Schwarz Gelb - der Tag, die Stadt, das Fieber. Markus Veith

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Schwarz Gelb - der Tag, die Stadt, das Fieber - Markus Veith

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schrie Dominik. „Und was mach ich jetzt damit? Das kann ich dann ja wohl alles einstampfen.“ Er schmiss einen Packen Papier auf den Boden.

      „Was ist das?“

      „Kannst du immer noch kein Englisch? Steht doch da: „New in Town – Purple Puddle Pub“ –sollte eine Überraschung werden. Ha, ha, aber so gut wie deine knallt die natürlich nicht, gratuliere!“

      „Du willst eine Kneipe aufmachen? In London? Was ist das denn für eine schwachsinnige Idee? Da ist doch alles voller …”

      „Mensch, lies doch weiter! Nicht für Menschen! Für Hunde. Boxer-Bier, Welpen-Milchshakes, Fish-and-Chips-Knochen, Vitamindrinks für läufige Hündinnen, Biokost für übergewichtige Rüden, Kuttel-Leckerlies, Blut-Smoothies …. Engländer sind Exzentriker. Die lieben so was. Ich hab mir schon zig Rezepte überlegt, alle an Madame ausprobiert.“

      Madame Tussaud hatte sich vor Marcus hingelegt und auf den Rücken gedreht, damit er sie an ihrer Lieblingsstelle kraulen konnte.

      „Mein Gott!“, schrie er so laut, dass sie erschrocken aufsprang und dabei an den rollbaren Couchtisch stieß. „Die blutet ja am Bauch!“

      Madame Tussaud schaute verwirrt von Markus zu Dominik, der die Hände vors Gesicht schlug und schluchzte. Gerade, als sie einen Schritt auf ihn zu machte, um den Grund seines merkwürdigen Verhaltens zu ergründen … ein neues Spiel? … stieg ihr ein verführerischer Duft in die Nase. Direkt vor ihr lagen ein paar von den Nüssen, die Dominik ihr gegeben hatte, bevor Markus aufgetaucht war. Sie mussten bei ihrem Zusammenstoß mit dem Couchtisch dort vom Teller gerollt sein. Eilig verschlang sie eine nach der anderen, bevor ein anderer sie ihr streitig machen konnte.

      „Das ist Lebensmittelfarbe“, hörte sie Dominiks Stimme über sich. „Das sollte doch der Clou sein: Madame als pinkfarbener Pudel mit Servierhäubchen und Spitzenschürze. Ich musste doch testen, welche Farbe das Fell annimmt.“

      Madame Tussaud hatte weiträumig den Boden abgesucht, aber blitzschnell reagiert, als Markus sich eine Handvoll der Nüsse vom Teller nahm: hatte sich vor ihm in Position gebracht, sich hingesetzt, dabei aufgerichtet, die Vorderpfoten auf Brusthöhe angewinkelt, die Augenlider blinzelnd verengt … und Voilà! Mit diesem Trick hatte sie Markus das Leckerliewerfen beigebracht. Klappte immer, auch diesmal. Eine Nuss für sie, eine für ihn, eine für sie, eine …

      „Dominik, sei doch vernünftig …“, Madame Tussaud öffnete erwartungsvoll das Maul, doch Marcus beugte sich plötzlich vor und spuckte direkt vor ihr auf den Boden. He, das war ja wie in ihrer Welpenzeit, als Mama für sie und die Geschwister immer das Futter hervorwürgte. Vor Aufregung vergaß sie ganz, dass sie eigentlich Durst hatte und dringend raus musste.

      Markus wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Sag mal … was hast du denn da für ein ätzendes Zeug gekauft?“

      „Schmeckt dir nicht? Schade aber auch!“

      Madame Tussaud bemerkte, dass Dominiks Stimme gefährlich zufrieden klang.

      „Das ist eine von meinen Kreationen für den Pink Puddle … selbst gesammelte Schafsköttel in Käsepanade und der absolute Renner bei sämtlichen Hunden der Umgebung.“

      02:00 – 03:00

      Dominik

      Heike Wulf

      Das war das Ende. Er hatte es in seinen Augen gesehen. Ganz deutlich.

      Dominik nahm noch ein Glas Schampus. Einen schönen Abend – eine schöne Nacht wollte er mit ihm verbringen − und jetzt − jetzt war alles vorbei. Tränen schoben sich in seine Augen. Er wischte sie weg.

