Shannon und der Falke von Chihuahua: Shannon 20. John F. Beck
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„Du bist verrückt, Shannon, wenn du glaubst, dass du hier lebend wegkommst!“, keuchte der Offizier.
„Lieber verrückt als tot“, grinste Shannon. Wetten, dass ich’s schaffe? Sag ihnen, sie sollen dein Pferd herbringen. Wahrscheinlich ist es das beste in der Remuda. Also, gib schon den Befehl!“
„Wir werden dich wie einen Hasen jagen, Shannon! Du hast keine Chance, in die Sierra zu entkommen!“
„Ich will nicht in die Sierra, verdammt noch mal! Ich gehöre nicht zu Santillos Rebellen.“
„Du lügst!“
„Fang nicht wieder davon an!“, knurrte Shannon. „Streite nicht mit einem Hombre. der den Finger am Drücker hält! Gib endlich den Befehl, dass ich das Pferd bekomme, ehe ich wütend werde.“
„Ich mach das schon“, erklärte der weißhaarige Alte mit plötzlich veränderter harter Stimme.
„Schieß ihn nieder, Companero. Du hast nicht mehr viel Zeit dazu. Die Sprengladung in dem Korb wird gleich in die Luft gehen.“
Einen Moment war Shannon ebenso sprachlos wie die Soldados. Der angebliche Alte straffte sich. Er wirkte plötzlich kraftvoll und geschmeidig. Lachend schleuderte er den Strohsombrero weg, an dessen Innenrand das falsche weiße Haar befestigt war. Sonnenlicht fiel auf ein kantiges braunes Gesicht mit verwegen funkelnden Augen. Rabenschwarzes Haar glänzte.
„Santillo, der Falke von Chihuahua!“, keuchte Ortegas junge Ordonanz erschrocken und ließ den Schirm fallen.
Alle starrten auf den Korb. Zwischen den Trauben und rotbäckigen Äpfeln zischte und knisterte es. Ein dünner Rauchfaden stieg empor. Der berüchtigte Rebellenführer aus der Sierra zog einen schweren 45er Colt unter dem verwaschenen, mehrfach geflickten Poncho hervor. Seine Augen blitzten.
„Schnell, Gringo! Zu den Pferden!“
Entsetzt stoben die Soldados auseinander. Shannon wirbelte Ortega herum, versetzte ihm einen Stoß, der ihn in die frischgeschaufelte Grube warf, und hechtete hinterher. Im nächsten Augenblick krachte es wie ein Kanonenschuss. Staub und Rauch hüllten den Platz ein.
Shannon beendete die Unterhaltung mit dem Capitan mit einem Revolverhieb.
Schreie gellten. Pferde wieherten. Hufe stampften.
Er schnellte aus der Grube. Mündungsfeuer zuckten durch die graugelben Schwaden. Ein Reiter preschte auf ihn zu. Shannon riss den Revolver hoch, da erkannte er Santillo. Der Rebellenhäuptling warf ihm die Zügel eines zweiten reiterlosen Pferdes zu, ohne selbst das Tempo zu drosseln. Wie ein Schatten fegte er an Shannon vorbei.
Der Satteltramp landete mit einem Panthersatz auf dem Pferderücken. Sand und Steine spritzten unter den hämmernden Hufen auf. Santillos wildes Triumphgelächter versank im Dröhnen mehrerer Gewehre. Kugeln pfiffen an Shannon vorbei. Er drehte sich halb und schoss aufs Geratewohl, nur um Zeit zu gewinnen und die Soldaten in Deckung zu zwingen.
Der Lärm blieb zurück. Nur noch das Trommeln der Hufe und das Knarren des Sattelleders begleiteten ihn.
Eine Meile weiter wartete Ramon Santillo hinter einer Gruppe von Felsen. Er trug noch immer die Kleidung eines Peons, aber seine Haltung verriet Selbstbewusstsein und wilde Freude. Der grüne Seidenschirm hing als Trophäe an seinem Sattel.
