Van Halen. Joe Layden

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Van Halen - Joe  Layden Rockbiographien

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– „Gespielin“ darstellte. So ist das eben mit dem Rock ’n’ Roll, Baby. Da geht’s nicht nur um die Musik, sondern auch darum, die gut geölte Stange der Evolution hinabzugleiten …

      Wenn wir uns tiefer in die Arena hineinbegeben, weg von der Ladezone, verändern sich die Gerüche. Der Benzingestank weicht einer Melange aus Essen und Drogen. Chili und Hühnerteile in der einen Sekunde, Alkohol und eine Kombination aus Gras und Zigarettenrauch in der nächsten. Damals rauchte nämlich jeder – deine Mama, deine Schwester, dein komischer Onkel mit dem Silberblick, der Quacksalber, dem du 150 Dollar pro Stunde zahltest, um endlich aufzuhören damit. Es wird also gequalmt, und dementsprechend undurchdringlich ist der Nebel.

      Wenn man die Ohren spitzt, dann hört man auch Schnüffeln. Geht etwa ein Virus um? Eine Allergie? Oder ist es nur der Klang von mehreren Dutzend Leuten, die sich Kokain und andere Stoffe durch die Nase ziehen? Sucht es euch aus – und vergesst nie: Das hier sind die Achtzigerjahre, und das ist Rock ’n’ Roll.

      Nachdem sie gegessen und mit ein paar Groupies geflirtet haben, die sich bereits Zugang verschafften, machen sich die Jungs auf zu ihrer Garderobe.

      „Wo zum Geier sind wir hier?“, ruft Edward.

      „Lubbock“, antwortet jemand.

      „Lubbock, Texas?“, hakt Edward nach.

      „Nein, Lubbock auf Island, du Arsch.“

      „Nö, da waren wir vorvorgestern“, steigt Alex ein.

      David krakeelt währenddessen einem vorbeiziehenden Groupie hinterher: „Hey, Sahneschnitte! Wirst du dem lieben Dave nach der Show Gesellschaft leisten? Hä? Vielleicht sollten wir uns zu einem Rendezvous verabreden?“

      Das Girl lacht auf und grinst ihm zu. Auch das scheint keine ungewollte Avance darzustellen.

      Bald schon finden sich die Jungs hinter verschlossenen Türen wieder, ziehen sich um und bereiten sich auf ihren abendlichen Job vor. Die lockere Kameraderie und die spielerischen Sticheleien weichen den Geräuschen von vier jungen Musikern, die sich startklar fürs Match machen. Eine durchaus treffende Metapher, da die Garderobe nichts anderes ist als eine Umkleidekabine, in der ein paar zusätzliche Vorhänge angebracht wurden. Am einen Abend Eishockey, am nächsten dann Van Halen. Aus der Nähe kann man sie rufen und fluchen hören.

      „Wo ist mein verflixtes Shirt?!“

      Das Aroma der Arena vermischt sich mit ihren Stimmen, und man kann spüren, wie die Vorfreude auf die Show wächst und wächst.

      Und ich? Auch mir geht es so, obwohl ich mich nicht nur auf den Gig freue, sondern auch den Adrenalinkick spüre, der sich angesichts der Aussicht auf etwas Brutalität bei mir einstellt: Dinge wie – den Schädel eines Merchandise-Fälschers gegen eine Autotür donnern. Ein Teil meines Abends ist stets solcherlei Aktivitäten gewidmet (mit zwei, drei Roadies und einem Leibwächter im Schlepptau, schließlich bin ich nicht dämlich). Das gehört alles zu meiner Aufgabe, die Marke Van Halen zu fördern und zu schützen.

      Dann spaziert der Veranstalter zur Türe herein. Er bleibt namenlos, da an ihm nichts ist, das einzigartig wäre. Der Mann riecht nach Vitalis oder Brylcreem – in einer so reichlichen Dosis aufgetragen, dass ihn sein Geruch bereits 30 Sekunden vor seinem tatsächlichen Eintreffen ankündigt. In der Garderobe schmachtet er nun die Jungs an, insbesondere David und Edward, während er mir nicht einmal in die Augen sieht. Der Kerl verarscht uns nach Strich und Faden – er verrechnet Bühnenhelfer, die nicht existieren, Arbeiten, die nie ausgeführt wurden, und verdreifacht die Kosten des Caterings. Er schwitzt und schnieft, als er seine nikotingelbe Hand zuerst den Jungs und dann mir reicht. Ich verwehre ihm unhöflich den Handschlag. Warum scheint jeder einzelne Veranstalter in jedem Winkel dieses verdammten Landes Schnupfen zu haben? Und warum wollen sie mich alle anstecken? Allerdings ist es vielleicht gar kein Schnupfen. Möglicherweise fährt der Veranstalter auch bloß auf Koks ab, wer weiß? Viele dieser Typen bieten einem neben sparsamen Rationen besagten Kokains auch ihre persönliche, oftmals blutige Hundert-Dollar-Note zum Rüsseln an – oft mitsamt dem gerade aktuellen Hepatitis-Erreger.

