Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker
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Gorian wurde rot im Gesicht und musste unwillkürlich schlucken.
Nhorich reichte ihm den Dolch. „Der ist für dich“, erklärte er. „Ich werde dir zeigen, wie man damit umgeht. Die Alte Kraft ist sehr stark in dir – und es wird Zeit, bei dir mit dem speziellen Teil der Ausbildung zu beginnen, auch wenn man auf der Ordensburg noch nie jemanden in deinem Alter angenommen hat und ein paar einflussreiche Köpfe dort der Meinung sind, dass selbst sechzehn Sommer noch nicht mal annähernd ein passendes Alter wären, um die Künste der Ordensmeister zu erlernen.“
Kapitel 2: Schatten
In den nächsten Monaten war Gorian bemüht, die Kunst zu erlernen, den Dolch zu schleudern, wie sein Vater es vermochte. Die Flugbahn mit Hilfe seines Willens zu beeinflussen gelang ihm zwar, aber eine wachsende Unzufriedenheit kam in dem Jungen auf, denn er spürte, wie weit er davon entfernt war, die Alte Kraft wirklich zu beherrschen.
„Du hast die Begabung, Gorian. Und wenn du auch den Willen aufbringst, dann wirst du es schaffen, die Alte Kraft zu beherrschen“, sagte Nhorich, als sie sich auf einer Wiese unweit des Hofes befanden, um zu üben. Ein alter Baumstumpf diente Gorian als Ziel. Hier draußen gefährdete er allenfalls sich selbst, aber keinen der Hofknechte oder eines der Tiere.
„Die Priester sagen, dass Magie ein göttliches Geschenk ist, das man erhält oder eben nicht, ohne dass man etwas dazu beitragen kann“, sagte Gorian.
Nhorich lachte. „Ich sehe, du bist wirklich entschieden zu häufig in der Priesterschule in Twixlum!“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Gorian, in diesem Punkt sind die Ansichten des Ordens und der Priesterschaft völlig unterschiedlich. Nach Ansicht des Ordens ist Magie keine göttliche Gabe, sondern eine Fähigkeit des Einzelnen, die ausgebildet und entfaltet werden muss und zu der man ein Talent braucht. Dieses Talent hast du – und alles andere hängt von dir selbst ab, von niemandem sonst.“
„Wenn ich sechzehn bin und die Sucher des Ordens über Land ziehen, um Novizen zu finden - wirst du dann zulassen, dass ich auf der Ordensburg ausgebildet werde?“
Nhorich schwieg zunächst. „Bis dahin ist es noch lange hin“, sagte er dann.
„Und wenn dieser Tag heute wäre?“, forderte Gorian eine klare Antwort.
Nhorich zögerte. „Du weißt, dass ich im Streit aus dem Orden geschieden und meinen Rang als Schwertmeister niedergelegt habe. Sieh zum Himmel. Der Schattenbringer schiebt sich von Jahr zu Jahr mehr vor die Sonne. Seit mehreren Generationen geht das so, und in jedem Jahr werden unsere Ernten schlechter, das Wetter kälter und unberechenbarer, und oben im Norden sitzt Morygor, der Herr der Frostfeste, in seinem kalten Palast und sorgt mit seiner abartigen, gegen jedes Leben gerichteten Magie dafür, dass sich sein kaltes Reich stetig weiter ausbreitet. Er hat die Eisgötter durch das Weltentor zurück in unsere Welt geholt und sie zu seinen Dienern gemacht. Seine schaurigen Horden von Schreckenskriegern dehnen das Reich ihres Herrn immer weiter aus. Schon vor Jahren wurden fast ganz Torheim und die nördlichen Teile von Orxanien erobert. Die wenigen Flüchtlinge, die es bis in den Süden schafften, berichteten von furchtbaren Dingen, die dort geschehen sind. Jeder weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieses Reich der kalten Magie eines untoten Magiers auch das Heilige Reich heimsuchen wird – aber glaubst du, man hätte versucht, irgendwelche Vorkehrungen zu treffen? Die Aufgabe des Ordens ist es, das Reich zu schützen. Stattdessen spinnen seine Oberen Intrigen und kauften die Stimmen von Herzögen, damit mit Corach IV. nun schon zum vierten Mal ein Herzog aus dem Geschlecht der Laramonteser auf den Kaiserthron gelangen kann. Und sie geben dem Kaiser Kredit, nur weil der Bischof von Atrantia und seine Priesterschaft des Verborgenen Gottes dies auch tun und man ansonsten befürchtet, nicht genügend politischen Einfluss zu behalten.“ Nhorich machte eine wegwerfende Geste. „Doch niemand macht sich Gedanken über die Gefahr, die auf uns alle zukommt und der wir nichts entgegenzusetzen haben.“
„Aber was ist mit der Magie der Ordensmeister?“
„Sie wird nicht ausreichen, um der Ausbreitung des Frostreichs Einhalt zu gebieten. Der Herr der Frostfeste kann offenbar selbst die Gestirne bewegen, so mächtig ist er schon. Die alte Sternenmagie der Caladran, von der kaum jemand geglaubt hat, dass mehr dahintersteckt als eine Sage, ist von Morygor, wie es scheint, wiederentdeckt worden – oder er hat neben den Frostgöttern noch sehr viel mächtigere Helfer durch das Weltentor geholt.“
Nhorich streckte die Hand aus. Der Dolch mit den magischen Zeichen steckte in einer Lederscheide an Gorians Gürtel. Die Klinge zuckte daraus hervor und landete in Nhorichs Rechter.
Er hielt seinem Sohn den Dolch in Augenhöhe hin. „Es sind nicht nur die Zeichen der Alten Kraft, die diesen Dolch zu etwas Besonderem machen, sondern auch das Metall. Als das glühende Bruchstück in der Nacht deiner Geburt vom Himmel fiel, schmiedete ich daraus zwei Schwerter ...“
„Schattenstich und Sternenklinge“, murmelte Gorian. Er kannte die Geschichte, aber er hatte diese Schwerter noch nie zu Gesicht bekommen. Es seien Waffen für besondere Schlachten, hatte sein Vater ihm gesagt. Waffen, die nicht nur Furcht bei Feinden zu wecken vermochten, sondern auch das Begehren, sie zu besitzen. Und in den falschen Händen seien sie eine Gefahr. Also bewahrte Nhorich sie an einem Ort auf, den er nie jemandem verraten hatte.
„Der Dolch besteht aus den Resten dieses besonderen Metalls. Es enthält die dunkle Kraft des Schattenbringers, und ich musste erst den Großteil davon austreiben. Nur so viel durfte zurückbleiben, dass ein Mensch sie zu beherrschen vermag und nicht ihr Sklave wird. Und bei dem Dolch ist die enthaltene Kraft noch weitaus geringer als bei den Schwertern, denn ich habe die Legierung anders gemischt. Aber es ist für dich eine gute Möglichkeit, dich zu üben. Denn wenn du den Dolch beherrschst, wirst du eines Tages auch stark genug sein, um Sternenklinge oder Schattenstich