You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson. Jermaine Jackson

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aber sie achtete darauf, dass uns trotzdem Zeit zum Spielen blieb. Wir fuhren nicht nur Go-Karts, Einkaufswagen-Eisenbahn oder Karussell, sondern auch Fahrrad (Teile, die Tito uns ebenfalls aus Rahmen und Reifen vom Schrottplatz zusammenbaute), und wir gingen Rollschuh laufen, noch mit diesen Vorrichtungen, bei denen die Rollen mit Spannbacken an die Schuhsohlen montiert wurden, natürlich auch gebraucht gekauft. Nur zu gern spielten wir draußen auf der Jackson Street, mit Mutters Ermahnung im Ohr: „Aber ihr geht nicht weiter als bis zu Mr. Pinsens Haus!“ Mr. Pinsen war unser Baseballtrainer und wohnte zehn Hausnummern weiter.

      Viel Spaß machte es auch, mit der Familie zum Camping in die Wisconsin Dells zu fahren, wo wir dann mit Joseph angeln gingen und er Jackie, Tito und mir zeigte, wie man Köder am Haken befestigte. Wir übernachteten immer in der Nähe alter Indianerstädte und wanderten auf den traditionellen Pfaden, um unserer Vorfahren zu gedenken. Wir waren in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass in unseren Adern das Blut der Choctaw und Schwarzfußindianer floss; ein Umstand, der unter anderem Körpermerkmale wie unsere hohen Wangenknochen, die vergleichsweise helle Haut und die haarlosen Oberkörper erklärte.

      Zu Hause sahen wir viel fern, und natürlich gab es immer Streit zwischen Jackie, der Sport gucken wollte, Michael und Marlon, die für Trickfilme mit Micky Maus und Bugs Bunny waren, und mir, der ein großer Fan von Maverick mit James Garner war. Die einzigen Sendungen, auf die wir uns alle einigen konnten, waren die Comedy-Shows der drei Stooges, Flash Gordon und Western, in denen Randolph Scott mitspielte. Den drei Stooges haben wir es zu verdanken, dass wir die Liebe zum mehrstimmigen Gesang entdeckten, denn das Intro ihrer Sendung, das in Dreier-Harmonie gesungene „Hello … Hello … Hello …“ war das Erste, was wir gemeinsam ausprobierten, wenn wir mit Mutter am Spülbecken standen.

      Zum Fernsehen kuschelten wir uns alle neben Mutter aufs Sofa. Es steht mir heute noch lebendig vor Augen, wie sie in der Mitte Platz nahm und Michael quer auf ihrem Schoß lag, das Gesicht dem Bildschirm zugewandt, ich daneben, während sich La Toya auf dem Fußboden auf der einen Seite an Mutters Beine schmiegte und Marlon (später auch Janet) auf der anderen Seite ans Sofa gelehnt dasaß. Tito und Randy lagen auf dem Fußboden, und Rebbie und Jackie saßen auf dem Sessel oder einem Küchenstuhl. In den heißen Sommern klemmten wir einen Ventilator in das offene Fenster, der kühle Luft in den Raum blies. Michael hielt gern sein Gesicht davor, wenn das Gerät auf höchster Stufe lief, und summte vor sich hin, ganz fasziniert davon, wie der Luftstrom seine Stimme schwanken ließ.

      Im Winter war allerdings kein Mangel an kalter Luft, die durch alle Ritzen unseres schlecht isolierten Hauses in die Zimmer pfiff. Die harten Winter in Indiana drangen durch die papierdünnen Wände, und der Schulweg fühlte sich manchmal wie eine Expedition zum Südpol an. Bevor wir vom Basislager aus in den tiefen Schnee hinaustraten, sorgte Joseph dafür, dass Mutter einen Topf Kartoffeln kochte. Handschuhe konnten wir uns nicht leisten, und Mützen trugen wir nicht wegen unserer dichten Afro-Locken, deswegen steckten wir uns eine heiße Kartoffel in jede Manteltasche, um die Hände warm zu halten. Mutter rieb unsere Gesichter mit Vaseline ein, die sie wie Sonnenmilch einmassierte, vom Haaransatz bis hinunter zum Kinn und von einem Ohr zum anderen. Daher trocknete unsere Haut auch in den schlimmen Kälteperioden nicht aus, und die Sache hatte für sie noch einen weiteren Vorteil: „Damit seht ihr richtig glänzend, frisch, neu und sauber aus.“ Sie tat so, als sei die fettige Vaselineschicht gerade richtig in Mode. Wir maulten hingegen, dass andere Kinder keine Vaseline im Gesicht hatten, aber darauf pflegte sie zu erwidern, dass andere Kinder eben auch nicht so sauber aussähen wie wir.

      Mutter wünschte sich immer noch sehr, dass Joseph ihr endlich ein zusätzliches Zimmer anbauen würde, und solange sich immer noch die Steine in unserem Garten stapelten, verlor sie diesen Plan auch nicht aus den Augen. Wir waren nun, nach Randys Geburt, acht Kinder (Janet war noch nicht auf der Welt), aber wenn es einen Satz gab, der in unserem Haus immer wieder zu hören war – abgesehen von „Los, probiert es noch einmal“ –, dann Mutters Stoßseufzer: „Dieses Haus platzt aus allen Nähten.“ Sie hatte seit Titos Geburt ungefähr dreihundert Dollar angespart, und niemand traute sich vorzuschlagen, dass man dieses Geld gut für die geflickte Wasserleitung hätte verwenden können oder für einen neuen Fernseher: Es war Mutters wachsender Grundstock für ein weiteres Zimmer und daher unantastbar.

