Pelé - Warum Fußball?. Pelé

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Pelé - Warum Fußball? - Pelé

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sie ähnelten Baseball-Karten –, und jeder von ihnen zeigte einen anderen Spieler und lieferte zusätzlich noch ein paar Daten zum jeweiligen Akteur. Ich dachte, wenn wir unsere Sammlungen zusammenlegen und uns auf die echt berühmten Teams aus Rio und São Paulo konzentrieren würden, dass diese Sammlung, in ein Album geklebt, tatsächlich etwas wert sein könnte. Unser Ziel war es, jemanden zu finden, der dieses Album gegen einen Lederball eintauschen würde.

      Der Plan wurde rasch angenommen. Trotzdem waren wir noch meilenweit von unserem ehrgeizigen Ziel entfernt. Ein Junge namens Zé Porto schlug vor, dass wir die Differenz, die uns fehlte, dadurch wettmachen könnten, indem wir vor dem Kino und dem Zirkus geröstete Erdnüsse verkauften. Eine tolle Idee. Aber woher sollten wir die Erdnüsse nehmen. Wie sich herausstellte, hatte Zé Porto auch für dieses Problem bereits eine Lösung parat. Er grinste listig und regte an, die Erdnüsse aus einer der Lagerhallen an der Eisenbahnstrecke zu klauen.

      Bei einigen von uns machte sich angesichts dieser Idee ein mulmiges Gefühl breit. Ich erinnerte mich, wie meine Mutter mir eingebläut hatte, dass Diebstahl eine der schlimmsten Sünden wäre. Ich spürte, dass die anderen Jungs das Gleiche dachten. Aber Zé Porto war ziemlich überzeugend. Er sagte, dass wir einfach einen der Frachtwaggons aufbrechen könnten, wenn es uns nicht gelänge, in die Lagerhallen zu kommen. Wer würde denn schon ein paar Tüten mit Erdnüssen vermissen?

      Ergänzend sagte er: „Abgesehen davon, wer nicht dabei ist, ist ein großer Schisser!“

      Nun, gegen diese Argumentation kamen wir nicht an. Also gingen wir alle wie auf Eierschalen runter zum Bahnhof. Als einer der inoffiziellen Anführer wurde ich von den anderen, zusammen mit einem weiteren Jungen, dazu auserkoren, in den Waggon zu steigen, um die Erdnüsse zu klauen. Ich hatte Bedenken, aber ich war bereit, alles für den Fußball zu geben.

      Als wir in den Waggon kletterten, konnte ich vor meinem inneren Auge meine Mutter sehen, die mit verschränkten Armen traurig den Kopf über uns schüttelte. Allerdings war es nun zu spät, umzukehren. Wir schnitten die Säcke auf, und vor uns ergoss sich eine Flutwelle aus Erdnüssen auf den Holzboden. Wir steckten sie hektisch in unsere Taschen, unsere Hemden und den rostigen Eimer, den wir mitgebracht hatten. Schließlich – mir kam es vor, als wäre eine halbe Ewigkeit vergangen – flüchteten wir mit unserer Beute vom Tatort und eilten zu unserer Gruppe. Anschließend rannten wir nach Hause, lachten und schrien vor Begeisterung – und Erleichterung.

      Wir rösteten die Nüsse und verkauften sie, wie wir es geplant hatten, und kauften uns vom Gewinn unsere kurzen Hosen. Als wir erkannten, dass die Trikots unser Budget überstiegen, und keiner von uns das Glück mit einem weiteren Diebstahl erneut herausfordern wollte, einigten wir uns eben auf farblich aufeinander abgestimmte Leibchen. Nun hatten wir allerdings noch immer keine Stutzen oder Schuhe, aber wir waren zu aufgeregt, um uns deswegen den Kopf zu zerbrechen. Zuerst nannten wir uns Descalsos – die Schuhlosen, bis wir herausfanden, dass es bereits mehrere Teams in Baurú gab, die sich aus exakt den gleichen Gründen für exakt denselben Namen entschieden hatten.

      Stattdessen wählten wir den Namen Sete de Setembro, nach der Straße, die meine Straße kreuzte, die wiederum nach dem Datum der Unabhängigkeit Brasiliens, dem 7. September, benannt war. Nun, da wir unsere Ausrüstung und ein paar echte Asse in unseren Reihen hatten, begannen wir, uns extrem ernst zu nehmen. Zu unseren Spielen liefen wir einer nach dem anderen auf das Feld – nun ja, die Straße – und gaben uns sehr andächtig, so wie wir uns das vom Team meines Vaters abgeschaut hatten. Wir organisierten Spiele gegen andere Mannschaften aus der Gegend und gingen zumeist als Sieger vom Platz, wobei wir unseren Gegnern manchmal zweistellige Debakel zufügten. Ich baute verschiedene abgefahrene Tricks in mein Spiel ein, hielt den Ball mit dem Kopf in der Luft oder tändelte ihn von einem Knie zum anderen. Mitunter lachte ich närrisch über die glücklosen Kicker aus den Nachbarschaften, an denen ich pfeilschnell vorbeijagte, um ein weiteres Tor zu schießen.

