Wer fürchtet sich vor Stephen King?. Uwe Anton

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wer fürchtet sich vor Stephen King? - Uwe Anton страница 4

Wer fürchtet sich vor Stephen King? - Uwe Anton

Скачать книгу

Hier findet sich die erste Spur der Angst, die Kings Werk durchzieht. King löst diese Angst in erster Linie nicht mit vordergründigen Techniken aus, mit Ungeheuern, die seine Helden bedrohen, sondern geht wesentlich tiefer. Wenn er seine eigenen Kindheitsängste heraufbeschwört, kann er sichergehen, dass seine Leser ähnliche Ängste ausgestanden haben und sich an sie erinnern. Und damit erzeugt er bereits ein gewisses Unbehagen, eine Beklemmung, die den Leser nicht nur auf einer bewussten, sondern auch unbewussten Ebene anspricht.

      Kings Kindheitsjahre verliefen nicht völlig unbeschwert – vor allem finanzielle Probleme bedrückten die Familie, King erinnert sich, dass sie zum Beispiel zum Baden ein gutes Stück zum Haus von Verwandten gehen mussten –, aber behütet: Die Mutter sorgte für die beiden Söhne, und in verschiedenen Onkeln hatte King einen Vaterersatz.

      Bald folgten weitere Begegnungen mit dem Horror bzw. der Science Fiction: 1953 hörte Stephen die Adaption von Ray Bradburys Geschichte „Mars is Heaven“ im Radio, und 1954 sah er seinen ersten Horrorfilm, Der Schrecken vom Amazonas. Zu dieser Zeit schrieb er auch seine ersten „Geschichten“, hauptsächlich SF-Stories, die Nachahmungen jener Literatur darstellten, die ihn damals am meisten beeindruckt hatte. Drei Jahre später endete dann für ihn – in der Rückschau – seine Kindheit, kam es zum Verlust der Jugend, ein Motiv, das sich später immer wieder durch seine Romane und Novellen zieht: „Für mich begann der Schrecken – der wahre Schrecken, im Gegensatz zu den Dämonen und Schreckgespenstern, die in meinem Geist leben mochten – an einem Nachmittag im Oktober 1957“, schrieb er im ersten Kapitel seines Sachbuchs DANSE MACABRE. „Ich war gerade zehn Jahre alt geworden. Und wie es nur angemessen war, saß ich im Kino: dem Stratford Theater, in der Innenstadt von Stratford, Connecticut.“

      An jenem 4. Oktober 1957 hatten die Sowjets den ersten Sputnik in eine Umlaufbahn geschossen. Der Kinobesitzer unterbrach die Vorführung des Films Fliegende Untertassen greifen an und gab den Satellitenstart bekannt. (In einer anderen von King erzählten Version der Geschichte saß er beim Friseur, aber ein Kinobesuch liest sich – gerade bei diesem Film, gerade bei diesem Autor – natürlich viel schöner: Life imitates art.) „In diesem Augenblick“, so King, „wurde die Wiege brutal geöffnet, und wir alle fielen hinaus. Es war das Ende des schönen Traums … und der Anfang eines Albtraums.“ Erneut: Ein Kind bekommt es mit der Angst zu tun, fühlt die Angst, verinnerlicht sie, und entdeckt später, als Erwachsener, das Talent, sie auch zu vermitteln.

      1958 zog Nellie Ruth King mit den beiden Söhnen nach Durham, Maine, damit sie sich um ihre alten Eltern kümmern konnte. (Drei Jahre später fand King seine Großmutter tot im Bett, erneut ein traumatisches Erlebnis, das er später in seiner Kurzgeschichte „Oma“ verarbeitete.) 1959 lernte er dort Christopher Chesley kennen, der sich ebenfalls für phantastische Literatur interessierte und Geschichten schrieb. Er entdeckte in einer alten Bücherkiste seines Vaters Titel des Horrorautors H.P. Lovecraft und den Avon Sampler, eine der frühesten Anthologien phantastischer Literatur. Natürlich gab es auch noch andere Quellen für phantastische Literatur: Im Nachwort zu FRÜHLING, SOMMER, HERBST UND TOD erinnert sich King nostalgisch-wohlig an das nervöse Warten auf den Postzusteller, der jede Woche die Saturday Evening Post mit den neuen Geschichten Ray Bradburys oder Clarence Buddington Kellands brachte.

