Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Jugend des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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Hof schlecht steht, ein königliches Edikt, das die Glaubensfreiheit den Protestanten zusichert, aber schon tags darauf wird es gebrochen. Und hielte man es selbst ein, wieviel ist für unsere Glaubensbrüder denn gewonnen? Zwanzig Meilen muß ein Hugenotte reiten oder laufen, wenn er zum Gottesdienst will: so wenig Bethäuser sind ihnen erlaubt. Ich mag das nicht, wenn einer vergebens siegt.

      Natürlich ist er ein ausgezeichneter Feldherr und Glaubensheld. Wir von der Religion sind eine Minderheit, und fürchten sie uns dennoch, so fürchten sie den Herrn Admiral, und schicken sie uns Unterhändler, dann fragen uns diese: Wißt ihr wohl auch, daß ihr keine Bedeutung hättet für den Hof, außer durch den Herrn Admiral? Nun aber sieh ihn dir an, was ihm selbst an Gewinnen übrigbleibt nach einem Leben der wohlgemeinten Anstrengungen. Bis zu seinem alten Sieg von Saint-Quentin, der ihm so übel bekam, und seinen Feinden, den Guise, so gut, soll er ein mächtiger Günstling gewesen sein. Der verstorbene König lebte, er liebte Coligny, machte ihn reich, noch hatte Madame Catherine nichts zu sagen, und ihr Sohn Karl war ein Kind. Das waren seine Glanztage, wir waren nicht dabei. Jetzt sind auch wir dabei, was aber geschieht, eben jetzt, da wir sprechen? Sie versteigern in Parts seine Möbel, die sie fortgeschafft haben aus seinem Schloß Châtillon, und das ist von ihnen angezündet. Sie haben ihn verurteilt, als Aufrührer und Verschwörer gegen den König und seinen Staat gehängt und erdrosselt zu werden auf dem Grèveplatz. Sein Besitz ist eingezogen, seine Kinder sind für gemein und ehrlos erklärt, und wer ihn ausliefert lebend oder tot, bekommt fünfzigtausend Taler. Wir Jungen müssen uns wirklich vor Augen halten: der Herr Admiral hat dies alles erwählt um des wahren Glaubens willen und hat sich erniedrigt zum Ruhm Gottes. Denn sonst wäre es unverzeihlich!

      »Er hat den alten Herzog von Guise ermordet. Das wenigstens tat er für sich selbst, und eigentlich gefällt es mir von ihm am besten. Man soll sich rächen«, meinte der junge Condé.

      Sein Vetter Henri erwiderte darauf: »Mörder mag ich nicht leiden - und der Herr Admiral ist auch keiner. Er hat die Mörder nur nicht abgehalten.«

      »Was sagt sein Gewissen dazu?«

      »Daß es Unterschiede gibt«, erwiderte darauf Vetter Henri. »Mord begehen ist abscheulich. Mörder schicken ist unerlaubt. Sie nicht abhalten, geht vielleicht - obwohl ich nicht genötigt sein möchte, mich so zu benehmen. Der Kardinal von Lothringen sollte trotzdem ein Faß voll Wasser schlucken müssen. Nur er und sein Haus sind die Urheber alles Unheils in Frankreich. Sie verraten das Königreich an Philipp von Spanien, damit er sie auf den Thron setzt. Sie ganz allein machen uns Protestanten verhaßt dem König und dem Volk. Auch wollten sie Coligny töten lassen, sie selbst haben angefangen, und er kam ihnen nur zuvor. Er sollte es vielleicht nicht abstreiten. Ich meinerseits glaube, daß Gott ihm recht gibt.«

      Condé widersprach, weil er nicht nur an die Ermordung des Herzogs von Guise dachte, sondern auch an seinen Vater, gefallen bei Jarnac, geopfert von Coligny. »Der Herr Admiral mochte meinen Vater nicht, der hatte ihm zu viele Liebschaften. Sonst hätte er nicht fallen müssen. Aber der Herr Admiral versteht sich mit seinem Gewissen zu einigen, und das lernst du wohl von ihm«, sagte der Junge herausfordernd.

      »Der Tod deines Vaters war nötig für den Sieg der Religion«, erklärte Henri ihm mitleidig.

      »Und für deinen! Seitdem bist du der Erste von uns Prinzen.«

      »Das war ich schon vorher durch Geburt«, sagte Henri schnell und plötzlich scharf. »Leider nützt das noch nichts, wenn man kein Geld und mächtige Feinde hat; wenn man kämpft wie ein Flüchtling, den sie fangen wollen. Was tun wir, um das alles zu ändern? Greifen wir an? Ja, ich! Am fünfundzwanzigsten Juni, den vergeß ich nicht, es war mein Tag und mein erster Sieg. Aber kann ich dem Alten meinen ersten Sieg vorhalten?«

      »Überdies war das Gefecht so unbedeutend. Der Admiral würde dir antworten, daß du dich bei La Roche Abeille zwar gut unterhalten hast, wir mußten uns aber doch in feste Plätze verkriechen und die Deutschen erwarten. Als aber die Reiter endlich ankamen?«

      Condé wurde laut und böse.

