Smart Tourism – Share Economy im Tourismus. Martin Linne

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Smart Tourism – Share Economy im Tourismus - Martin Linne

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bis zum Stalking, von der Ausbildung eines familiären Gefüges bis zur Nutzung als Bühne zur Selbstdarstellung. Und somit bieten virtuelle Netzwerke heute das größere Ganze, nach dem der Mensch in der individualisierten Welt sucht. Der Fokus moderner Gesellschaften auf das Individuum hat zu Gefühlen der Entfremdung geführt und den Wunsch bestärkt, Teil eines wichtigeren, über den eigenen Horizont hinaus reichenden und mit anderen geteilten Anliegens zu werden. Das Verlangen nach Zugehörigkeit und Beteiligung ist getrieben von der Suche nach Verbundenheit, nach einem Zweck und einer Rolle, die über die Trivialitäten des Alltags hinausreichen. Beim Konsumieren wird das „Ich“ immer öfter durch ein „Wir“ abgelöst: Die Share Economy beruht daher auch auf dem Gedanken, nicht nur eine streng abgegrenzte Leistung zu vermitteln, sondern immer geht es beim Sharing auch darum, Anschluss an eine Gemeinschaft zu finden. Der Glaube an das Gemeinsame und dadurch Teil eines größeren Ganzen zu werden sind wichtige Bestandteile aller Sharing-Plattformen. Es geht um viel mehr als nur den Austausch von Werkzeugen, die gemeinsame Nutzung von Büros, das Übernachten auf einem fremden Sofa, schlicht weil es billiger kommt als die Anschaffung des eigenen Werkzeugkastens, Miete spart und man sich das Hotel nicht leisten kann. Leute kaufen sich in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten ein, es geht ihnen nicht nur darum, Zugang zum Nutzen eines Produkts zu erhalten, sondern auch zu Menschen. Letztlich verspricht Sharing eine reichere Erfahrung als lediglich ein Produkt zu konsumieren.

       Konsum 2.0: vom Selbstwert zum Gemeinschaftswert

      Während die Marken des 20. Jahrhunderts rund um Selbstwertgefühl und die Schaffung einer Identität kreisten, basieren die Marken des 21. Jahrhunderts auf Beziehungen und Teilhabe. Konsumenten geht es heute immer auch darum, ein soziales „Selbst“ zu kreieren und sind daher auf der Suche nach Verbindungen zu anderen und Zugehörigkeit zu Gemeinschaften. Menschen definieren sich nicht mehr nur über den Kauf bestimmter Produkte und das Zurschaustellen von Markenzeichen. Identität entsteht heute, indem wir zeigen, welchen Gruppen wir uns zugehörig fühlen (Xing, LinkedIn), was wir tun (Twitter), wer unsere Freunde sind (Facebook), was uns gefällt (Pinterest) und wofür wir uns interessieren (Digg, Delicious). In unserem vernetzten Zeitalter erfolgt daher auch Konsum immer öfter durch Aushandlung mit anderen.

      Wir stehen am Rande einer neuen Ära, in der die Nutzung von Dingen wichtiger wird als deren Eigentum, die Anhäufung von immer mehr Besitz wird verdrängt vom Wunsch, bloß Zugang zu diesen Dingen zu erhalten. Konsumenten werden zu Nutzern, Leihern und Mietern. Kunden suchen nach einem Nutzen, einem Erlebnis oder einer Erfahrung, nicht primär nach einem Produkt: Denn es geht nicht um den Rasenmäher, sondern den gemähten Rasen, nicht um den Hammer, sondern den Nagel in der Wand.

      Der US-amerikanische Ökonom und Publizist Jeremy Rifkin1 hielt schon Ende des letzten Jahrhunderts die Idee, Dinge zu kaufen und sie zu besitzen für überkommen. Immer häufiger werden wir nicht mehr Eigentum, sondern Nutzungsrechte erwerben, ein „just-in-time“-Zugang zu beinahe jeglicher Art von Dienstleistung wird zur Norm werden. Wir werden keinen Kaufpreis mehr bezahlen, sondern Zugangsgebühren, die uns die Nutzung von Dingen in Form von Abonnements, Mitgliedschaften, Leasing- und Lizenzverträgen eröffnen. Für Rifkin ist das 21. Jahrhundert daher „The Age of Access“. Die Vorteile einer solchen Ökonomie des Zugangs, in der einzig der Nutzen von Produkten zählt, nicht das Besitzen derselben, liegen auf der Hand: Eigentum an sich verhilft uns nicht dazu, unsere Ziele zu erreichen, aber es erhöht die persönlichen Lasten. „Eigentum verpflichtet“ und oftmals ist es Klotz am Bein.