      King war zwar für sein Alter groß und stämmig, aber in der Kleinstadt Durham unter Gleichaltrigen schon allein wegen seiner Interessen in gewisser Hinsicht ein Außenseiter (ein weiteres späteres Motiv, von dem Romane wie CHRISTINE oder ES leben). Und er war oft krank, was ihm die Zeit gab, immer mehr zu schreiben; nachdem er dann eine Schreibmaschine geschenkt bekommen hatte, weitete sich seine literarische Aktivität zusehends aus. Zum einen schickte er schon mit zwölf Jahren seine Geschichten an Verleger (hauptsächlich an Genre-Magazine wie Fantastic und The Magazine of Fantasy and Science Fiction), zum anderen druckte er sie selbst auf der Offset-Presse seines Bruders (der darauf die kleine Zeitung Dave’s Rag herstellte, an der auch Stephen mitarbeitete) und versuchte, die einzelnen Exemplare auf dem Schulhof – er besuchte mittlerweile die High School Lisbon Falls – oder an Bekannte zu verkaufen. So erinnert er sich zum Beispiel an seine „Romanfassung“ (von zwölf Seiten) des Films Das Pendel des Todes, von der er 250 Exemplare druckte und in drei Tagen tatsächlich 70 Stück verkaufte. Gemeinsam mit Chris Chesley veröffentlichte er 1960 ein Fanzine mit dem Titel People, Places and Things, das achtzehn Storys von einer halben bis einer vollen Seite Umfang enthielt; acht dieser Geschichten stammen von King, eine neunte schrieb mit gemeinsam mit Chesley, die restlichen stammen von Chesley. 1963 erschien sogar eine zweite Auflage im „Verlag“ Triad Publishing Company, in dem 1964 dann auch „A Gaslight Book“ mit siebzehn anderthalbzeilig geschriebenen Textseiten erschien: The Star Invaders, eine Science-Fiction-Story des jungen Autors. Ein Jahr später veröffentlichte King seine erste Kurzgeschichte außerhalb seines Eigenverlags: In dem Comic-Fanmagazin Comics Review erschien seine Story „I Was a Teenage Grave Robber“, die der damalige Fan und heute sehr bekannte Comic-Autor Marv Wolfman 1966 in seinem Fanzine Stories of Suspense unter dem Titel „In a Half-World of Terror“ nachdruckte. 1965 schrieb King dann auch seinen ersten Roman, THE AFTERMATH, einen bis heute unveröffentlichten SF-Text um die Überlebenden eines Atomkriegs, die den Kampf gegen einen Supercomputer aufnehmen, der die neue Gesellschaft Nordamerikas endgültig ins Verderben zu ziehen droht. Auch für die Schülerzeitung The Village Vomit war King aktiv. Wegen einer Parodie, die er dort veröffentlichte, wurde er sogar vom Unterricht suspendiert.

      Im Sommer 1966 schloss er die Highschool ab und wechselte im Herbst an die University of Maine in Orono in der Nähe von Bangor. Zuvor begann er seinen zweiten Roman mit dem Arbeitstitel GETTING IT ON, den er jedoch wieder abbrach; erst später beendete er ihn und veröffentlichte ihn nach einer Überarbeitung unter dem Pseudonym Richard Bachman und dem Titel RAGE. Auf der Universität belegte er in den ersten Semestern Kurse in zahlreichen Fächern, bevor sein Professor Jim Bishop ihn bestärkte, weiterhin zu schreiben. Er testete Drogen an, lernte Bier zu schätzen und veröffentlichte in Studentenzeitungen Geschichten und Artikel (die mit Freiexemplaren „honoriert“ wurden). Für die Universitätszeitschrift Maine Campus verfasste er eine Kolumne, „The Garbage Truck“. Oft tauchte er eine Stunde vor Redaktionsschluss im Büro auf, setzte sich hinter die Schreibmaschine und lieferte dann auf den letzten Drücker, aber stets pünktlich ab.

      1967 erschien dann endlich – nach vielleicht sechzig Ablehnungen – seine erste Kurzgeschichte in einer anerkannten Zeitschrift: „The Glass Floor“ wurde für ein Honorar von 40 Dollar in dem von Robert A.W. Lowndes herausgegebenen Krimi-Magazin Startling Mystery Stories gedruckt. King hatte einen ersten Durchbruch erzielt.

      Oft hat man dem Autor mit seinem ersten Roman, CARRIE, einen „Erfolg über Nacht“ konzediert. Doch Stephen King hat sein Lehrgeld bezahlt: Nach frühesten Fanzinestorys sammelte er Ablehnungsbescheide, profitierte er von Ratschlägen von Genremagazin-Herausgebern, veröffentlichte er in Schüler- und Universitätszeitschriften. Der Weg zum Ruhm war steinig, und das große Ziel war immer noch nicht in Sicht. King sah höchstens Licht am Ende des Tunnels, und noch immer reihte sich eine Enttäuschung an die andere. King schrieb den Roman THE LONG WALK und reichte ihn nach Ermutigung durch seine Professoren Burton Hatlen und Carroll Terrell bei einem Wettbewerb für angehende Schriftsteller ein. Er wurde jedoch per Formbrief abgelehnt.

      King begann den Roman SWORD IN THE DARKNESS, der sich mit Rassenunruhen in einer Großstadt beschäftigt; er blieb bis heute unveröffentlicht. Er schrieb zahlreiche Gedichte, von denen der Großteil ebenfalls niemals veröffentlicht wurde, engagierte sich für die Antikriegsbewegung und wurde in den Studentensenat gewählt. Er belegte nun hauptsächlich Seminare im Fach Englisch und hielt selbst ein Seminar über Populäre Kultur und Literatur ab. Um sich finanziell über Wasser zu halten, arbeitete er in der Universitätsbibliothek, wo er 1969 die 1949 in Old Town in Maine geborene Tabitha Jane Spruce kennenlernte, die Interesse an dem langhaarigen, bärtigen, aber alles andere als wohlhabenden Studenten fand.

      1970 schloss King den Roman SWORD IN THE DARKNESS ab. Durch Vermittlung eines Professors fand er eine literarische Agentur, die den Roman an ein gutes Dutzend Verlage schickte, doch er wurde überall abgelehnt. Am 5. Juni machte

Скачать книгу