Wacken Roll. Andreas Schöwe

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wacken Roll - Andreas Schöwe страница 13

Wacken Roll - Andreas Schöwe

Скачать книгу

Eigentlich sollte man meinen, dass gerade in einer beschaulich-ländlichen Idylle wie Wacken erst einmal jeder Einwohner lärmenden Heavies und den viel zitierten „langhaarigen Bombenlegern“ gegenüber negativ eingestellt ist!

      Holger: Bereits in den ersten Jahren waren ja schon viele unserer Kumpels in die Organisation involviert, hatten sich gefreut, dass mal was anderes in Wacken los war als die üblichen Dorffeste. Der Rest nahm unser Tun dort in der Kuhle schlichtweg kaum wahr – die wurden erst 1996 so richtig hellhörig, als 10.000 Metalheads das Dorf überrannten und sich ein kilometerlanger Stau auf der Hauptstraße bildete. Stau – das kannte man bis dato in Wacken ja gar nicht! Da fragten sich dann alle: „Oh? Was geht denn hier ab? Ach so! Wacken:Open:Air!“

      Thomas: Allerdings gab es schon zur Jahreswende 1995/96 einige kontroverse Diskussionen innerhalb der Dorfgemeinschaft: Der Sohn eines Bauern hörte Heavy Metal, und dem Mann war das gar nicht recht. Der glaubte voll an jene Vorurteile, wie sie damals kursierten: Satanismus, und so … Also luden wir die Leute ein, mal in der Kuhle vorbeizuschauen und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass wir einfach nur Party feiern – und eben nicht Friedhöfe umgraben! Als Anfang Juli 1996 die Onkelz als Headliner bestätigt worden sind, hatten wir noch ein weiteres schönes Argument, das wir ins Feld führen konnten: „Kommt vorbei – da gibt’s deutschsprachige Stimmungsmusik! Das wäre doch sogar etwas für euch!“ Nicht gerechnet hatten wir dann allerdings mit dem Publikumsandrang. Wir hofften zwar auf 6.000 Besucher – dass aber knapp das Doppelte daraus wurde, überraschte uns selbst. Verstimmungen gab es hinterher nur wegen der Verschmutzungen im Dorf – mit der Musik hatte kaum jemand Probleme. Im Gegenteil: Viele Dorfbewohner erkannten, dass sich dazu recht gut mitfeiern lässt. Und hinsichtlich der Müllproblematik handelten wir ja auch in den Folgejahren konsequent.

      Holger: Ab Ende der Neunziger installierten wir den Biergarten, luden zudem weiterhin die Dorfbevölkerung ein, sich einen Tag ihrer Wahl lang bei freiem Eintritt auf dem Festivalgelände umzusehen. Zudem engagierten wir uns im sozialen Bereich, spendeten für den Kindergarten, die Schule, den Sportverein oder das Schwimmbad. Allerdings vermieden wir, daraus ein Politikum, das Heavy Metal ja in vieler Leute Augen nach wie vor darstellte, zu machen.

      Denn dann gibt es automatisch ein Pro und ein Kontra. Und wie will man jemandem, der der Materie argwöhnisch gegenüberstehen, erklären, was Heavy Metal eigentlich ist? Das geht gar nicht! Stattdessen versuchten wir von Anfang an Überzeugungsarbeit dahingehend zu leisten, dass wir uns etwas aufbauen, an dem auch die Dorfbevölkerung erfolgreich partizipieren kann. Dies passierte schließlich auch so: Das Dorf kam zunehmend auf uns zu. Erst, um sich zu informieren, dann – nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass dies doch eigentlich eine schöne Sache ist – um selbst dabei zu sein. So wuchs das alles quasi von selbst zu dieser Fan-Meile im Dorf, diesem riesigen Happening. Nicht, weil wir sie quasi dazu bedrängt haben, sondern weil sie es von sich aus toll finden, weil sie selbst ihre eigenen – positiven – Erfahrungen gesammelt haben.

      Woraus sich – wohl gemerkt: von selbst – diese einmalige „Wacken-Magie“ entwickelte …

      Holger: Eben! Ich kann ja nicht die Leute nach Wacken schleifen und ihnen eintrichtern, wie toll das alles hier ist. Denn Wacken – das sind nicht nur die Künstler und das Drumherum. Wacken – das sind die Metalheads, die hierher kommen, um vor der Bühne abzurocken. Wacken – das sind auch die Dorfbewohner, die ihren Gästen eine tolle Atmosphäre bieten! Und zu guter Letzt: Wacken – das ist kein Festival für Gott und die Welt, sondern eine einzigartige Party, bei der sich die internationale Metal-Community austoben, ihren Metal-Lifestyle unbedarft zelebrieren und ausleben sowie sich selbst feiern kann!

