Shannon und der Falke von Chihuahua: Shannon 20. John F. Beck

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Shannon und der Falke von Chihuahua: Shannon 20 - John F. Beck

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Jammern, auch wenn Shannon wusste, dass die Chancen eines Mannes zu Fuß in dieser Wildnis höchstens eins zu hundert standen. Irgendwie schaffte er ebenfalls ein Grinsen.

      „Was hättest du getan, wenn ich mich entschlossen hätte, doch bei euch mitzumachen?“

      „Dich trotzdem zurückgelassen!“, gab Santillo unumwunden zu. „Aber so fällt es mir leichter. Du musst das verstehen, Gringo. Ich hab nichts gegen dich, im Gegenteil. Aber die Revolution braucht mich! Meine Leute sind ohne mich ein wilder, zügelloser Haufen, der keine Chance hat, Delgado von seinem selbsterrichteten Thron zu stürzen. Glaub mir, Gringo, ich spaße nicht: Es gibt nur einen Mann, der diesen Schurken und Ausbeuter stürzen kann, und der bin ich.“

      Er prahlte nicht, er war felsenfest von dieser Behauptung überzeugt. Sein Handeln war typisch für den Mann, den Leute wie Delgado und Ortega in den tiefsten Höllenschlund verdammten, während die Peones, die Dörfler, die Armen und Unterdrückten ihn als Befreier bejubelten. Zu Recht? Eins war sicher: Santillo mochte viele Fehler haben, aber er war keiner von den vielen Bandenhäuptlingen, die vorgaben, für die Freiheit zu kämpfen und in Wahrheit nur an Beute dachten.

      Nachdenklich runzelte Shannon die Stirn.

      „Und danach? Auch wenn du es schaffst, die Regierung wird einen anderen Mann schicken, der Delgados Platz einnimmt ...“

      „Vielleicht einen besseren. Wenn nicht, dann werden meine Amigos und ich eben weiterkämpfen. Aber ich habe jetzt keine Zeit, mit dir darüber zu streiten, Gringo. Steig ab! Ich brauch dein Pferd. Du kannst dir vielleicht gegen die Soldados eine Chance ausrechnen, nicht gegen mich. Ich warne dich. Ich werde sofort schießen.“

      3

      Shannon beobachtete von einer schmalen Felsleiste aus, wie kurz darauf die Soldados das zurückgelassene lahmende Pferd fanden. Er lag wie hingeklebt dort oben. Ortega, der wieder mit von der Partie war, gab ahnungslos genau unter ihm mit einer Handbewegung das Signal zum Halten. Er thronte wie ein siegreicher Feldherr im Sattel, dabei krampfhaft bemüht, sich nichts von der Nachwirkung des Hiebes anmerken zu lassen, den Shannon ihm verpasst hatte. Sein junger uniformierter Diener war sofort zur Stelle, um mit einem Rosshaarwedel eifrig den Staub von Ortegas Jacke zu putzen. Bei anderer Gelegenheit hätte Shannon vielleicht über diese Szene gegrinst, nicht jetzt. Wenn einer von den Soldados ihn hier oben entdeckte. dann nützte ihm auch der Revolver nichts mehr, den der ,Falke von Chihuahua' ihm großzügigerweise gelassen hatte.

      Shannon war nicht scharf darauf, den Heldentod auf der heißen Erde von Mexiko zu sterben. Er spürte seinen Herzschlag bis in die Kehle. Schweißbäche sickerten über sein schmales, sonnengebräuntes Gesicht. Die Schussnarbe an seiner rechten Schläfe juckte verdammt unangenehm. Das Durcheinander der rauen Stimmen drang deutlich zu ihm herauf. Es war nicht sein erster Abstecher über die Grenze. Er beherrschte die Sprache dieses Landes wie seine eigene.

      „Sieh dir die Spuren an. Valdez!“, befall Ortega einem sichelbärtigen, lederhäutigen Soldado, dessen dunkle Hautfarbe mindestens Dreiviertel Indianerblut verriet. Valdez bewies gleich darauf, dass er ein Mann vom Fach war. Vielleicht konnte er sich auch deshalb die ziemlich lässige Ehrenbezeigung und das piratenhafte Grinsen gegenüber dem Capitan leisten.

      „Nur ein Mann ist auf dem Pferd geflohen, Señor Capitan, sonst müssten die Hufabdrücke tiefer sein. Ich wette, es ist Santillo. Denn da drüben sind Stiefelspuren, die sich auf dem Felsboden verlieren. Sie stammen von dem Gringo, der sich Shannon nennt.“

      Ortega lachte. Es hörte sich an wie das Brechen von Glas.

      „Dann haben wir ihn bereits! Ein Mann zu Fuß in der Sierra! Das ist ungefähr so, als würde ein Käfer hilflos in einem Steinbecken herumkrabbeln. Dabei hat er nicht mal die Wasserflasche mitgenommen!“

      „Aber die Landkarte in der Satteltasche fehlt, Señor Capitan!“, meldete ein anderer Soldat hastig.

