Wer fürchtet sich vor Stephen King?. Uwe Anton

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Wer fürchtet sich vor Stephen King? - Uwe Anton

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offen; ein sehr wirkungsvoller Kniff, denn da der Leser mehr weiß als Kings Protagonisten, bleibt es seiner Phantasie überlassen, sich den Fortgang auszumalen. (Diese drei Geschichten wurden übrigens verfilmt, wobei die Kinoversionen leider aufzeigen, dass die Handlung einer Kurzgeschichte wahrlich nicht für 90 Minuten auf der großen Leinwand ausreicht.)

      „Briefe aus Jerusalem“ führt den Leser wieder in die aus dem gleichnamigen Roman bekannte Stadt, in der das Grauen bereits 1850 geherrscht hat. In Briefform erfährt der Leser von dem merkwürdigen Ort in Maine, der irgendwie böse zu sein scheint. Von Ratten in den Mauern bis hin zu einem riesigen Wurm und Vampiren reicht das Spektrum des Grauens, das sich Charles Boone, dem Verfasser der Briefe, langsam und hervorragend in Szene gesetzt, Schritt um Schritt offenbart. King erweist hier H.P. Lovecraft Tribut, doch man kann die Geschichte auch als Prolog zu BRENNEN MUSS SALEM verstehen.

      In „Erdbeerfrühling“ wird eine Stadt in Neuengland in Abständen von zehn Jahren von einem Serienmörder heimgesucht, und zwar immer, wenn sich dichter Nebel über die Stadt senkt. Doch der Mörder ist nur Werkzeug zum Zweck – der eigentliche Täter ist dieser Nebel, der vom Erdbeerfrühling verursacht wird. „Ich weiß, was du brauchst“ schließlich beschreibt einen perfekten Menschen, den Elizabeth Rogan kennen- und lieben lernt. Als ihre Freundin glaubt, er sei einfach zu perfekt, kommt sie einer Wahrheit auf die Spur, die Elizabeth gar nicht schmeckt …

      Eine dritte Art von Geschichten beschreibt einen psychologischen Schrecken: den vielzitierten „Horror aus der Seele und nicht aus Deutschland“. Der Leser wird im Zweifel gelassen, ob ein übernatürliches Element eine Rolle spielt, alles nur in der Phantasie des Protagonisten stattgefunden oder eine natürliche Erklärung hat. „Manchmal kommen sie wieder“ ist ein Paradebeispiel dafür: Ein Lehrer tritt nach einem Nervenzusammenbruch eine Stelle an einer neuen Schule an, als er Gestalten aus seiner Vergangenheit begegnet, die nicht älter geworden sind – übersinnliche Erscheinungen oder die Dämonen seiner Psyche, seiner Erinnerung? Eine Abwandlung stellen jene Storys dar, in denen King eindringlich das Seelenleben seiner Charaktere schildert, etwa einen Verrückten in „Der Mann, der Blumen liebte“: Während das Radio von einem Hammermörder und dem Vietnamkrieg berichtet, verteilt der Protagonist Blumen, um Freude in die Welt zu bringen. Allerdings handelt es sich bei dem Mann um den besagten Mörder. Hier erzeugt der Autor seinen Schrecken durch die zumeist überraschende Schilderung einer abnormen Psyche.

      Schließlich sind in dieser Sammlung noch einige Mainstream-Storys enthalten, Geschichten ohne jedes übernatürliche Element; eine grausame Rache in „Der Mauervorsprung“, eine typische Suspense-Geschichte für amerikanische Herrenmagazine; eine todsichere Methode, sich das Rauchen abzugewöhnen („Quitters, Inc.“), oder auch eine Diskussion der Sterbehilfe („Die Frau im Zimmer“). „Die letzte Sprosse“ schließlich ist eine realistische Geschichte um Entfremdung, Schuld und Sühne. Hier beweist King, dass er dem Genre nicht mit Haut und Haaren verfallen, sondern auch imstande ist, andere literarische Wege zu beschreiten.

