Das purpurne Tuch. Wolfgang Wiesmann

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Das purpurne Tuch - Wolfgang Wiesmann Kommissarin Fey Amber

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schöpfte Vertrauen.

      „Wie heißt du?“

      „Carmelita. Und du?“

      „Ich stamme aus Iberien, dorther, wo die Sonne so heiß wie das Feuer ist. Nenn mich Siobhan, so wie mein Geliebter es wollte.“

      „Dann hast du einen Mann? Erzähl mir von ihm. Willst du Kinder haben? Sag mir, wie er ist, wenn es dunkel wird und ihr euch auf die Felle bettet.“

      Siobhan spürte Tränen in ihre Augen schießen, beherrschte sich aber, denn sie musste Carmelita dazu bringen, ihr zu helfen. Spätestens in der Nacht würde sie einen bitteren Kältetod sterben.

      „Ich will es dir gerne sagen, doch zuvor brauche ich Kleider, sonst erfriere ich.“

      Was sie da sagte, war eine Aufforderung an Carmelita, mit ihr die Kleider zu teilen, die sie am Leibe trug. Sich die verklumpten Lumpen überzuziehen, würde sie alle Kraft der Überwindung kosten. Und dennoch blieb ihr nichts anderes übrig.

      Carmelita hatte mehrere Lagen Kleider über sich geworfen, wurde es im Winter doch frostig kalt und der Weg ans salzige Wasser konnte weit sein. Sie warf Siobhan ihren äußeren Umhang und einen kurzen Strick zum Binden zu.

      „Nimm! Das hält dich fürs Erste warm. Und nun erzähl mir von ihm.“

      Siobhan band das Gewand eng um ihren Körper und knüpfte das Säckchen mit dem Purpur an den Strick. Dann machten sich beide auf den Weg und Siobhan erzählte.

      „Ich liege am Feuer unter den Fellen und mache mich warm. Wenn er dann kommt, schlägt mein Herz wie verrückt. Er steht neben mir und streift sich die Gewänder vom Körper, bis er ganz entblößt ist. Ich bewundere seine Formen, seinen Hintern und seine muskulösen Arme, die langsam unter dem Fell meine Brüste umfahren. Seine Hände gleiten über mich und ich beginne mich zu bewegen, schiebe mein Becken gegen sein Glied, von dem ich weiß, wie sehr es nach mir verlangt. Dann küssen wir uns und dabei spüre ich, wie er langsam in mich ...“

      „Weiter! Ich will alles hören“, protestierte Carmelita heftig. „Sag mir, wie es sich anfühlt!“

      „Ein anderes Mal. Versprochen. Ich habe eine Idee, von der ich dir jetzt lieber erzählen möchte.“

      „Du wirst tun, was ich dir sage!“, keifte Carmelita und stieß sie von ihrer Seite.

      Siobhan sah sich an die vielen Schaukämpfe erinnert, die sie als Junge unter Jungen ausgestanden hatte und reagierte gelassen, konterte aber trotzdem.

      „Selbst wenn deine Haut einem Pfirsich glich, einen Mann bekämest du trotzdem nicht. Du bist borstig wie ein Eber. Kein grobschlächtiger Sklave geht mit einem Wildschein ins Bett, geschweige denn ein kultivierter Römer.“

      Carmelita reagierte schroff.

      „Du bist schön, aber das gibt dir nicht das Recht, mich zu demütigen.“

      Siobhan lachte.

      „So gefällst du mir schon besser. Willst du meine Idee hören?“

      Carmelita ging ohne eine Antwort weiter.

      „Also gut. Ich erzähl sie dir jetzt. Bei nächster Gelegenheit färben wir unsere Kleider purpur. Dann werden uns die Leute bestaunen und wir dürfen mit auf einem Wagen sitzen und gelangen schnell an einen Hafen.“

      „Du bist ein törichtes Mädchen. Stehlen wird man uns die Kleider und wir landen im Wald, als Fraß für die Wölfe. Ohne mich. Wir gehen besser getrennte Wege.“

      Siobhan beendete das Thema und hielt Carmelita mit Männergeschichten bei Laune.