„Weißt du jetzt, warum sie mich den ,Falken von Chihuahua' nennen, Gringo? Er lachte leise. Sie sind niemals sicher vor mir. Ich stoße wie ein Raubvogel zwischen sie, wenn sie es am wenigsten erwarten. Aber komm! Sie werden wie die Teufel hinter uns her sein. Delgado, dieser Menschenschinder und Schuft von einem Gouverneur, hat zwanzigtausend Pesos auf meinen Kopf ausgesetzt. Ich hoffe, Gringo, du hast nicht die Absicht, sie dir zu verdienen.“
Er lachte wieder, aber Shannon verzog keine Miene.
„Ich verkaufe keinen Mann, dem ich das Leben verdanke.“
„Übertreib nicht, Gringo. Ich glaube, du hättest dir recht gut allein zu helfen gewusst. Aber Ortega, dieser Bastard, hatte schon lange eine Lektion verdient! Er ist der gefährlichste unter Delgados Offizieren, ein Bursche, der wie ein Besessener hinter mir her ist. Nicht nur des Geldes wegen. Er sieht sich schon als Stellvertreter des Gouverneurs in Ciudad Chihuahua einziehen. Tut mir leid. Gringo, dass dir meine Leute diese salzige Suppe eingebrockt haben.
„Mir auch.“
Santillo grinste. Seine Zahnreihen blitzten. Du bist ein harter Bursche. Gringo. Was hältst du davon, in meiner Armee zu reiten, gegen Delgado, den Tyrannen! Für die Freiheit der Provinz Chihuahua!
„Bügel an Bügel mit Kerlen wie Gutierez?“
Santillo zuckte die Achseln. „Felipe ist ein guter Kämpfer, nur das zählt. Du würdest ja nicht für ihn, sondern für mich reiten. Also?“
„Mein Bedarf an Verdruss ist reichlich gedeckt. Nicht nötig, dass ich ihm auch noch nachlaufe.”
„Schade“, meinte der Rebell. Du hättest gut zu uns gepasst, Gringo, wirklich.“
„Nenn mich nicht dauernd Gringo. Ich hab einen Namen. Ich heiße Shannon, Jim Shannon.“
„Macht nichts!“, lachte Santillo. „Gringo gefällt mir besser. Komm endlich! Da hinten sind sie schon.“ Mit einem kehligen Schrei trieb er sein Pferd weiter.
Ein Blick über die Schulter zeigte Shannon, dass Ortegas Soldaten keine Zeit verloren hatten. Eine Staubwolke rollte auf ihrer Fährte heran. Shannon blieb keine Wahl, als hinter Santillo in die Ausläufer der Sierra hineinzujagen. Er hatte kein gutes Gefühl dabei. Etwa so wie am Pokertisch, wenn er mit dem Instinkt des erfahrenen Spielers witterte, dass er trotz eines guten Blattes im Begriff war, in eine Pechsträhne hineinzuschlittern und trotzdem nicht mehr aussteigen konnte.
Shannon konnte stolz auf sein Ahnungsvermögen sein. Doch eine Stunde später war das ein ziemlich armseliger Trost für ihn.
Santillo war ein Stück zurückgeblieben. Sein Ruf stoppte Shannon. Er wendete zwischen den steilen, in der Sonne glühenden Felsmauern und ritt zu dem Rebellenhäuptling zurück. Santillo war abgestiegen, stand lässig neben dem Pferd und trank aus der lederüberzogenen Sattelflasche. Er benahm sich ganz so, als gäbe es weit und breit keine Gefahr mehr. Dabei wusste Shannon genau, dass die Soldados nicht mehr als zwei Meilen hinter ihnen waren.
Santillo grinste.
„Hast du's dir inzwischen nicht doch anders überlegt, Gringo?“
„Nein.“
„Dachte ich mir“, nickte Santillo. zog seinen 45er Colt und richtete ihn auf Shannon. Du bist einer von den wenigen Hombres, die jederzeit zu ihrem Wort stehen. Ich hab ’nen Bück dafür.“
„Willst du mir deswegen 'ne Kugel geben?“
Der Falke von Chihuahua lachte.
„Nur, wenn du dich weigerst, mir dein Pferd zu überlassen, das ja ohnehin Ortega gehört. Tut mir leid. Gringo. Mein Gaul lahmt nämlich. Auf dem schaffe ich keine halbe Meile mehr.“
Der Colthammer klickte. Shannon erkannte die eiserne