Das Digital Transformer's Dilemma. Hannah M. Mayer
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SOFTWARE VERSCHLINGT DIE WELT – UND UNTERNEHMEN WISSEN IMMER NOCH NICHT, WIE SIE SICH ANPASSEN SOLLEN
Digitalisierung ist kompliziert, aufregend und risikoreich. Die Möglichkeit selbstfahrender Fahrzeuge hat in der Automobilindustrie zu einem radikalen Umdenken und dem Auftauchen neuer Wettbewerber geführt (zum Beispiel große Tech-Unternehmen). Heute schon kann man einen Arzttermin über das Telefon vereinbaren, während man in der U-Bahn zur Arbeit fährt. Und schätzen wir nicht alle die Möglichkeit, online nach Immobilienangeboten zu schauen, anstatt zu Dutzenden von Objekten fahren zu müssen? Allerdings birgt die Digitalisierung auch Risiken für Unternehmen. Neben dem vielbeachteten Scheitern von Nokia1 und Kodak2 erinnern Sie sich vielleicht an die Halbierung der Digitaleinheit bei Nike, an Lego, das seinem virtuellen Bauprogramm »Digital Designer« die Finanzierung entzog, und an P&G, das sein ehrgeiziges Ziel, das »digitalste Unternehmen des Planeten«3 zu werden, nicht erreichte. Auf jeden Fall werden Sie sich sicherlich gefragt haben, wie durch die Digitalisierung Ihr Job beeinflusst wird – besonders vor dem Hintergrund, dass 60 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse zu mindestens 30 Prozent aus Tätigkeiten bestehen, die »wegautomatisiert« werden könnten, und weil als Ergebnis von Automatisierung und Digitalisierung maßgeblich veränderte Fähigkeiten erwartet werden4. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nur zu verständlich, dass Individuen und manchmal ganze Beschäftigungsgruppen die Digitalisierung fürchten.
Digitalisierung beeinflusst, wie wir leben, arbeiten, kommunizieren und wie wir Produkte und Dienstleistungen konsumieren. Sie hat gewaltige Auswirkungen darauf, wie Unternehmen operieren – weil bestehende Regeln und bis dahin geltende Erfolgsmethoden sich nun schneller ändern als je zuvor.5 Bestehende Unternehmen sind durch aufkommende Start-ups und Tech-Player bedroht, während die traditionellen Grenzen zwischen den Industrien verschwimmen. (Man denke an Google und dessen Einstieg in den Bereich des Gesundheitswesens und der Biowissenschaften, als es sich an Themen wie Krebserkennung und Diabetes-Diagnose wagte.) Digitalisierung bringt auch Herausforderungen wie zunehmende Konkurrenz aus China mit sich (die mögliche Expansion von Alibaba in Nordamerika und Europa), drastische Verlagerungen der Kundenpräferenzen (Verlagerung vom Fernsehen auf Streaming-Dienste) und neue digitale Phänomene wie Ökosysteme und Plattformen (fällt Ihnen ein Betriebssystem für Mobiltelefone ein, das nicht gleichzeitig eine Plattform für Tausende von unabhängigen Software-Entwicklern ist?).
All diese Trends haben in den letzten Jahren an Geschwindigkeit gewonnen. Trotzdem haben wir festgestellt, dass überraschend wenige etablierte Unternehmen eine klare Vorstellung davon haben, wie sie durch den Wandel navigieren sollen, den die Digitalisierung mit sich bringt. Sie alle werden jedoch, wenn sie auch in Zukunft Erfolg haben wollen, ihren Ansatz radikal überdenken müssen. Die schlechte Nachricht: Ein wenig »digitalen Glitter« über das Kerngeschäft etablierter Unternehmen zu streuen, wird nicht ausreichen. Stattdessen ist eine generelle Neuausrichtung nötig – eine digitale Transformation.
Es mag furchterregend klingen, doch tatsächlich ist eine Transformation dieses Ausmaßes nichts Neues. Denken wir an die fundamentalen Umbrüche in der Arbeitswelt, die mit der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert einhergingen. Die Digitalisierung der Wirtschaftswelt wird ähnlich weitreichende Auswirkungen haben. Transformationen passieren ständig, in allen Unternehmen. Aber das Tempo und die Auswirkungen der digitalen Transformation sind beispiellos und werden deshalb tiefgreifende Veränderungen in unserer Wirtschaft und Gesellschaft antreiben.
