Smart Tourism – Share Economy im Tourismus. Martin Linne

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mehr, wer die neuesten Turnschuhe trägt, sondern wer seine Freunde mit den außergewöhnlichsten, kuriosesten Informationshäppchen versorgt. Dem Wandel von Statussymbolen trägt die Share Economy Rechnung, denn: „The new status symbol isn’t what you own – it’s what you’re smart enough not to own”6.

      Konsumenten ist klar, dass der Hyperkonsum von heute nicht nachhaltig ist, jedoch will niemand kürzer treten und nur ungern sein Verhalten ändern. Die Share Economy eröffnet Wege, mit gutem Gewissen zu konsumieren. Wer teilt, Gebrauchtes kauft und Altes verkauft, statt es zu entsorgen, reduziert seinen ökologischen Fußabdruck, ohne auf etwas verzichten zu müssen. Sharing sorgt für Entlastungseffekte, indem Produktlebenszyklen verlängert und Ressourcen effizienter genutzt werden. Weil die durch Konsum entstehenden Wirkungen auf die Umwelt immer stärker ins Bewusstsein rücken, bietet sich Sharing als willkommene nachhaltigere Alternative des Konsumierens und Besitzens an. Die höhere Sensibilisierung der Konsumenten begünstigt außerdem „Politik mit dem Geldbeutel“: Die Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen wirken sich dann direkt auf Kaufentscheidungen aus. Auch hierbei kommt die Share Economy ins Spiel, ist es doch ein wesentliches Merkmal des gemeinschaftlichen Konsums, dass Unternehmen als Zwischeninstanzen ausgeschaltet werden. Konsumieren wird gänzlich ohne Unternehmen möglich.

      Durch die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Konsum verstärkt zur Identitätskonstruktion betrieben. Gesellschaftliche Distinktion und Identität konnte nicht mehr aus der Zugehörigkeit zu den traditionellen Gemeinschaften abgeleitet werden, stattdessen wurde das Selbst definiert durch die Anhäufung und den Konsum von Produkten. Mit dem Hyperkonsumismus des vergangenen Jahrhunderts wurde das Image eines Produkts wichtiger als dessen Gebrauchswert. War Konsum einst ein einziger Aspekt des menschlichen Lebens, so strebt der moderne Konsumismus danach, unser gesamtes Leben einzunehmen, unsere Zeit und unseren Raum zu besetzen und alles andere zu verdrängen.1

       Kritische Haltung gegenüber der kapitalistischen Wirtschaftsweise

      Der Ausbruch der Finanzkrise hat vor Augen geführt, wie schnell eine Wirtschaft, die auf dem Höher-Schneller-Weiter-Prinzip des Hyperkonsums aufbaut, wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen kann. In den letzten Jahren wurde das kapitalistische System zunehmend als Ursache für soziale, ökologische und wirtschaftliche Verwerfungen ausgemacht; Unternehmen stehen unter dem Verdacht, sich auf Kosten der Gemeinschaft zu bereichern. In der Folge steht unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem unter Beschuss und immer weniger Menschen glauben an ein „Weiter so“: Das konsequente Konsumdenken, welches Konsum zur Ersatzreligion macht und persönliches Glück im Verbrauch von Wirtschaftsgütern sucht, scheint an sein Ende gekommen. Menschen wenden sich ab von einer Kultur, die auf mehr Sein als Schein beruht. Substanz und Authentizität sind gefragt. In der vom Marketing gemachten Glitzerwelt verspüren Menschen zunehmend einen Verlust an Tiefe und Bedeutung. Weil sie sich verbunden fühlen wollen mit etwas „Echterem“ als die künstliche Welt, die sie umgibt, wenden sie sich wieder stärker der Natur zu und suchen die Verbindung zu anderen Menschen.

      Auch haben Menschen immer weniger Vertrauen in politische und wirtschaftliche Institutionen: Es herrscht ein abstraktes Misstrauen gegenüber großen, intransparenten Organisationen vor, weil diese oftmals nicht verstanden werden oder weil angenommen wird, dass diese nicht im besten Interesse für die Gemeinschaft, sondern nur mit Blick auf das eigene Beste agieren. Als Folge wenden sich Menschen jenen Gemeinschaften zu, in die sie einen besseren Einblick haben und denen sie mehr vertrauen – darunter auch online Communitys. Auch beim Konsum werden daher verstärkt Angebote von Angesicht zu Angesicht vorgezogen. Zudem schafft der gemeinschaftliche Konsum eben dort Lösungen, wo die herkömmlichen Systeme auf die brennenden Probleme und neuen Bedürfnisse der modernen Welt keine Antworten bieten: peer-to-peer Lending entsteht als Folge eines breiten Misstrauens gegenüber dem Bankensektor, Car Sharing entspringt einem Bedürfnis nach neuen, flexibleren Formen von Mobilität.

       Suche nach Glaubwürdigkeit und Authentizität

      Weil Konsumenten zu oft erlebt haben, dass eine riesige Lücke klafft zwischen den großmundigen Versprechungen der Werbung und der Realität der Kundenbeziehung, verlieren sie zunehmend das Vertrauen in die Marken. Konsumenten schenken Empfehlungen von Familie, Freunden und Bekannten immer mehr Glauben. Und selbst Produktbeurteilungen, Empfehlungen und Bewertungen von völlig Fremden im Internet werden als vertrauenswürdiger eingestuft als die Marketingversprechen der Premiummarken. In einem solchen Umfeld gewinnen peer-to-peer Angebote an Gewicht, weil sie den gewünschten Nutzen erfüllen und dabei noch authentischer und glaubwürdiger erscheinen. Zudem werden beim Sharing völlig neue Konsumentengruppen angesprochen, die ansonsten niemals einen Kauf erwogen hätten, schlicht weil sie sich kein eigenes Auto leisten können oder der Kauf einer Skiausrüstung sich für den einmaligen Winterurlaub nicht auszahlt. Wird in der Share Economy jedoch nur für den zeitlich befristeten Zugang zu den Gütern bezahlt, sieht die Rechnung aus Kundensicht vollkommen anders aus.

      Auch wird die alte stark zentralisierte, hierarchische Wirtschaftsordnung abgelöst durch eine dezentrale, auf Netzwerken beruhende Wirtschaft. Dadurch verändert sich das Verhältnis zwischen Produzent und Konsument: Unternehmen haben es heute nicht mehr mit passiven Konsumenten zu tun, sondern mit selbstbestimmten, autonomen Bürgern, die sich befähigt fühlen, ihre Umwelt nach ihren Wünschen zu gestalten. Daher weicht die starre Rollenverteilung des traditionellen Wirtschaftssystems auf, in dem Menschen in jeweils streng definierten Rollen Platz fanden – entweder als Produzent oder als Konsument. Die Machtbalance verschiebt sich: von monolithischen, hierarchischen und zentralisierten Strukturen zu kleinteiligen, vernetzten und verteilten Strukturen. Dies begünstigt das Entstehen einer Konsumwelt, die völlig ohne Intermediäre auskommt, weil alleinig von Peer zu Peer konsumiert wird. Die Entwicklung ist paradox: Als Gegenbewegung zum Konsumismus zielt die Share Economy doch exakt auf das Mantra des Konsumismus – mehr Auswahl und mehr Bequemlichkeit zu geringeren Preisen.

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