      Madame Tussaud sah ihn erwartungsvoll an, winselte und wedelte. Tänzelte vor ihm her. Mit einem Seufzer nahm er sich die Hundeleine, schnappte sich eine Jacke und ging hinaus in Richtung Bolmke.

      Madame Tussaud blieb an jeder Müllhalde stehen, die in den letzten Wochen ein nicht ertragbares Ausmaß angenommen hatten, und steckte ihren Riecher hinein. Dominik zog sie angewidert weg. Seit die blöde Müllabfuhr streikte, war es unerträglich geworden. Und dann diese Hitze. Echt widerlich. Das waren schon fast italienische Verhältnisse.

      Italien. Er seufzte. Alles, was er dachte, alle Erinnerung liefen wie ein Wasserstrom in eine Richtung: Marcus.

      Letzten Sommer hatten sie sich ein Haus am Meer gemietet, gerade mal 20 Kilometer von Rom entfernt. Marcus hatte sich, um ganz sicher zu gehen, die Haare auf einen Zentimeter kürzen lassen und blondiert. Fantastisch hatte er ausgesehen und mit seiner Armani-Sonnenbrille hatte ihn niemand erkannt. Sie konnten völlig normal, wie ein Liebespaar, miteinander umgehen. Keine Reporter, keine Angst. Außer einmal, da hatte ein kleiner italienischer Junge ein paar Fotos von ihnen beiden gemacht. Sie lagen nackt auf einem schwarz-gelben Handtuch und Madame Tussaud neben ihnen mit einem Fan-Käppi auf. Sie hatten zufällig mitbekommen, dass der Junge Fotos machte. Marcus war zu ihm gegangen und hatte ihm für die Kamera den dreifachen Preis geboten. Der hatte erst ungläubig geschaut, dann aber glücklich eingewilligt.

      Es waren zwei traumhafte Wochen gewesen.

      Aber jetzt war es vorüber. Ihre Beziehung – ihre Liebe beendet. Marcus würde nicht zurückkommen.

      Dabei hatten sie sich bis jetzt so gut arrangiert.

      Sicherlich, er war nicht glücklich darüber gewesen, dass sie sich nicht zusammen in der Öffentlichkeit zeigen konnten, aber er hatte es ja von Anfang an gewusst und respektiert. Für Marcus wäre es das Ende der Kariere gewesen. Aber später, danach, wollte er sich outen.

      Es war klar, dass das alles ein Ende haben würde.

      Genauso wie die getürkte Hochzeit mit Eva. Vermittelt! Wie lächerlich.

      In Hamburg gab es doch tatsächlich ein Vermittlungsinstitut für schwule Fußballer. Er hatte einen Lachanfall bekommen, als Marcus ihm das erste Mal davon erzählt hatte.

      Jetzt war ihm nur noch nach Heulen zumute.

      Er setzte sich auf eine Bank. Es war stockdunkel und er fühlte er sich unwohl. Aber immerhin stank es hier im Wald nicht mehr so.

      Madame Tussaud hatte er gleich zu Beginn des Waldes von der Leine gelassen und nun war sie nicht mehr zu sehen. Wo streunte sie nur herum?

      Er rief sie mehrmals und endlich kam sie angerannt und sprang ihm gleich auf den Schoß. Normalerweise scheuchte er sie weg, wenn sie mit schlammigen Pfoten ankam, heute war es ihm egal.

      Er knuddelte sein Gesicht in ihr weiches Fell und schluchzte: „Marcus, ach Marcus. Du bist mein Leben. Alles hab ich für dich aufgegeben. Alles. Meine Existenz, meine Freunde, meine Identität. Und du? Du verlässt mich.“

      Er dachte an ihre erste Begegnung in Essen im El Brasil. Marcus hatte eine Maske aufgehabt. Oft ein Zeichen dafür, dass jemand dahinter steckte, der es sich nicht erlauben konnte, erkannt zu werden. Das „Brasil“ war ein exklusiver Laden. Hier kam nicht jeder rein.

      Marcus hatte sich umgeschaut, Dominik gesehen und war gezielt auf ihn zugegangen. Erst hatten sie sich zusammen einen Film angesehen und aneinander rumgespielt − später waren sie in ein Separee verschwunden. Marcus hatte irgendwann seine Maske abgezogen und Dominik hatte es kaum fassen können. Marcus Schneider, Stürmer bei Schwarz-Gelb, Ausnahmetalent und … schwul.

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