      Bis Joseph zum Segen unserer Gruppe eine einsame Entscheidung fällte. Eines Tages kam er mit dem VW-Kleinbus, der inzwischen seinen alten Buick ersetzt hatte, die Auffahrt zu unserem Haus hochgefahren und fing an auszupacken: Mikrofone, Ständer, Verstärker, Tamburine, ein Keyboard, Schlagzeug und Lautsprecher. Es war wie das Weihnachten, das wir nie feiern durften. Mutter war sprachlos vor Wut. „Joseph!“, rief sie und rannte nach draußen, während er immer noch mehr Instrumente zutage förderte. „Was hast du getan? Was sind das für Sachen?“ Wir waren so aufgeregt, dass wir gar nicht wussten, welches „Spielzeug“ wir zuerst ausprobieren sollten. Mutter rannte hinter Joseph her, der die Sachen ins Wohnzimmer schleppte. „Ich glaube das nicht! Wir können unseren Kindern nicht einmal neue Kleider kaufen, Jackie hat Löcher in den Schuhen, dieses Haus platzt aus allen Nähten, und du ziehst los und kaufst Instrumente?“

      Wie immer in unserer Familie hatte Joseph das letzte Wort. Er sagte, es sei eine notwendige Investition, um die Jungs zu unterstützen.

      Noch nie zuvor hatte ich erlebt, dass sich unsere Eltern stritten, weil Mutter normalerweise immer sofort nachgab, aber dieses Mal war Joseph zu weit gegangen. Zum einen hatte er sie nicht gefragt, zum anderen war er an ihre geheiligten Ersparnisse gegangen. „Du kriegst dein Zimmer, Katie“, versuchte er sie zu beschwichtigen. „Wir werden nach Kalifornien ziehen, und dann kaufe ich dir ein größeres Haus, aber unsere Jungs können ohne Instrumente nun mal nicht auftreten!“ In den nächsten Tagen hörten wir nachts immer wieder laute Stimmen aus dem Schlafzimmer. Mutter machte sich Sorgen, dass er Luftschlösser baute und uns Hoffnungen machte, die sich nie erfüllen würden. Joseph hingegen hielt daran fest, dass er das Richtige getan hatte, und bat um ihre Unterstützung. Das war seine Art, seine Liebe zu uns auszudrücken – er glaubte an unser Talent. Während Mutter uns mit ihrer Zuneigung und Zärtlichkeit überschüttete, steuerte Joseph das bei, was sie nicht vermitteln konnte: Selbstvertrauen und Überzeugung. Es waren Gegensätze, die uns aber mit all dem versorgten, was man von seinen beiden Eltern mitbekommen sollte. Mutter war jemand, der das Leben pragmatisch betrachtete, während Joseph eher bereit war, Risiken einzugehen und hoch zu pokern. Seine ruppige Liebe zu uns zeigte sich nicht in Streicheleinheiten, sondern in der Konzentration und Disziplin, die er in uns weckte, und in dem Respekt, den er einforderte. Es war eine Liebe, wie ein Football-Coach sie für sein Team empfindet, wenn er immer wieder das Motto ausgibt, dass es nur ums Gewinnen des nächsten Spiels geht. Er drückte seine Zuneigung anders aus, mit einem Schulterklopfen, einem Lächeln oder vielleicht einmal einem aufgeregten Händeklatschen. Anders wusste er uns nicht zu vermitteln, dass er uns liebte.

      Ein paar Wochen lang herrschte bei uns zu Hause dicke Luft, aber irgendwann beruhigte Mutter sich und beschloss, Joseph zu vertrauen, dass die Investition sich tatsächlich auszahlen würde. Wir bekamen allerdings überhaupt nicht mit, dass jetzt die Chips in unserem Namen aufs rote Feld geschoben wurden.

      Das Radio knisterte und knackte bei der Übertragung in jener Nacht im Jahr 1964, und das Haus war so still wie noch nie zuvor. „Guten Abend, liebe Sportfreunde im ganzen Land“, meldete sich der Box-Kommentator, „bald werden eure Fragen beantwortet. Liston in weißen Hosen mit schwarzen Streifen. Clay, eineinhalb Zentimeter größer, in weißen Hosen mit roten Streifen …“ Es faszinierte mich, dass uns dieser Mann so mitten ins Geschehen versetzen konnte und ein so lebendiges Bild von der Szene malte, dass wir sie selbst zu sehen glaubten. Josephs Spannung verstärkte sich, er saß vornübergebeugt auf dem Küchenstuhl direkt neben dem Radio, das auf einer kleinen Anrichte stand. „Der Schwergewichts-Weltmeister“, fuhr die Stimme fort. „Wenn dieser Kampf über die erste Runde hinausgeht, wäre das bereits eine Überraschung …“

      Wir hörten den Rundengong. Die Menge brüllte. Wir stellten uns vor, wie der Herausforderer – Cassius Clay, der Mann aus Louisville in Kentucky – mit einem Satz aus seiner Ecke sprang,

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