      „Um so besser!“, triumphierte Ortega.

      „Dann weiß er, dass es die einzige Wasserstelle weit und breit sechs Meilen nördlich von hier gibt. Dann brauchen nur ein paar Mann hinzureiten und dort auf ihn zu warten. Lopez, Alvaro, Carranza! Ihr übernehmt das! Bringt mir den Gringohund lebend, wenn es geht, aber zögert nicht, ihn voll Blei zu pumpen, wenn er sich widersetzt.“

      „Zu Befehl, Señor Capitan! Drei Hände zuckten militärisch hoch. Drei schwarze Augenpaare blitzten entschlossen. Es waren gefährlich aussehende Burschen, die ihre struppigen Kavalleriepferde aus der Gruppe lösten und nach Norden davonsprengten. Ortega winkte herrisch.

      „Ihr anderen, mir nach! Wir werden diesmal nicht ruhen, bis wir den verfluchten Rebellenschuft zur Strecke gebracht haben!“

      „Und das Pferd, Señor Capitan?“

      „Erschießt es! Es lahmt ja. Wir haben noch zwei Reservetiere, und wir werden auch Santillos Pferd bekommen. Er ahnt nicht, dass noch andere Militärpatrouillen die Berge zwischen hier und dem Rebellenschlupfwinkel durchkämmen. Sie werden ihn uns direkt in die Arme treiben. Ich sehe ihn schon vor den Gewehren meines Erschießungskommandos auf dem Hof des Gouverneurspalastes.“

      Shannon juckte es in den Fingern, dem uniformierten Menschenjäger einen dicken Strich durch die Rechnung zu machen. Seine Faust schloss sich fester um den Knauf des Armeerevolvers, den er dem Capitan abgenommen hatte. Aber Shannon war kein Mann, der aus dem Hinterhalt auf einen Gegner feuerte.

      Und im Grunde wollte er nur eines: mit heiler Haut aus der Sache herauskommen und über die Grenze verschwinden.

      Ein Schuss krachte, ein letztes klägliches Wiehern, dann jagten Ortega und seine Soldados zwischen den Felsen davon. Shannon wartete zehn Minuten, bis er sicher war, dass keiner zurückkam, dann kletterte er hinab. Es war heiß und still. Shannon nahm die Wasserflasche vom Sattel des toten Pferdes. Dann kramte er die Armeekarte hervor und suchte auf ihr die Wasserstelle, zu der Ortega drei seiner Leute geschickt hatte. Sechs Meilen Luftlinie. Das bedeutete in diesem Gewirr von Felsmassiven, Schluchten. Arroyos mindestens die doppelte, wenn nicht dreifache Entfernung für einen Mann, der zu Fuß dorthin wollte.

      Shannon zögerte nicht lange. Er marschierte entschlossen los, so verrückt das auch sein mochte. Aber Revolver und Wasserflasche nützten ihm nicht viel, solange er kein Pferd hatte, das ihn aus dieser Todeszone heraustrug. Es gab nur eine Lösung: er musste es sich von Ortegas Soldaten holen. Also biss Shannon die Zähne zusammen, als ihm nach ein paar Stunden die Knie weich wurden und die mörderische Sonne jede Feuchtigkeit aus seinem Körper herauszubrennen schien. Kein Mann des Sattels wäre von so einem Marsch begeistert gewesen. Zum Glück trug Shannon nicht die üblichen hochhackigen Cowboyboots, sondern Weichlederstiefel mit flachen Absätzen, in denen er verhältnismäßig gut vorankam.

      Die Hitze war wie ein Bleipanzer, der ihm die Brust zusammendrückte. Felsen. Felsen. Felsen! Dazwischen Sandstreifen, Dornbüsche, Kakteen. In dieser gottverlassenen Gegend war nichts von dem Mexiko zu spüren, das Shannon mochte: Das Mexiko der grünen Täler, weißen Häuser, der Palmen und Olivenhaine, aus deren Dämmerschatten weiche Marimbaklänge drangen. Shannon zog eine saure Grimasse, als er an den im Steinbecken herumkrabbelnden Käfer dachte, den Ortega erwähnt hatte. Ein nur zu passender Vergleich! Denn nach ein, zwei weiteren Stunden deutete noch immer nichts darauf hin, dass dieser verlorene Punkt namens Shannon jemals wieder aus diesem gigantischen Steinhaufen herauskommen würde. Aber wenn Shannon sich einmal an einem Ziel festgebissen hatte, dann konnte ihn höchstens noch eine gut gezielte Revolverkugel stoppen.

      Er gab nicht auf!

      Er wusste nicht, wie viele Meilen und Stunden hinter

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