Smart Tourism – Share Economy im Tourismus. Martin Linne

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Smart Tourism – Share Economy im Tourismus - Martin Linne

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wird heute (beinahe) alles mit jedermann. Denn das Internet löst das uralte Problem, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen auf die denkbar effizienteste Weise. Im Netz finden sich korrespondierende Interessen quasi auf Knopfdruck, und mit der Weiterentwicklung zum Social Web sowie der Hilfe weiterer Technologien geschieht dies situativ und passgenau: Das Zusammenspiel aus GPS und sozialen Netzwerken beispielsweise macht es kinderleicht, Kontakt zwischen Menschen aus derselben Umgebung herzustellen, die etwa eine Mitfahrgelegenheit suchen bzw. anzubieten haben. Natürlich war dies auch in Zeiten Schwarzer Bretter möglich, aber aufgrund der geringeren Reichweite mit kleineren Erfolgsaussichten und zudem weniger bequem, reibungsfrei und schnell. Technologie bewirkt zudem, dass die Nutzung von Dingen näher an die Vorteile des Eigentums heranrückt. Das „geteilte Auto“ ist keineswegs eine neue Idee, gibt es doch Mietwagenfirmen beinahe ebenso lange wie das Auto selbst. Jedoch ist Car Sharing um ein Vielfaches flexibler und bietet dem Nutzer eine stärker individualisierte Lösung, weil der nächstgelegene Wagen geortet und mittels Chipkarte geöffnet werden kann. Nach Gebrauch wird er stehen gelassen, wo immer man möchte und abgerechnet wird minutengenau. Darüber hinaus schafft die Technik den Intermediär ab: „Echtes“ Teilen wird möglich, von Privatperson zu Privatperson. Über Internetplattformen werden Eigentümer, die ihr Hab und Gut für den gemeinschaftlichen Konsum zur Verfügung stellen möchten, mit Nutzern zusammengebracht. Das Mietwagenunternehmen wird obsolet. Das Internet hilft also jenen Effekt zu beseitigen, den Ökonomen als „double coincidence of wants“1 bezeichnen: Das Dilemma von Tauschgeschäften besteht immer darin, dass übereinstimmende Bedürfnisse, Wünsche oder sonstige Ereignisse, die dann Auslöser der Transaktion sind, kaum jemals zur selben Zeit und am selben Ort auftauchen; vielmehr muss ein „doppelter Zufall“ eintreten, der darin besteht, dass der Anbieter von Produkt bzw. Leistung A Interesse an Produkt bzw. Leistung B hat und umgekehrt. Oder bildhaft gesagt: „[N]ur wenn ein hungriger Schneider einen unbekleideten Bauern trifft, der über Nahrungsmittel verfügt und sich Hosen wünscht, können beide einen Handel abschließen.“2 Weil das Internet ein riesiger Marktplatz ist, auf dem Milliarden von Bedürfnissen zusammenkommen, ist damit zu rechnen, dass sich der zweifache Zufall tatsächlich ereignet – zumindest mit ungleich größerer Wahrscheinlichkeit als dies auf lokalen Märkten der Fall wäre. Technologie unterstützt den Marktmechanismus, die richtigen Dinge zur rechten Zeit am richtigen Ort verfügbar zu machen.

      Zum einen ist die Technologie – vor allem das Internet – der große „Ermöglicher“ der Share Economy. Zum anderen tragen die technologische Entwicklung und die dadurch vorangetriebene Vernetzung der Menschen aber gleichzeitig zu einem Wandel von Einstellungen gegenüber Konsum, Besitz und Eigentum bei. Es sind vor allem diese neuen Einstellungen und das resultierende, veränderte Konsumverhalten, wodurch sich Sharing vom Nischen- zum Massenphänomen entwickelt.

       Wandel des Internets

      Schon lange ist das Internet kein „Lesemedium“ mehr, das Mitmachen steht im Vordergrund. Die Nutzung von Wikis, Blogs und sozialen Netzwerken führt zu einer neuen Kultur des Informationsaustausches. Weil die sozialen Medien neue Formen der Interaktion und Vernetzung ermöglichen, lassen sich Menschen immer weniger einfach „berieseln“, sondern greifen aktiv in Informationsprozesse ein und gestalten diese mit. Dabei bleibt unser Leben inmitten einer Flut von peer-to-peer Netzwerken und Echtzeit-Technologien nicht ohne Auswirkungen auf unser Sozialverhalten. Insbesondere die junge Generation, die mit dem digitalen Reich aufgewachsen ist und die Suche im Netz wie ihre Muttersprache beherrscht, ganz selbstverständlich chattet, twittert, bloggt und postet, unterscheidet kaum noch zwischen virtueller und realer Welt. Denn das Internet ist seinen Ureinwohnern weit mehr als Kommunikationsmittel, es ist Kulturraum und gelebte Realität. Ging es im alten Web 1.0 um den Zugang zu Information, so dreht sich im Web 2.0 alles um den Austausch – und zwar nicht nur von Information, sondern ebenso von Musik, Software, Videos, Unterhaltung. Daher überrascht es nicht, dass virtuelles Teilen und Tauschen immer selbstverständlicher wird und sich mit den verschwimmenden Grenzen zwischen on- und offline auch auf die reale Welt ausdehnt. Die im Netz gelebten Verhaltensweisen setzen sich im echten Leben fort, weswegen immer öfter reale Dinge mit einem größeren Personenkreis geteilt werden als dies bisher üblich war.

