Der Gestrandete. Volker Kaminski

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Der Gestrandete - Volker Kaminski Lindemanns

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von meinem aktuellen ReFuge-Projekt.

      „Das haben wir schon besprochen. Ich suche keine Reportagen und Erlebnisberichte. Ich möchte Stories drucken.“

      „Echte Fakten sind aber wertvoller als erfundene Geschichten.“

      „Das sehe ich anders. Die Fakten zum Tsunami sind ja allgemein bekannt. Schau dir die Zeitungen und das Fernsehen an, in allen Medien gibt es jetzt gerade viele Rückschauen zu diesem Thema. Wir machen etwas anderes.“

      Er zuckte die Achseln. „Mag sein, aber wenn du Fakten liefern würdest, könntest du sicher mehr verkaufen. Interessante Fälle, Tragik, knappes Überleben – die ganze Action eben.“

      „Es geht um Literatur, Ernst, um ein Gefühl permanenter Bedrohung.“

      „Was haben Sie in Bali gemacht?“, fragte Lissi.

      Frank überlegte keine Sekunde.

      „Ich habe dort im Tourismus gearbeitet. Für verschiedene Hotels Touren organisiert.“

      „Sprechen Sie Indonesisch?“

      Er lächelte. „Nein, nur ein paar Brocken. Statt diese schöne Sprache zu lernen, habe ich mich lieber bemüht ein guter Reiseführer zu sein. Meine Kunden waren stets zufrieden mit mir.“

      „Wie beneidenswert! Bali – immer Sonne und exotische Landschaft. Ach, das stelle ich mir wunderschön vor“, sagte Lissi.

      Ich blickte zu Eveline und bemerkte ein verstecktes Grinsen in ihrem Gesicht; ihre Mutter hatte sich bisher stets geweigert längere Flugreisen zu machen und ihre Urlaube außerhalb Europas zu verbringen.

      Doch mehr als über Lissis Aussage wunderte ich mich über Frank. Er wirkte am Tisch keineswegs „minimalistisch“, sondern wie ein glänzender Selbstdarsteller. Sogar Ernsts Anspielung auf fehlende Geldeinnahmen, wie es das Leben eines Animateurs erwarten ließ, konterte er geschickt. „Geld ist nicht alles im Leben. Geld kann mir keine Überzeugung ersetzen. Unter all den Leuten, die ich bei meinem Vagabundenleben getroffen habe, waren es nie die Reichen und Besitzenden, die mir weitergeholfen haben, sondern solche, die sich mühsam zu einer Haltung durchgerungen haben. Menschen, die Bücher lasen und sich mit den Problemen des Lebens beschäftigten. Einschließlich ihrer eigenen Schwächen.“

      Ich merkte, wie Evelines Blick Zustimmung signalisierte, während Johanna nur mühsam ein Gähnen unterdrückte.

      „Mag sein“, sagte Ernst mit hochgezogenen Brauen, „Geld ist nicht alles, das stimmt. Aber es ist praktisch, wenn man es hat. Man kann sich schöne Dinge davon kaufen.“

      „Das bestreitet hier ich glaub ich keiner“, sagte Lissi und schaute wieder zu Frank, als warte sie auf seine Antwort.

      Frank saß unbeweglich da und schaute Ernst mit seinen funkelnden Augen ins Gesicht.

      „Ich kam einmal auf einen Schlag zu sehr viel Geld. Für mich war es eine große Summe, mehr als ich zum Leben brauchte. Aber in dieser Zeit war ich am unglücklichsten, ich war leer und hatte keine Idee, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Das Geld hat mir nicht geholfen. Selbst wenn ich mir schöne Dinge gekauft hätte, was hätte es geändert? Sie werden mir nicht glauben, was schließlich den Umschwung brachte: Es war die Katastrophe. Erst der Tsunami am Strand von Bali hat mir gezeigt, dass ich am Leben bin. Ich hätte ertrinken können, ich hätte am Strand stehen und mir die Muscheln ansehen und dabei von der Riesenwelle erschlagen werden können, wie viele andere Unglückliche, die nicht merkten, was auf sie zukam. Ich habe nur durch Zufall überlebt, und dieser Zufall, diese Laune der Natur, war ein Heilmittel für mich.“

      „Wie schön für Sie“, sagte Ernst mit Brummstimme und blickte zur Seite.

      „Was für eine Dramatik!“, sagte Lissi und blies hörbar Luft aus. „Sie müssen wirklich dankbar gewesen sein. Das kann ich mir gut vorstellen.“

      Frank schenkte ihr ein Lächeln und griff nach seinem Glas.

      Wie abgesprochen taten Eveline und Lissi im selben Augenblick das gleiche. Alle drei nickten einander kurz zu und tranken einträchtig.

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