Von einer grundlegenden ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Perspektive aus betrachtet erwächst die Schönheit und Macht der Digitalisierung aus der Tatsache, dass jedes digitale Abbild perfekt repliziert und an eine praktisch unbegrenzte Anzahl an Kunden übermittelt werden kann – und das beinahe ohne jegliche variablen Kosten.6 Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: beinahe ohne variable Kosten. Diese grundlegende Tatsache bedeutet, dass wenn eine digitale Technologie eine analoge ersetzt, die damit einhergehende Veränderung umfassend sein wird, gelinde gesagt, und sich somit fundamental auf die von dieser Technologie betroffenen Unternehmen und Industrien auswirken wird. Die Unternehmen, welche daraus den größten Gewinn ziehen können, sind die reinen Digital Natives. Für sie fällt jegliche Größenbegrenzung weg, während die Kosten im Zusammenhang mit der Skalierung des Geschäfts überschaubar sind. Währenddessen sind etablierte Unternehmen weiter an eine Reihe von Einschränkungen gebunden, die in der nicht-digitalen Ausrichtung ihres Kerngeschäfts wurzeln. Nichtsdestotrotz können auch etablierte Unternehmen die Vorteile der Digitalisierung für sich nutzen.
Diese fundamentale Veränderung in der Wirtschaftswelt, die durch die Digitalisierung ausgelöst wurde, lässt eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten entstehen, von denen Unternehmen profitieren können. Und im Grunde ist es genau dieser disruptive Charakter, der die digitale Transformation strukturell von typischen »Wald-und-Wiesen-Transformationen« unterscheidet, wie zum Beispiel Transformationen zur Kostensenkung, die gleichermaßen für Manager und Angestellte längst zum Alltagsgeschäft gehören.
Mit anderen Worten: Eine echte digitale Transformation ist nicht einfach der Einsatz von Informationstechnologie, um die traditionellen Geschäftsmodelle zu unterstützen. Stattdessen ist eine duale Transformation notwendig: Es muss sorgfältig darüber nachgedacht werden, a) wie der traditionelle Kern des Unternehmens von Digitalisierung profitieren kann und wie man gleichzeitig b) neue (digitale) Wege erkunden und nutzen kann, um neue Nutzenversprechen für die Kunden zu erschaffen. Dazu gehört eine fundamentale Neuausrichtung des gesamten Unternehmens, das nach der digitalen Transformation einem dualen Geschäftsansatz folgen muss.
Historisch hatte die Digitalisierung einen wichtigen, doch etwas gezügelten Einfluss auf Unternehmen, weil sie beinahe als eine Art »Schönfärberei« eingeführt wurde, mit deren Hilfe Arbeitsprozesse zwar teilweise digitalisiert, aber nicht grundlegend verändert wurden. Die meisten Unternehmen überdachten ihr Geschäftsmodell nicht grundsätzlich. Im Gegensatz dazu hat ein Unternehmen, dessen Geschäft vollends auf digitale Produkte und Services ausgerichtet ist, vollkommen verschiedene Prozesse und Strukturen. Während Ersteres – die Digitalisierung des Kerngeschäfts – wichtig für jede digitale Transformation ist, liegt die Zukunft in Letzterem – dem digitalen Geschäft. Zum Beispiel denke man an den extremen Fall von reinen Online-Akteuren, die einzig im digitalen Raum operieren: Es ist keine menschliche Einbindung erforderlich, wenn ein Preis bei Amazon verändert wird. Ähnlich bei Facebook, wo es keine Überprüfung durch Menschen gibt, ob ein neuer User beitreten darf. In der Folge gibt es keinen organisatorischen Flaschenhals und nahezu kein Limit in Hinblick auf die Skalierbarkeit dieser Unternehmen. Auch wenn wir uns in diesem Buch nicht auf die Digital Natives und Start-ups fokussieren, halten deren Geschäftsmodell und Strategie doch Lehrreiches für etablierte Unternehmen bereit, insbesondere dafür, wie sie den Aufbau des eigenen digitalen Geschäfts planen und sich damit auf unbekanntes Terrain