      Nach den ersten unbedarften Partys 1990/91 sowie nach dem ersten „richtigen“ Wacken:Open:Air 1992 kreisten verstärkt Gedanken der Art durch eure Köpfe: „Cool, wenn man mal eines Tages gänzlich davon leben könnte!“

      Holger: Zu der Zeit träumten wir alle sicherlich irgendwie davon. Da wir aber noch unseren regulären Jobs nachgingen, konnten wir uns alleine aus Zeitgründen nicht rein professionell auf das Festival konzentrieren. Damit man ein Jahr lang davon leben kann, muss man auch das gesamte Jahr über aktiv sein. Wir versuchten deshalb ab 1993, uns zum Beispiel als Konzertveranstalter zu profilieren: Dio, Motörhead, und so weiter. Doch selbst für professionelle Konzertveranstalter ist jedes Live-Event ein riskantes Unternehmen mit unkalkulierbarem Ausgang. Wir stürzten uns aber als Quereinsteiger in diese Abenteuer – und ließen dementsprechend in finanzieller Hinsicht mächtig Federn.

      Thomas: Anfangs funktionierte das ja recht gut – da spielten ja auch noch die Banken ohne Bedenken mit. Wir sind zur Sparkasse gelatscht und haben gesagt: „Günter, wir können günstig Saxon buchen und brauchen mal eben schnell einen Kredit von 25.000 Mark!“

      Heute würde niemand so ohne weiteres entgegnen: „Ja, kommt mal vorbei, das können wir sicher irgendwie stemmen!“ Heute wäre dergleichen unvorstellbar … Und wir wären damals ja auch ziemlich gut aus der Nummer herausgekommen, wenn wir nicht auf den Rat der Security reingefallen wären, für den zweiten Tag noch mehr Ordner zu buchen, die uns eine Höllenkohle kosteten. Das versuchten wir mit weiteren Konzerten Ende 1992 und im Folgejahr wieder einzuspielen. Doch stattdessen gerieten wir immer weiter in die Schieflage … Und Ende 1993 klopfte die Bank an die Tür: „Jungs, wollt ihr nicht mal langsam euren Kredit zurückzahlen?“

      Was in dem finanziellen Desaster kurz vor Weihnachten 1993 gipfelte …

      Holger: Da kam alles zusammen: Thomas Mutter ist gerade verstorben, ich hatte am 13. Dezember einen schweren Autounfall, und in der Kasse gähnte ein Loch von etwa 350.000 Mark Miesen. Wir standen tatsächlich vor der Entscheidungsfrage: Entweder aufgeben oder Ärmel hochkrempeln, Gas geben, das Ganze noch einmal von vorne beginnen – dann aber professionell und richtig! Und lieber einmal mehr nachdenken, bevor man etwas in Angriff nimmt! Rückblickend betrachtet würde ich die Zeit bis Ende 1993 beziehungsweise Anfang 1994 als unsere „Findungsphase“ bezeichnen. Leider sind wir dann erst einmal letztlich nur noch zu zweit gewesen, weil unsere anderen Mitstreiter ausgestiegen sind – da mussten wir dann noch mehr „finden“ … Und klar: Wer viel arbeitet, hat auch viele Gelegenheiten, Fehler zu machen. Wir haben aber immer versucht, aus unseren Fehlern zu lernen und diese nicht ein zweites Mal zu begehen. Dass wir in der Folge durch falsche Partner noch einmal von vorne anfangen mussten – okay, so was passiert auch abgebrühten Profis.

      Wobei sich 1996 ausgerechnet die – damals immer noch umstrittenen, kontrovers diskutierten, polarisierenden – Böhsen Onkelz als der Wendepunkt zum Guten für euch erwiesen …

      Holger: Auf ganzer Linie! Wobei wir uns vorher gründlich über ihre Vergangenheit, aber auch über ihre gegenwärtige Haltung informiert hatten und zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Zusammenarbeit mit dieser Band für uns unproblematisch sei, zumal sie sich unter anderem mit ihrer Teilnahme an Festivals wie „Rock gegen Rechts“ – für uns hundertprozentig glaubhaft – von ihren Jugendsünden eindeutig distanziert hatte. Dementsprechend bemühten wir uns schon 1995, sie für das W:O:A zu buchen, was leider nicht klappte, da sie gerade ihre eigenes Festival absolvierten.

      Und der damalige Tourmanager der Böhsen Onkelz, Thomas Hess, blieb praktisch gleich bei euch in Wacken „kleben“.

      Holger: Ja, ab 1997 unterstützte er uns dabei, die Strukturen aufzubauen – insbesondere hinsichtlich der Security. Bis dato arbeiteten wir meistens mit Bikern zusammen, was sich spätestens mit dem immensen Wachsen des Festivals als nicht mehr optimal erwiesen hat.

      Außerdem erfolgte 1997 der Umzug auf die gegenüberliegende Straßenseite: Auf der Koppel von Uwe Trede stehen seitdem und bis in die heutigen Tage die Hauptbühnen – Schritt für Schritt wurden darüber hinaus immer mehr umliegende Ackerflächen als Campingplätze dazugepachtet.

      Holger:

Скачать книгу