Selbstmanagement – mit Coachingtools. Thomas Hanstein
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Im Gegensatz zu Freud verstand der amerikanische Psychologe Milton Erickson den Bereich des Unbewussten als „Instanz voller ungenutzter Ideale“ (ebd.). In dem von ihm entwickelten → hypnotherapeutischen Zugang wird in der Hypnose – und daraus weiterentwickelten Strategien – der Weg zum Unbewussten gesehen. Indem sich durch – wenn auch kurzzeitig – gelöste psychische Zustände alte Muster in den Hintergrund schieben, können verinnerlichte Glaubenssätze und Denkmuster ihre bisherige Kraft verlieren. Durch das innere Erleben neuer Muster in der Trance und Hypnose wird der Erfahrungsschatz des Klienten geweitet. Auf diesem Körpergefühl kann Coaching effektiv aufbauen. Roth und Ryba verweisen in diesem Kontext auf neurowissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen „ein Zustand konzentrierter Aufmerksamkeitsfokussierung tatsächlich die Reorganisation von Gedächtnisinhalten“ (ebd.) begünstige.
Der klassische → verhaltenstherapeutische Ansatz nach John Watson und Burrhus Skinner geht davon aus, dass „psychische Störungen das Resultat dysfunktionaler Lern- und Konditionierungsprozesse“ (ebd., S. 52) sind. Da diese Sicht ebenso problematisierend vorgeht wie die Psychoanalyse, wird ihr auch wenig Relevanz für das Coaching beigemessen. Hinzu kommt als Grund, dass Verhaltensänderungen – neurologisch und lerntheoretisch betrachtet – auf der oberflächlichen und kognitiven Ebene wenig Nachhaltigkeit und Tiefe evozieren. Kritisch zu bewerten ist ebenfalls das dahinterliegende Modell des Behaviorismus, da dieses im Widerspruch zum Menschenbild im (hier vertretenen Ansatz von) Coaching steht.16
Der → gestalttherapeutische Zugang nach Fritz Perls überträgt die Bereiche Bewusstsein und Unbewusstsein auf das Figur-Grund-Modell. Die „Figur“ steht hier für das Bewusste und der „Grund“ für den unbewussten Teil der Psyche (und Persönlichkeit). Perls differenzierte drei Weisen der Bewusstheit: erstens, den Kontakt zu sich selbst, den zur Mit- und Umwelt, und drittens „das Wahrnehmen des Zwischenreichs der Phantasie“ (ebd.). Aus diesem Ansatz lässt sich die Bedeutung von Körpersignalen für ganzheitliches Coaching ableiten: „Körperliche Empfindungen stehen einem Menschen fortwährend als Informationsquelle zur Verfügung.“ (ebd.) Da diese aber nicht bzw. selten ins Bewusstsein treten, regen Roth und Ryba an, die Aufmerksamkeit auf die limbische Ebene zu lenken – dorthin, wo vegetative Vorgänge stattfinden (wie Herzschlag und Atemrhythmus). Die Gestalttherapie deuten sie als „Widerstandsanalyse“ – ähnlich der Psychoanalyse nach Freud’scher Prägung –, wobei die psychischen Widerstände nicht auf der kognitiven Ebene gedeutet, „sondern dem Klienten als Gestalt erfahrbar gemacht“ (ebd.) werden. Nicht das Warum der Vermeidungshaltung ist demnach entscheidend, sondern das Wann. Entsprechend kann im Coaching mit einem veränderten Selbsterleben gearbeitet werden.
Ergänzend dazu fügt sich das → körpertherapeutische Konzept nach Wilhelm Reich an. Nach diesem werden innerpsychische Konflikte auf den Körper übertragen (benannt in Begriffen wie „Charakterpanzer“ und „Muskelpanzer“). Bedeutsam ist hieran, dass – im Coaching – der Fokus auf die vorsprachliche Ebene gelenkt – und diese praktisch genutzt – werden kann. Roth und Ryba konstatieren, dass „körperorientierte Ansätze aktuell jedoch kaum genutzt“ werden würden, dass deren weitere Einbeziehung ins Coaching jedoch „zwingend erforderlich“ sei, „weil sie die tieferen limbischen Ebenen erreichen können“ (ebd., S. 53).
