Das purpurne Tuch. Wolfgang Wiesmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das purpurne Tuch - Wolfgang Wiesmann страница 10

Das purpurne Tuch - Wolfgang Wiesmann Kommissarin Fey Amber

Скачать книгу

Jahr beginnen sollte.

      Durchnässt landeten die Reisenden an den Schiffshäusern unterhalb des Feldlagers. Aurelius verabschiedete sich von Siobhan. Er hatte all seine Überredungskünste und Schmeicheleien in die Waagschale geworfen, um Siobhan von seiner Gunst zu überzeugen, aber sie hatte nie einen Zweifel an ihrem Schwur empfunden.

      Carmelita hatte mit allen anderen Männern an Bord versucht anzubandeln, aber sie musste wohl doch erst ein Bad im salzigen Wasser nehmen und die feurige Sonne bitten, ihre eitrigen Pusteln zu trocknen. Unsicher, wie es weitergehen sollte, sprach sie Siobhan an.

      „Zu zweit sind wir besser dran. Ich hörte den Steuermann sagen, dass wir erst in drei Tagen weiterfahren und sonst kein Schiff ausläuft. Die Handelsleute sind schon früher von Bord gegangen, weil das Gebiet um Haltern gefährlich sei. Es könnte durchaus zu Angriffen germanischer Stämme kommen. Das Lager ist nach der Niederlage geschwächt und die Stimmung gespannt. Sollten wir nicht besser gemeinsam diese drei Tage überstehen?“

      Siobhan hatte die Zeit mit Aurelius genossen und war nun sehr entspannt. Natürlich hatte Carmelita recht. Sie brauchten einen geschützten Unterschlupf, nicht zuletzt wegen ihrer beiden Schätze. Vom Purpur war nur noch wenig übrig und es lag noch ein langer beschwerlicher Weg vor ihnen. Siobhans Ziel war Rom und Carmelita wollte an das Meer hinter den großen Bergen von Bavaria und Austria.

      Warum sich länger streiten? Im Grunde war nichts passiert. Carmelita hatte ihre Lektion gelernt und gemeinsam würden sie die Wartezeit schon schaffen.

      „Lass uns zu Aurelius gehen“, schlug Siobhan vor. „Er soll uns ein Quartier im Lager besorgen, eins, das nicht bei den Baracken der Soldaten liegt, eins an der Via Principalis, wo es die Männer nicht wagen, uns am Tage zu behelligen. Und nachts schlafen wir bei den anderen Frauen.“

      Aller Streit schien vergessen und so stiegen die beiden Frauen den schlammigen Weg hoch zum Lager und erhielten dort sofort Einlass, wohl auch wegen ihrer purpurnen Gewänder.

      XII Wolkenbruch

      Die Temperatur stieg am nächsten Tag stark an, sodass sie leicht bekleidet das Quartier verlassen konnten. Allerdings regnete es unaufhörlich seit ihrer Ankunft, was nur kurze Gänge von Haus zu Haus erlaubte. Ihre Essensvorräte waren aufgebraucht und so boten sie an, Kleider zu färben. Die Nachfrage war groß, aber der Lohn war zu dürftig, um den wertvollen Farbstoff zu verwenden. Niemand hatte Geld oder Waren, die für die lange Reise von Nutzen sein konnten. Sie lehnten oft die Nachfragen ab, was zu Unmut unter den Lagerbewohnern führte. Hinzu kam, dass auch Siobhan und Carmelita oft uneins waren über den Einsatz des Farbstoffs, sodass auch zwischen ihnen der alte Zwist wieder zu gären begann.

      Siobhan teilte den restlichen Farbstoff in drei gleiche Häufchen und ummantelte sie mit weichem Ton. So war das Pulver geschützt und sie konnte sicher sein, dass Carmelita nicht heimlich etwas abzweigte.

      In der dritten Nacht überschlugen sich die Ereignisse. Ihre Lagerstätte befand sich in der Nähe des Haupttores, das zur Lippe wies. Bis dorthin waren in den frühen Morgenstunden germanische Krieger vorgedrungen. Der Himmel über dem Feldlager glich einem Meer von schwarz-blauen Wolken, aus denen es immer wieder wie aus Eimern goss. Im Lager selbst hatten sich Sturzbäche gebildet und die Häuser und Befestigungsanlagen unter Wasser gesetzt. Die Germanen warteten bei jedem Vorstoß auf einen neuen Wolkenbruch, der ihnen Sichtschutz bot, wodurch sie sich unbemerkt nähern konnten. Die Wachen der Römer hatten sich in sichere Nischen und Unterstände verdrückt, sodass sie ihre Aufsicht vernachlässigten. Dann plötzlich begann der Angriff. Auf den Palisaden wurden Wachen von germanischen Bogenschützen erschossen. Es folgte ein Sturmangriff auf das Haupttor. Im Lager wurde Alarm geschlagen, aber der Regen hatte alle Wege aufgeweicht, weshalb die römischen Soldaten Mühe hatten, kurzfristig eine Abwehr aufzustellen. Die Germanen hatten den Spitzgraben überwunden und erklommen mit Leitern einen Wehrabschnitt. Es gelang ihnen, die wenigen Wachen zu erschlagen und das Tor zu öffnen. Grölende germanische Krieger stürmten ins Innere des Feldlagers. Vom triumphalen Siegeszug des Arminius beflügelt, glaubten sie, die geschwächten und demoralisierten Römer vernichten zu können. Sie metzelten nieder, was sich ihnen in den Weg stellte.

