Das purpurne Tuch. Wolfgang Wiesmann

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Das purpurne Tuch - Wolfgang Wiesmann Kommissarin Fey Amber

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Glauben hingegen ist keine Tugend, sondern ein Geschenk, das jeder auf seine Weise nutzen kann. Schauen Sie also ruhig auf Ihre Kollegen und sehen Sie, wie der Glaube Sie alle auf zeitlose Weise immer wieder neu fasziniert. So machen Sie die Archäologie zu der würdevollen Kunst, das menschliche Erbe zu entschlüsseln. Die Überlieferungen menschlicher Existenz werden uns auch das göttliche Erbe erklären. Nur der Glaube führt letztlich zur Erkenntnis. Vertrauen Sie Ihrem Glauben! Er ist der Weg zu wissenschaftlicher Exzellenz.“

      Schliefken leitete seit Jahren die Ausgrabungen an verschiedenen Stellen entlang der Lippe. Aufmunternde Reden wie diese schüttelte er aus dem Ärmel. In den Augen seiner Studenten investierte er allerdings zu viel Glauben an den Erfolg, mit anderen Worten: Viele konnten seiner Philosophie nichts abringen. Schliefken saß auf seinem Posten als Privatdozent an der Uni Münster und ob die Ausgrabungen erfolgreich verliefen, dafür war er nicht verantwortlich.

      „Wo ist denn Herr Bowereit? Ist er heute nicht erschienen?“ Bowereit schrieb an seiner Doktorarbeit und leitete kommissarisch die Ausgrabungen in Haltern.

      „Er ist draußen, mit Kalle Steinhofen. Die glauben, etwas gefunden zu haben“, antwortete eine Studentin von kleinem Wuchs.

      „Macht uns das nicht alle neugierig? Steinhofen, ist das nicht der ewige Student?“

      „Im elften Semester“, bemerkte dieselbe Studentin abfällig grinsend.

      „Der könnte schon mit seiner Masterarbeit fertig sein. Was für eine Zeitverschwendung. Es hat aufgehört zu nieseln. Wir können wieder raus. Herr Bowereit wird uns briefen.“

      Angelina flüsterte mit ihrem Nebenmann: „Das war genau, was die kleine Schlampe hören wollte. Ich wette, die vögelt den Bowereit, und wenn der Dozent ist, verschafft er ihr einen Posten an der Uni.“

      „Kann es sein, dass du überreizt bist? Lass die doch“, meinte der Student gelassen.

      „Briefen!“, lästerte Angelina. „Das klingt aus Schliefkens Mund völlig bescheuert. Ich hab einfach keine Lust auf Lackaffen.“

      „Hast du deine Tage?“

      „Darf ich das als Antrag verstehen, meine beste Freundin zu werden? Mach dich vom Acker, Axel! Mit deinem platten Arsch kannst du bei mir eh nicht landen.“

      2 Planquadrat 17 A

      Schliefken ging voraus. Die Gruppe der Studenten folgte ihm auf den Fersen, um keine seiner Bemerkungen zu verpassen. Bowereit und Steinhofen standen an einer senkrechten Kante aus beigefarbenem Sandgestein. Bis dahin waren die Ausgrabungen fortgeschritten. Die Kante war etwa dreiviertel Meter hoch und zog sich in gerader Linie 20 Meter durch das mit wildem Gras bewachsene Gelände.

      Die beiden Männer schienen zu diskutieren. Bowereit gestikulierte allerdings in einer Form, die eher nach einem Streit aussah als nach einer sachlichen Argumentation. Als er Schliefken und die Gruppe der Studenten kommen sah, wandte sich Bowereit von Steinhofen ab und begrüßte Schliefken überschwänglich.

      „Erfreulicher Besuch! Wir können eine Aufmunterung gebrauchen. Seit Tagen kein Fisch im Netz, nicht mal eine einzige Tonscherbe. Die Verteilungskurve der Funde zeigt eine signifikante Reduzierung in nordwestlicher Richtung. Ich schlage vor, die südliche Linie zu intensivieren.“

      Eine Studentin mit langen schwarzen Haaren hörte interessiert zu. Angelina war Italienerin und hatte ihr Grundstudium in Pisa absolviert. Sie stand etwas abseits der Gruppe und beobachtete Steinhofen, der sich zu Wort melden wollte, aber von Bowereit mit einer Aufforderung an alle, die Arbeit wieder aufzunehmen, übergangen wurde. Während die anderen Studenten sich an ihre Plätze begaben, blieb Steinhofen stehen und nahm Blickkontakt mit Schliefken auf.

