossen zum gemeinsamen Gebet in die örtliche Kirche.
Frägt man Roberto nach der Zukunft seiner Wahlheimat Karlsruhe, überlegt er nicht lange. „Eine Stadt muss sich verändern. Wir haben schon viel zu lange gewartet. Meine Vorfahren, die „Brigande“, wie die Karlsruher sie nannten, waren italienische Handwerker. Jetzt machen wir alle gemeinsam weiter. Lieber spät als niemals!“
Hier möchte ich alt werden
Birgit Bücker
Vor allem seit ich in St. Gallen bin, wo vor ein paar Wochen mein neues Engagement begann, liebe ich Karlsruhe so richtig und habe Heimweh. Neuerdings finde ich alles schön in Karlsruhe, sogar die Baustellen, und die Bausünden finde ich „liebenswert“ und ziehe sie der „Märchenlandschaft“ von St. Gallen vor. Heute fiel mir auf, dass sogar der Himmel über Karlsruhe besonders ist und manchmal dem Himmel am Meer gleicht, weil er so schnell wechselt.
Das sagt eine Heimwehkranke, die vom Theater Baden-Baden in die Schweiz an das Theater St. Gallen abgeworben wurde, um beim Neuanfang der Schauspielsparte dort unter neuer Leitung mitzumachen. Und das mit 60 Jahren. Das ist ein kleines Wunder, ein Geschenk des Himmels; wo doch zum Beispiel am Freiburger oder Heidelberger Theater 40-jährige schon die Ältesten im Ensemble sind und möglicherweise Großmütter spielen müssen.
Nie hätte ich es für möglich gehalten, so von Karlsruhe zu schwärmen. Die ersten fünf Jahre lang wollte ich nur weg aus dieser Stadt.
Ich kam aus München vom Bayerischen Staatsschauspiel, dem „Resi“.
„Bilde dir bloß nicht ein, dass du bei uns ein Festengagement bekommst. Das bekommt hier keiner, der nicht jahrelang nur an großen Häusern mit großen Regisseuren gearbeitet hat“, sagte ein Regisseur. Aber die Geschichte strafte ihn Lügen, denn bald danach erhielt ich am Residenztheater ein Angebot für einen zweiten Stückvertrag und damit ein Festengagement! Ich, die Schauspielerin, die aus der Provinz gekommen war, zuletzt aus Castrop-Rauxel! Es war die Rolle der jüngsten Nichte in dem Stück „Der gute Mensch von Sezuan“. Ich beging einen der beiden größten Fehler meines Berufslebens. Ich wollte nicht und sagte ab!
Durch Wolfram Mehring kam ich dann ans Badische Staatstheater, wo er drei griechische Tragödien aufführen wollte. Er bestand darauf, dass er dieses Projekt nur mit mir und einer anderen Kollegin, die auch dazu engagiert werden sollte, realisieren wollte. In den „Troerinnen“ spielte ich jeweils mit Maske die zwei Männerrollen, die Kollegin die begehrten Rollen der Kassandra und der Helena.
Das waren meine Karlsruher Anfänge. Zwölf Jahre war ich hier am Staatstheater fest engagiert. Lange blieb ich fremd in dieser Stadt. Die „Fremdheit“ wurde mir z. B. beim Sprachgebrauch deutlich bewusst, als ich in meiner ersten Wohnung in der Augartenstraße im Nebenzimmer zwei Spezialisten für Ofenrohre miteinander verhandeln hörte: „Do nuff, do niwwer, do nai!“ Und die Frage des anderen: „Do niwwa? Do nuff? Do nai?“ Das war wie eine Fremdsprache für mich, eine Westfälin aus Münster; von denen behauptet wird, dass man erst sechs Scheffel Salz mit ihnen essen muss, bevor man mit ihnen warm wird. Ich glaubte damals nicht, dass ich mich hier jemals zu Hause fühlen würde.
Wie oft hatte ich das Gefühl: Nichts wie weg aus Karlsruhe! Dann wurde ich schwanger und peu à peu lernte ich die „Karlsruher Kinderwelt“ kennen: Krabbelgruppen, den tollen Hebammenverband „Geburt und Leben“ und später, als mein Sohn Fritz älter war, das besondere Figurentheater „Marotte“. Für alles hatten wir Zehnerkarten: Für die „ Marotte“, das Tullabad, eine Jahreskarte für den Stadtgarten und andere Einrichtungen. Ja, mein Verhältnis zu Karlsruhe änderte sich, als mein Sohn hier geboren wurde. Er ist ein „Karlsruher Kind“.
Fritz hatte das Glück, die Montessorischule in der Gartenschule zu besuchen und danach das Bismarck-Gymnasium, wo er in der fünften Klasse in einem seiner ersten Aufsätze die Note „eins“ erhielt, obwohl er 89! Rechtschreibfehler gemacht hatte. Seine Deutschlehrerin lobte trotz der vielen Fehler sein erzählerisches Talent und seine Phantasie. Während ich in dieser Zeit große berufliche