      Siobhan sah die blutrünstigen Männer näher kommen. Bliebe sie im Haus, wäre sie des Todes. Es war auch zu spät, sich hinter die Linie der römischen Soldaten zu schlagen, da die Germanen bereits ihren Straßenzug erobert hatten. Es blieb ihr keine andere Wahl als zu fliehen und zwar aus dem Tor heraus zum Hafen, wo vielleicht einige Römer ein Schiff zur Flucht klarmachten. Sie verstaute die beiden Bleiklumpen in ihren Gewändern und die drei Tonkugeln in ihrem ledernen Säckchen und rannte hinaus auf das Tor zu.

      In kürzester Zeit war sie durchnässt, Schlamm klebte an ihren Kleidern. Knöcheltief sank sie bei jedem Schritt ein. Sie fiel hin und raffte sich wieder auf. Da sah sie, dass ein germanischer Reiter auf sie zustürmte. Er packte sie bei den Haaren, schleppe sie hinter sich her und warf sie zu Boden. Sie mühte sich auf und rannte aus dem Tor, doch der Reiter griff ihren Arm und schleuderte sie in den Schlamm. Als sie sich die Augen wischte, schaute sie der feurige Germane an, band ihr ein Strick ums Handgelenk und durchsuchte ihre Kleider. Er fand die Bleistücke und die Tonkugeln, konnte aber nichts damit anfangen und warf sie achtlos auf den schlammigen Boden, wo sie versanken. Siobhans Gesicht war vor lauter Schmutz nicht zu erkennen. Schlamm triefte zäh von ihrer Haut. Der Germane übergab sie einem anderen Krieger, schickte ihn mit ihr fort und kehrte zum Kriegsschauplatz zurück.

      Mittlerweile hatten die Römer allerdings zurückgeschlagen und Boden gutgemacht. Sie hatten aus der Varusschlacht gelernt und reagierten flexibel, stellten sich dem Zweikampf, wo er sich bot. Die Germanen hatten ihre Feinde unterschätzt, denn die Römer kämpften verbissen und schlagkräftig. Sie wollten Rache nehmen für die vielen gefallenen Freunde in der Varusschlacht. Die Überzahl der Römer entschied das Gefecht. Die Germanen wurden zurückgetrieben. Einige konnten fliehen, so auch der Reiter, der

       Siobhan geraubt hatte. Andere wurden niedergemacht und ihre Leichen vor das Tor des Lagers geschleppt. Am nächsten Morgen wurden die Leichen vergraben und einige in einen Tonofen geworfen, der nicht mehr gebraucht wurde. Alle Zeichen standen auf Abzug und das Römerlager würde seine Bedeutung verlieren.

      Carmelita hatte den Angriff der Germanen nicht überlebt. Siobhan wurde zunächst als Sklavin gehalten. Doch als sie glaubhaft machen konnte, dass sie keine Römerin war, nahm der germanische Krieger sie zur Frau. Drei Jahre vergingen und da Siobhan ihrem Mann in dieser Zeit keine Kinder geschenkt hatte, bekam sie von ihm die Freiheit zurück. Sie schaffte es bis Rom, wo sie beim gealterten Augustus eine Audienz erhielt. Der Kaiser war fasziniert von ihren Erlebnissen und als Anerkennung für ihren mutigen Lebenskampf gab er ihr ein Amt als Kartografin. Im Porticus Vipsania in Rom hing eine monumentale Wandkarte, die die Ausmaße des römischen Imperiums darstellte. Siobhans Aufgabe bestand darin, diese Karte immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Fortan reiste sie viel und begegnete im Laufe der Jahre bedeutenden Persönlichkeiten. Sie lernte Sprachen und beherrschte ihr Handwerk wie kein anderer. Auf einer ihrer Reisen sollte sie einem Mann begegnen, der Kafur würdig war. Wegen ihm kehrte sie zurück nach Haltern, nicht ohne Spuren zu hinterlassen.

      1 Grabungsstätte Römerlager Haltern

      Dr. Hartmut Schliefken munterte die frustrierten Studenten auf, die seit Tagen im Sandbett der Ausgrabungsstätte hockten und keinen nennenswerten Fund getätigt hatten. Nun standen sie alle im Zelt, das als soziale Begegnungsstätte und Auffanglager für Fundstücke diente, und hofften, dass Schliefken sie nicht auch noch in den Pausen zum Gähnen veranlasste. Wenigstens gab es eine heiße Tasse Tee, an der man sich die Finger wärmen konnte. Schliefken nahm selbst einen Schluck als Zeichen seines solidarischen Teamgeistes.

      „Die

Скачать книгу