      »Da haben wir uns beeilt, so viele Truppen wie möglich der Königin von Navarra zu schicken, um ihr Land vom Feind zu säubern. Das büßen wir jetzt.«

      »Du büßt gar nichts. Du hast alle Tage ein anderes Mädchen.«

      »Du auch.«

      Beide Jungen ließen die Zügel ihrer Pferde los und traten vor, um einander anzusehen bis ins Weiße der Augen. Condé zeigte sogar eine geballte Faust. Henri übersah sie; vielmehr warf er plötzlich beide Arme um den Hals des Vetters und küßte ihn. Dabei dachte er: ›Etwas neidisch, etwas schwach, aber doch mein Freund, und wenn nicht, muß er's werden!‹

      Auch Condé umarmte seinen Vetter. Als sie sich trennten, hatte er trockene Augen, Henri aber hatte feuchte.

      Die Entsendung von Truppen nach Béarn lohnte sich, denn dort siegten sie. Das mußte den Herren in Paris zu denken geben, meinte der Sohn Jeannes - und auch der Dame Katharina mußte schwül werden in ihrem alten Fett. Wir stehen mit dem größten Teil des Heeres in Poitou, auf halbem Weg nach der Hauptstadt des Königreichs, wir wollen es uns holen, wo es ist! Gleich!

      Beide verlangten vorgelassen zu werden, und Coligny empfing sie, obwohl es ihm schwer wurde, ihnen ein festes Gesicht und unbeirrbares Gottvertrauen zu zeigen: zu viele Schläge des Herrn trafen ihn eben jetzt. Aber der Protestant erwies sich stark im Unglück, der Prüfungen bewußt, die er bestehen sollte. Niemand ging es an, welches Elend ihn ergriff, wenn er allein blieb, in einigen Stunden der Nacht, da sogar der Höchste nicht mehr zu erkennen war. Besonnen hörte er die erregten Jungen an.

      Der Vetter war wilder als Henri. Ohne Höflichkeit verlangte er von Coligny den Marsch auf Paris. Er nannte ihn zaghaft, weil er keine Entscheidung suchte, sondern vor der Stadt Poitiers lag und sie nicht nehmen konnte. Inzwischen sammelte der Feind seine Kräfte.

      Der Admiral betrachtete die beiden, den, der so stürmisch auftrat, und den, der schwieg und wartete. Der erfahrene Mann wußte genau, wessen Wille und Gedanke hier eigentlich laut wurde; daher richtete er seine Antwort nicht an Condé, sondern an Navarra. Er erklärte ihm, der Feind verlegte ihm den Weg in zu starken Stellungen, er selbst könnte nichts weiter suchen, als die Verbindung mit seinen nach Süden entsandten Truppen, und - hier erhob er den Finger er müßte dafür sorgen, daß die fremden Reiter ihren Sold bekämen. Sonst liefen die ihm weg. Er selbst hatte schon seinen Familienschmuck geopfert, bevor er zuließ, daß die Reiter sich selbst ihren Sold holten. Dies verschwieg er. Ein Christ rühmt sich des Opfers nicht, und auch ein stolzer Mann nicht. Daher ließ Coligny den jungen Prinzen Henri reden und ihm Unrecht tun.

      »Sie erlauben, das Land zu plündern. Herr Admiral, ich bin noch jung, ich kenne den Krieg nicht so lange wie Sie. So habe ich ihn mir nicht gedacht, das Fremde, anstatt mit uns Schlachten zu schlagen, unsere Dörfer anzünden und unsere Bauern foltern, bis sie ihr Letztes hergeben. Die Nachzügler ihres Heeres werden vom Landvolk niedergemacht wie schädliche Tiere, wir hingegen rächen uns jedesmal furchtbarer an den Menschen, die unsere Sprache sprechen.

      »Aber unseren Glauben bekennen sie nicht«, erwiderte der Protestant mit der tragischen Stirn. Henri biß die Zähne zusammen, sie hätten sonst Worte herausgelassen - nur mit Schrecken hörte er sie in seinem Innern klingen, denn sie waren gegen die Religion.

      »Das alles kann nicht Gottes Wille sein«, sagte er.

      Coligny entschied: »Was Gottes Wille war, mein Prinz, werden Sie am Ende des Feldzuges wissen. Jedenfalls hat der Herr mich noch für Taten aufgehoben, denn schon wieder fing die Wache einen Mörder, den die Guise mir geschickt hatten.«

      Er

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