       Wertewandel fördert Sharing

      Dass physische Dinge in unserem Leben heute einen anderen Stellenwert haben, hat zum einen damit zu tun, dass immer mehr davon, was wir früher in Händen hielten, heute in Bits und Bytes vorliegt: Musik, Bücher, Zeitungen, Filme waren einmal an Materie gebunden, heute lagert all dies digital auf unseren Festplatten oder völlig losgelöst im Internet. Dies hat eine neue Kultur des Teilens entstehen lassen, in der blitzschnell und unentwegt Informationen ausgetauscht und Neuigkeiten, Musik, Unterhaltung mit anderen geteilt werden. Zum anderen vollzieht sich in der westlichen Welt seit den 1970er Jahren ein einschneidender Wertewandel. Angetrieben durch den beispiellosen Wohlstandszuwachs erfolgten eine Abwendung von materiellen Werten (Vermögen und Besitz) und eine Zuwendung zu postmateriellen Werten (Naturerhaltung, Partizipation, Selbstfindung und Selbstbestimmung).2 Seit den 1990er Jahren stagniert in Deutschland dieser Wertewandel und materielle Orientierungen sind wieder im Aufwind. Dies ist vor allem auf die Rückkehr von Knappheiten durch Globalisierung, Wiedervereinigung und Wirtschaftskrise zurückzuführen. Gewiss hat das Entstehen einer postmateriellen Wertegesellschaft nie einen kompletten Abschied vom Materialismus bedeutet, genauso wenig wie einmal etablierte Selbstentfaltungswerte wieder verschwinden werden. Die heutige Situation ist bestimmt durch eine Synthese alter und neuer Werte, es findet sich eine bunte Mischung aus Wertorientierungen. Ein vor allem unter jüngeren Menschen verbreiteter Wertemix aus materiellen (Besitz, Karriereorientierung), hedonistischen (Lebensglück, Spaß am Leben) und umweltbezogenen und verantwortungsethischen Werten öffnet dem Aufstieg der Share Economy Tür und Tor. In einer solchen Wertelandschaft muss Sharing als „eierlegende Wollmilchsau“ erscheinen, lässt sich hierdurch doch Konsum unter nachhaltigen Vorzeichen mit Spaßfaktor verwirklichen.

       Wohlstand durch intelligenten Konsum

      Insbesondere die Wirtschaftskrise hat auch dazu beigetragen, dass Wohlstand in der Gesellschaft neu definiert wird: Man will zwar weiterhin gut leben, das hat aber immer weniger damit zu tun, wie viel man hat. Wohlstand ist keine Frage des Geldes mehr: Nicht materieller Wohlstand, sondern Wohlbefinden ist das Maß der Dinge des Konsumenten von heute. In unserer schnelllebigen Welt wird Freizeit ein neuer Wert beigemessen: Immer weniger wird Wohlstand und Lebensqualität darüber definiert, wie viele Güter man anhäuft, sondern immer mehr wird es darum gehen, „Zeitwohlstand“ anzustreben. Das Streben nach immer mehr wird ersetzt durch einen sinnvolleren Konsum. Verstärkt suchen Menschen einen werteorientierten Lebensstil anstatt im Kreislauf aus Arbeit und Konsum gefangen zu sein und räumen Erfahrungen und Erlebnissen, guten Sozialbeziehungen und Umweltverträglichkeit einen höheren Stellenwert ein als dem Besitz von Produkten. Materielles (Wirtschafts-)Wachstum wird daher immer weniger als gleich bedeutend mit Glückswachstum betrachtet.3 So glauben 61 Prozent der Deutschen nicht, dass sie durch Wirtschaftswachstum zukünftig mehr Lebensqualität erreichen würden.4 Eine neue Bescheidenheit kehrt ein, die keinen Mehrwert im Überfluss sieht. Angestrebt wird ein suffizienter Lebensstil, der ein besseres Leben nicht durch ein Mehr an Konsum, sondern durch smarteren Konsum anstrebt und dabei mit weniger Geld auskommt und gleichzeitig noch die Umwelt schont.

       Besitzen auf Zeit

      Dazu kommt noch, dass immer mehr Konsumenten den sofortigen Vorteil suchen, sie wollen hier und jetzt auf der Welle des nächsten Trends reiten. Weil dazu aber für viele der Geldbeutel zu klein ist, werden Sharing-Angebote nachgefragt. Für die maximale Abwechslung muss man nichts besitzen, Dinge zu nutzen ist völlig ausreichend. Weil heute die Produktlebenszyklen immer kürzer werden, ständig Neueres oder Besseres auf den Markt drängt, wird der Umgang mit Besitz flexibler. Produkte werden geliehen oder auf Zeit angeschafft.

       Neue Statussymbole

      Schließlich überrascht es kaum, dass der neue Homo collaborans weniger Wert legt auf Statussymbole als der Homo oeconomicus. Demonstrativer Konsum5, so scheint es, verliert mit dem Heranwachsen einer Generation, der Nachhaltigkeit und soziales Engagement – auch beim Konsum – wichtig ist, immer mehr an Gewicht. Erlebnisse werden heute höher eingestuft als materielle Ziele. Immer weniger geht es darum, was man hat, sondern wen man kennt (Facebook), was man

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