       Der vernetzte Konsument

      Durch die Vernetzung kommt es zu einer Neudefinition dessen, was Freundschaft und Familie und das Eingebundensein in Gemeinschaften bedeuten. Dies erstreckt sich auch auf neue Formen der Gemeinschaft: Denn das soziale Leben spielt sich mehr und mehr auch im Internet ab. Soziale Netzwerke sind der erweiterte Lebensraum. Die Werkzeuge der digitalen Welt konfigurieren das Verhältnis zwischen „Ich“ und „Wir“ neu. Seit Anbeginn stand das Internet in dem Ruf, zur Vereinzelung und Isolierung von Menschen beizutragen sowie der „Bowling Alone“-These des US-amerikanischen Soziologen Robert D. Putnam1 in die Hände zu spielen, indem es traditionelle Gemeinschaften aushöhle. Doch davon kann keine Rede sein: Die modernen Vernetzungstechnologien führen lediglich dazu, dass Menschen die Art und Weise ändern, wie sie miteinander interagieren. Die Vernetzung wird von Rainie und Wellman2 gar als neues Betriebssystem der Gesellschaft gesehen: Mit dem „vernetzten Individualismus“ („networked individualism“)3 bilde sich eine Lebensform heraus, die den Menschen aus seinen traditionellen sozialen Gruppen herauslöst. Heute haben Individuen ein größeres Maß an Freiheit gegenüber den verschiedenen sozialen Strukturen, denen sie angehören, sie sind weniger abhängig von Familie, engen Freunden, Kollegen oder Nachbarn. Stattdessen sind sie hoch vernetzt und organisieren sich ihre sozialen Beziehungen selbst. Vor allem durch eine große Zahl schwacher Bindungen sind die vernetzten Individualisten im Austausch mit vielen Menschen. Damit verliert die Zugehörigkeit zu den traditionellen sozialen Gruppen an Bedeutung gegenüber der Beteiligung an unterschiedlichen, stärker fragmentierten, selbst gewählten und frei verhandelbaren Netzwerken, die Beistand gewähren, wann dieser gerade benötigt wird. Die festen Bindungen weichen „on-demand“-Beziehungen. Die ehemals festgefügten Trennlinien zwischen Freunden und Fremden bröckeln und leisten gemeinschaftlichem Konsum Vorschub. Denn peer-to-peer Konsum erfüllt das Verlangen nach Zugehörigkeit zu solch lockeren Gemeinschaften. Ironischerweise fördert das Internet somit die Zusammengehörigkeit im „echten“ Leben. Die Transaktionen werden zwar im Netz angebahnt, aber immer geht es dabei auch um das Kennenlernen anderer Menschen; Zweck ist nicht der unpersönliche Austausch, sondern eine Erfahrung unter Gleichgesinnten.

       Gemeinschaft neu definiert

      Die Lebensform des vernetzten Individualismus schreibt Gemeinschaft groß – auch wenn sich die modernen Gemeinschaften durchaus von jenen früherer Zeiten unterscheiden. Denn man wächst nicht mehr in sie hinein, sondern vernetzt sich je nach Interessen, Bedürfnissen und beruflichen Belangen. Im 21. Jahrhundert gehören Individualismus und Kollektivismus zusammen, Gemeinsinn gibt es nicht ohne Eigensinn: Es ist eine kalkulierte Suche nach Gemeinschaft, das „Ich“ bleibt im „Wir“ bestehen. Der Mensch der modernen Netzwerkgesellschaft folgt der Einsicht, dass es für den Einzelnen oftmals am nützlichsten ist, Dinge zu tun, die auch für andere nützlich sind. Dem eigenen Ziel kommt man in vielen Fällen nur näher, wenn auch andere vorankommen. Je mehr sich beteiligen, desto mehr erreicht man für sich. Dieser Blick auf Gemeinschaften beschreibt den Kern einer wesentlichen Voraussetzung der Share Economy: Teilen, Tauschen und sonstige Formen gemeinschaftlichen Konsums werden sich immer dort herausbilden, wo eine kritische Masse gegeben ist, die einen ausreichend großen Pool an Wünschen und Angeboten vereint. Mit jedem weiteren Mitglied steigt der Nutzen für jeden einzelnen Teilnehmer.

      Dabei sind die Zusammenschlüsse im Web bei weitem nicht so opportunistisch und pragmatisch wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen, ihm sind die Gemeinschaften im Internet weit mehr als bloß Mittel zum Zweck. Es lässt sich beobachten, dass in online Communitys mitunter ein echtes Wir-Gefühl entsteht sowie sämtliche

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