      VIII Das Ticket

      Nachdem sie die Nacht eng umschlungen auf einem Lager aus trockenem Laub verbracht hatten und sich mit Schreiattacken erfolgreich gegen umherstreunende Wölfe gewehrt hatten, erreichten sie mit knurrenden Mägen ein Dorf. Bellende Hunde empfingen sie, dann schritten einige Männer in ledernen Stiefeln und mit Fellen um die Schultern und Lenden auf sie zu. Die Männer blieben nicht einfach stehen, sondern umkreisten die Besucher. Frauen, die allein auf Wanderschaft waren, sah man sich gerne näher an. Die Männer drängten sich um Siobhan, rochen an ihr und strichen durch ihr Haar. Eine zweite Frau, so mochten sie erwogen haben, wäre noch durchzufüttern und der Lohn dafür stand außer Frage. Ob aus Neid über das rege Interesse an Siobhan oder aus Männerkenntnis, Carmelita nahm ihren Stock und bahnte sich einen Weg, dicht gefolgt von Siobhan. Carmelita wusste, dass sie in der Nähe der heimischen Frauen am sichersten waren und so betraten sie eine der aus Lehm und Strauchwerk gebauten Hütten.

      In der Mitte glimmte Asche in einer Feuerstelle. Eine alte und eine junge Frau saßen auf dem Boden. Die alte Frau schnitt trockenes Fleisch mit einem scharfen Stein in Streifen. Die junge Frau kaute auf einem Stück geschorenem Fell, um das Leder weich zu machen. Die Besucher erregten hier weniger Aufmerksamkeit als bei den Männern. Die Frauen warteten geduldig. Carmelita erklärte Siobhan die Situation.

      „Die wollen, dass wir ihnen etwas zum Tausch anbieten. Hast du was?“

      „Und du? Hast du was?“, entgegnete Siobhan in der Hoffnung, nicht genötigt zu werden, ihre einzigen Schätze zu opfern. Fest stand, dass sie bald etwas essen mussten, sonst würden ihre Kräfte nachlassen. Die umherstehenden Kinder bedrängten Siobhan, den Lederbeutel zu öffnen. Sie zogen daran und tippten mit den Händen darauf. Auch die beiden Frauen warfen ihr auffordernde Blicke zu. Sie fügte sich besser, denn die Männer könnten mit Gewalt den Wünschen der Frauen nachhelfen. Siobhan sah ihre Chance und bat Carmelita zu übersetzen.

      „Seht her! Ich zeige euch die schönste aller Farben.“

      Sie öffnete ihr Gewand und zeigte die purpurnen Verfärbungen auf ihrem Hemd. Sofort erhob sich die junge Frau und befühlte den Stoff. Das Purpur strahlte im Kontrast zum Weiß des restlichen Hemdes sehr kräftig. Die Frau sprach aufgeregt, sodass Siobhan ihre Zahnstummel sehen konnte. Das Beißen auf dem Leder hatte über die Jahre ihre Zähne um die Hälfte verkürzt. Immer wieder zupfte sie an dem Hemd. Siobhan zog es aus und reichte es ihr. Sogleich warf die Frau das Tuch über ihre Schultern. Die alte Frau trat hinzu und verlangte auch nach einem purpurnen Gewand.

      „Bringt mir eure Kleider!“, ließ sie Carmelita übersetzen. Beide Frauen sahen sich fragend an, doch Carmelita half nach und so brachten die Frauen Felle und Stoffe, die sie aus früheren Tauschgeschäften ergattert hatten. Es wurde ein langer Tag. Auch von den anderen Hütten strömten Frauen hinzu. Sie brachten ihre Männer mit, sodass bald das ganze Dorf versammelt war. Niemand konnte sich erklären, was Siobhan vorhatte.

      Am späten Abend war die Aktion vorbei und das Dorf befand sich in heller Aufregung. In einem hohlen Stein hatte Siobhan den Farbstoff angerührt. Die Begeisterung über die ersten Färbungen erzeugte eine wahre Euphorie. Alle brachten etwas zum Färben und als Gegenleistung etwas zu Essen, was Carmelita sofort unter ihren zerfetzten Kleidern verschwinden ließ.

      Am nächsten Morgen gab es eine Überraschung. Die Bewohner des Dorfes traten stolz vor ihre Hütten, Männer, Frauen und Kinder. Alle trugen ein purpurnes Kleidungsstück, und wenn es bloß die Federn ihres Kopfschmucks waren. Sie bewunderten sich gegenseitig. Carmelita hatte die Nacht hindurch gegrunzt und geschnarcht, aber war die Erste am Morgen, die fertig für die Abreise war. Verschnürt unter ihren Lumpen steckte getrockneter Fisch und Schwarte vom Wildschwein.

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