      Eines Abends kam Dondinho aus dem Gemischtwarengeschäft nach Hause und wirkte sichtlich aufgebracht. Als wir mit dem Abendessen fertig waren, sagte er, dass er sich mit mir unterhalten müsse – und zwar unter vier Augen.

      Er sagte: „Ich bin heute an der Straße vorbeigegangen, in der du und deine Freunde gespielt haben, und ich habe gesehen, was du gemacht hast.“

      Meine Augen müssen gestrahlt haben vor Freude. Womöglich hatte er einen meiner neuen Tricks gesehen?

      Aber er sagte: „Ich bin stinksauer auf dich, Dico. Ich habe gesehen, wie du diese anderen Jungs verspottet hast. Du solltest ihnen mehr Respekt entgegenbringen. Dein Talent? Du hast gar nichts getan, womit du es dir verdient hättest. Es war Gott, der es dir geschenkt hat! Die anderen Jungs sind vielleicht nicht mit dem gleichen Talent gesegnet wie du, aber was soll’s? Das gibt dir nicht das Recht, dich als etwas Besseres zu fühlen.“ Er fuhr fort: „Du bist nur ein Junge.“ Er hob mahnend den Zeigefinger und erklärte mir, dass ich noch nichts erreicht hätte: „Wenn sich das eines Tages geändert haben sollte, dann darfst du feiern. Aber selbst dann bleib bescheiden!“

      Ich stand unter Schock. Ich wollte davonlaufen und mich in meinem Zimmer, das ich mit Zoca teilte, verstecken. Aber es war wie immer ein ausgezeichneter Rat, den mir Dondinho gab – diese Unterhaltung sollte mir für viele, viele Jahre im Gedächtnis bleiben. Und wie sich herausstellen sollte, hätte ganz Brasilien diese wertvolle Warnung bitter nötig gehabt.

      - 8 -

      Als die Weltmeisterschaft schließlich Fahrt aufgenommen hatte, stoppten unsere nachbarschaftlichen Spiele, damit wir dem Turnier unsere ganze Aufmerksamkeit schenken konnten. Und lange schien es, als wäre unsere atemlose Begeisterung gerechtfertigt. Brasilien gewann das Eröffnungsspiel in Rio in überzeugender Manier mit 4:0 gegen Mexiko, bei dem Ademir zwei Treffer beisteuerte. Er war ein Spieler von Vasco da Gama, den alle „Kiefer“ nannten, weil er so ein markantes Kinn hatte. Das nächste Spiel war eine viel nüchternere Angelegenheit. Im Pacaembu-Stadion in São Paulo endete die Begegnung mit der Schweiz 2:2. Doch der darauf folgende 2:0-Sieg gegen Jugoslawien ließ alle wieder ruhig schlafen – Brasilien war praktisch im Vorübergehen in die Finalrunde vorgestoßen.

      Von da an war es, als hätte man ein Monster von der Kette gelassen. Brasilien demolierte ein ziemlich gutes schwedisches Team mit 7:1. „Kiefer“ allein schlug ganze vier Mal zu. Vier Tage später demütigte unser Team Spanien auf ähnliche Weise. Die Partie endete 6:1, und fünf verschiedene Spieler trugen sich in die Torschützenliste ein. Die brasilianische Auswahl trat geschickt und gut ausbalanciert auf. Die Defensive stand gut, und im Angriff konnte man sich auf treffsichere Optionen verlassen. Sie spielten vor einem Anhang, der sie mit Gesängen, Konfetti und der ganzen Liebe, die man von einem Heimpublikum erwartet, nach vorne trieb. Und plötzlich stand Brasilien, scheinbar ohne Mühe und noch weniger Spannung, nur mehr ein Spiel entfernt vom Titel. Vielleicht hatte Dondinho ja recht – der Pokal würde uns gehören.

      Im entscheidenden Spiel traf man auf den erhofften Gegner, Uruguay: ein Land der Schafhirten, das mit seinen sandigen Stränden im Norden an Brasilien grenzt. Uruguay hatte gerade einmal etwas mehr als zwei Millionen Einwohner – bei uns lebten allein in Rio de Janeiro schon mehr Menschen. Und im Gegensatz zu Brasilien waren sie mit großer Mühe durch die Finalrunde gestolpert. Sie hatten nur ein 2:2 gegen Spanien erreicht und im Spiel gegen Schweden erst fünf Minuten vor dem Schlusspfiff das 3:2 erzielt.

      Wir konnten außerdem mit der bestmöglichen Ausrichtungsstätte für dieses Spiel aufwarten: dem brandneuen Maracanã-Stadion in Rio, das speziell für diese Weltmeisterschaft erbaut worden war. Durch seine ehrfurchtgebietenden Ausmaße und seine architektonische Verspieltheit erinnert es mehr an einen Kaiserpalast als an ein Stadion. Es war viel Geld in diese Spielstätte investiert worden, da dort schließlich das Heimteam zum Champion gekrönt werden sollte. Die brasilianische Regierung hatte über 10.000 Arbeiter angeheuert, und als das Stadion fast fertig war, testeten sie die Standfestigkeit, indem sie die Ränge füllten und imaginäre

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