      „Würden Sie sich das mal ansehen, Herr Dr. Schliefken?“, bat Steinhofen und machte ein paar Schritte auf die Kante zu. Angelina trat ebenfalls hinzu, Bowereit folgte als Vierter. Steinhofen kniete sich nieder, nahm eine kurze Messlatte und deutete auf einen rötlichen Streifen im Erdreich.

      „Ich habe bei den anderen Studenten nachgefragt“, betonte Steinhofen. „Die haben eine derartige Einfärbung noch nicht gesehen. Ich halte das für einen Grund, hier weiterzumachen.“

      Schliefken beugte sich herunter, kratzte einige Sandklumpen mit einem kleinen Spachtel ab und fing das Material in einer weißen Plastikschale auf.

      „Es sollte mich wundern, wenn das zu einem Fundstück führt. Roter Sand, welche archäologische Relevanz sollte das haben?“

      Schliefken hatte die Frage nicht wirklich gestellt, sondern nur laut nachgedacht. Steinhofen fühlte sich aber angesprochen, wollte reagieren, doch Bowereit fuhr ihm erneut über den Mund und ergriff das Wort.

      „Geologisch sicher von Interesse, aber nichts für uns.“

      Angelina mischte sich ein und lächelte ihrem Kommilitonen Steinhofen aufmunternd zu.

      „Vielleicht hat Herr Steinhofen eine Idee?“

      Steinhofen bückte sich und umfuhr eine bestimmte Stelle im Sediment des Sandes.

      „Sehen Sie bitte. Hier handelt es sich um einen kleinen Toneinschluss, der die Stelle der Verfärbung des Sandes zentral markiert. Es könnte doch sein, dass der kleine Tonklumpen beim Abtragen von Sedimentschichten aufgebrochen wurde und dadurch der Sand rot eingefärbt wurde.“

      Bowereit tat genervt, aber Schliefken behielt die Situation im Auge.

      „Was genau wollen Sie damit sagen, Herr Steinhofen? Wären wir nicht ohnehin auf diesen Sand gestoßen?“

      „Wären wir, aber nicht so!“ ereiferte sich Steinhofen. Angelina nahm etwas Sand zwischen zwei Fingerspitzen und rieb. Bowereit drängte auf Beendigung der Debatte.

      „Das führt zu nichts, reine geologische Abnormalität. Irrelevant. Kommen Sie, Herr Schliefken, wir sehen uns den Bodenschnitt im Süden des Grabungsfeldes an.“

      „Einen Moment noch“, bat Schliefken. „Lassen wir Herrn Steinhofen doch erklären.“

      Steinhofen holte tief Luft. Seine Hand zitterte wie bei einem Alkoholiker. Offensichtlich war er sich bewusst, dass er es gerade darauf anlegte, sein Verhältnis zu Bowereit stark zu beeinträchtigen.

      „Ich meine, dass der Sand erst kürzlich, also vielleicht erst gestern oder heute, so rot gefärbt wurde, es sich also nicht um eine geologische Abnormalität handelt.“

      Bowereits fachliche Einschätzung der Lage wurde gerade von einem Durchschnittsstudenten massiv torpediert. Er warf Steinhofen einen abmahnenden Blick zu und wandte sich an Schliefken.

      „Ich glaube, wir sind uns einig, hier nur wertvolle Zeit zu vergeuden. Wenn Sie mir bitte folgen. Ich möchte Ihnen unsere letzte Fundstelle dort drüben zeigen.“

      Schliefken warf einen kritischen Blick auf die rötliche Verfärbung im Sediment, schüttelte dann aber ablehnend den Kopf.

      „Meines Erachtens sollten wir auf dem Teppich bleiben. Steinhofen, Sie haben aufmerksam hingeschaut, aber ich glaube nicht, dass Ihre Erklärung ausreicht, um ein ganzes Team von jungen Forschern in diese Richtung zu leiten. Wir schließen hier ab und machen im Süden weiter.“

      Schliefken verzichtete auf eine Besichtigung

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