      Sie sind nur allzu zuvorkommend dabei, sicherzustellen, dass die Band gut geölt und glücklich ist. Alkohol, Gras, Koks – das ist doch alles da, um wegkonsumiert zu werden. Teufel, die würden uns sogar mit Heroin versorgen, wenn wir wollten. Aber so sind wir nicht drauf. Waren wir auch nie.

      Kurz vor Beginn der Show begebe ich mich zur Bühne und schaue zwischen den Vorhängen hindurch ins Publikum. Ach, du heilige Scheiße! Eine Arena, die wenige Stunden vorher noch leer und ruhig war, ist nun bis unters Dach gefüllt – mit 15.000 Kids, von denen die meisten Joints rauchen, Bierchen kippen, mit den Füßen stampfen und gemeinsam in die Hände klatschen. Das Licht wird gedimmt. Es braut sich ein erwartungsfrohes Getöse zusammen, während die Band sich der Bühne nähert. Ein einzelner Scheinwerfer ist auf Rudy Leiren gerichtet, dessen Job darin besteht, die Band anzukündigen.

      „Ladies and gentlemen … hier sind sie … die großartigen VAN HALEN!!“

      Gerade als ich mir denke, dass es gar nicht noch lauter werden kann, betritt die Band die Bühne – und es wird tatsächlich noch lauter. Viel lauter. Die Meute stürmt nach vorne, füllt jede erdenkliche Lücke vor der Bühne und stellt sowohl die Geduld als auch die körperliche Verfassung der Sicherheitskräfte auf die Probe. Und dann geht die Show endlich los. David stolziert auf den vier Meter langen Laufsteg hinaus, der sich von der Bühne ins Publikum erstreckt. Diese Dinger werden auch „Ego-Rampen“ genannt, da man, nun ja, schon ein Mords-Ego benötigt, um sie vor 15.000 enthusiastischen Rockfans entlangzuschreiten.

      Ein zu kleines Ego ist Davids Problem nicht. An Selbstvertrauen mangelte es ihm nie. Nicht einmal, als Van Halen noch ausschließlich auf Gartenpartys auftraten. Und jetzt, als Frontmann einer der größten Bands des Planeten? Nun, David fühlt sich wie zu Hause.

      „Ich will hören, wie ihr ordentlich Krach macht!“, schreit er und hält das Mikro zum Publikum hin. Die Reaktion folgt auf dem Fuß, und ein überwältigender, ohrenbetäubender Sturm erhebt sich. David lächelt und wirft seinen Kopf nach hinten, wobei seine Mähne einen kurzen Augenblick lang sein Antlitz bedeckt. Innerhalb weniger Jahre wird unaufhaltsamer Haarausfall Dave seines Markenzeichens und zugleich seiner Jugendlichkeit berauben. Wenn man genau hinsieht, kann man sogar jetzt schon erkennen, was Sache ist, doch leistet er ganze Arbeit, die Auswirkungen zu verbergen. Er blickt über das Meer von Fans hinweg, von denen rund 60 Prozent Frauen sind. Ein paar von ihnen haben sich bereits ihrer Oberteile entledigt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Erneut lächelt David.

      „Wie ich sehe, ist nicht nur der Rock ’n’ Roll richtig groß in diesem Teil des Landes!“

      Er beginnt, auf und ab zu hüpfen, dann schlendert er von einer Seite der Bühne zur anderen – wie ein König, bevor er sich an seine Untertanen wendet.

      „Niemand beherrscht die nächtlichen Straßen so wie ich!“, ruft er. „Der Atomic Punk! Ich bin der, den ihr sucht!“

      Und dann, wenn die Band den Knüppel aus dem Sack lässt, geht so richtig die Post ab. Edward steht am einen Ende der Bühne, seine Finger rasen mit blitzartiger Geschwindigkeit über das Griffbrett, und sein schmales Lächeln bringt zum Ausdruck, wie sehr er liebt, was er da tut, und wie wohl er sich mit einer Gitarre in der Hand fühlt.

      Das andere Ende der Bühne ist für Michael Anthony reserviert – ein verlässlicher Bassist und lieber Kerl, dessen größtes Plus darin besteht, wunderbare Backing Vocals und schöne Harmonien beisteuern zu können. Sein beschränktes Können an seinem Instrument ist dank Edwards Virtuosität und Davids Talent als Entertainer praktisch nicht zu bemerken.

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