Das → systemische Modell nach Nicklas Luhmann sieht Menschen immer in Systeme, deren Regeln und auch Sanktionen eingebunden. Ergänzend scheint diese Perspektive durch den Blick auf die „Interaktion zwischen Personen und ihre rekursiven Wechselbeziehungen“ (ebd.). Bezüglich eines – reinen – systemischen Ansatzes im Coaching geben Roth und Ryba zu bedenken, nicht zu verkennen, „wie tief Erlebens- und Verhaltensmuster in die Psyche eingegraben sind“ (ebd., S. 54). Insofern gelte es, eine „integrative Coaching-Praxis“ (ebd., S. 50) zu entwickeln.
Zwischenertrag: Praktische Implikationen für Coaching
Aus diesen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen ergeben sich praktische Konsequenzen:
✓ Die angezielte – d. h. von Seiten des Klienten gewünschte – Änderung des Verhaltens oder (gesteigert) von Handlung oder (gar) Haltung ist nicht über Verstand und Vernunft möglich.
✓ Nur emotional – positiv – konnotierte Ziele haben die Chance, nachhaltig umgesetzt zu werden. Am nachhaltigsten ist die Zielformulierung auf der Haltungsebene.
✓ Dazu kann im Coaching das emotionales Erfahrungsgedächtnis genutzt werden. Der Körper als Sitz erlebter Erfahrungen sollte dabei nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. weiterführend die Kap. zu somatischen Markern, inneren Bilder, Embodiment).
✓ Beschreibungen sind nachhaltiger (weil für Entwicklung offener) als die Formulierung von Beurteilungen.
✓ Die Beschreibung von Zielen ist erst sinnvoll, wenn der Klient innerlich nicht mehr am Problem „klebt“ (vgl. weiterführend die Kap. zur Gesprächs- und Prozess-Struktur, speziell zur Musterunterbrechung). Denn Lösungen lassen sich am nachhaltigsten in einer buchstäblich gelösten Stimmung erarbeiten.
✓ Zielführend ist es, personen- und situationsadäquate Motivatoren herauszufinden, die auf dem Weg zur Zielsuche und Lösungsformulierung authentische Unterstützung bieten können.
✓ Integratives Coaching sollte nach Roth und Ryba auf den drei Persönlichkeitsebenen „explizit-bewusst“, „implizit-prozedural“ sowie „auf der Ebene des Körpers“ stattfinden (vgl. Roth/Ryba, 2017, S. 54).
Im O-Ton: „Nur wenn auf allen drei Ebenen interveniert wird, kann eine nachhaltige Wirkung erwartet werden.“ (ebd.)
Die Bedeutung (organisations-)theoretischer Ansätze
Wie entscheidend der theoretische Zugang für das, was Begleitung – jedweder Couleur – will, kann und tut, ist, macht Astrid Schreyögg am Vergleich zwischen Coaching und Supervision deutlich. Ähnlich verhält es sich mit allen anderen, oben genannten, Formen.17 Ausgehend von der Beobachtung, dass „Supervision (…) nicht mehr in zu sein“, scheint, da auch „Psychologen (…) ihren Fokus sehr stark auf das Coaching verlagert“ hätten, (Schreyögg, 2017, S. 15), betont Schreyögg die unterschiedlichen Konzepte in beiden Formaten. Wichtig erscheint diese Differenzierung praktisch auch aufgrund der Beobachtung, dass Psychologen nicht selten davon ausgehen, mit Studium und Therapeutenausbildung sowohl das eine als auch das andere Angebot abdecken zu können. Im Bereich schulischer Unterstützungsangebote verhält es sich z. B. so,18 dass Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter und Supervisoren in aller Regel auch Anfragen zum Coaching übernehmen – ob sie dazu eine eigene Ausbildung vorweisen können oder nicht. Insofern kann diese exemplarische Differenzierung von Schreyögg – entsprechend der theoretischen Zugänge – als grundsätzlicher Hinweis für die eigene Standortbestimmung und die Reflexion über das Berufsprofil des Coachs (und Supervisors) verstanden werden. Bezüglich dieser beiden Formen scheint hier wichtig:
• Die Supervision kommt traditionell im sozialen Bereich zum Einsatz, ihr Schwerpunkt liegt auf der Beziehungsgestaltung und der Beratungsaspekt