      Sieht man von der Prämisse ab – die Menschheit wurde, wie im Roman DAS LETZTE GEFECHT – von einem Schnupfenvirus vernichtet, zählt auch „Nächtliche Brandung“ zu dieser Kategorie. Die letzten Überlebenden ergeben sich in ihr Schicksal und beseitigen nur noch die Leichen …

      Nicht nur Schmuckstücke bietet diese Auswahl. Der Plot von „Ich bin das Tor“ ist gelinde gesagt platt und könnte einem B-Film der sechziger Jahre entsprungen sein. Wenn aber beispielsweise Burt die „Kinder des Mais“ beobachtet und zu einer atemberaubenden Flucht ansetzt, der Psychiater in „Das Schreckgespenst“ seine Maske lüftet oder der Dämon in „Die Wäschemangel“ sein wahres Gesicht zeigt, zeigt sich auch King von seiner besten „Horrorseite“.

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      „Erst das telekinetische Mädchen, dann Vampire, und jetzt das Spukhotel und das telepathische Kind. Man wird Sie abstempeln.“

      Nachwort zu FRÜHLING, SOMMER, HERBST UND TOD

      Nachdem der Verlag New American Library (NAL) die Taschenbuchrechte an CARRIE für 400.000 Dollar gekauft hatte, wovon King die Hälfte bekam, kündigte er seine Lehrerstelle und zog mit seiner Familie nach North Windham an den Sebago Lake in Maine. Mittlerweile hatte er bereits seinen siebenten Roman geschrieben, BLAZE, ein „Melodram über einen ungeschlachten, geistig zurückgebliebenen Kriminellen, der ein Baby entführte, um es den reichen Eltern des Kindes gegen ein Lösegeld zurückzugeben … und sich stattdessen in das Kind verliebt“; es sollte erst 2007 veröffentlicht werden. Nun machte er sich an den nächsten Roman, dem er den Titel SECOND COMING gab; King hatte als Englischlehrer Bram Stokers DRACULA durchgenommen und sich die Frage gestellt, was passieren würde, wenn der berühmte viktorianische Vampir heutzutage in eine Kleinstadt in Maine zöge.

      Er bot seinem Lektor gleichzeitig BLAZE und SECOND COMING zur Veröffentlichung an. Als er Thompson in New York besuchte, besprachen sie beide Romane, und Thompson schlug vor, SECOND COMING zu nehmen, wenngleich er King warnte, dass er damit abgestempelt sein würde.

      „‚Abgestempelt?‘ fragte ich verblüfft. Ich sah keine nennenswerte Ähnlichkeit zwischen Vampiren und Telekinese. ‚Als was?‘

      ‚Als jemand, der Horrorgeschichten schreibt‘, sagte [Thompson] noch widerstrebender.“

      Den Rest des Jahres überarbeitete King das Manuskript mehrmals.

      Kings Mutter sollte weder die Veröffentlichung von CARRIE noch die von ’SALEM’S LOT – so der neue Titel von SECOND COMING – noch erleben; sie starb am 18. Dezember 1973 an Krebs. King verarbeitete ihren Tod in der Kurzgeschichte „The Woman in the Room“ und dem Roman ROADWORK, den er nun in wenigen Tagen schrieb, praktisch an einem Wochenende.

      CARRIE erschien im April 1974 im Hardcover mit einer Auflage von 30.000 Exemplaren. Der Roman traf den Nerv der Zeit: William Peter Blattys DER EXORZIST (Buch: 1971, Verfilmung: 1973) war ein sensationeller Erfolg geworden, und die Horrorliteratur und der Horrorfilm erlebten einen enormen Aufschwung. Auch schien King nun finanziell vollständig abgesichert zu sein: NAL hatte die Taschenbuchrechte an ’SALEM’S LOT für einen noch höheren Garantievorschuss erworben.

      Im Spätsommer zog King mit seiner Familie nach Boulder im Bundesstaat Colorado um. Hier begann er zwei Romane, THE HOUSE ON VALUE STREET, der sich mit der Entführung Patty Hearsts, der Tochter des Verlegerfürsten Randolph Hearst, beschäftigte, und DARKSHINE, einen Fantasyroman, in dem Träume Wirklichkeit werden. Beide Texte brach er ab. Zwar veröffentlichte er noch immer regelmäßig Kurzgeschichten in Magazinen, doch was Romane betraf, litt er unter einer Art Blockade, wie sie von allen Schriftstellern gefürchtet wird: Ihm fiel nichts ein.

      Im Oktober machten die Kings einen Kurzurlaub im Hotel Stanley in Estes Park, in den Bergen Colorados, und „in dieser Nacht träumte ich, mein drei Jahre alter Sohn liefe schreiend und mit weit aufgerissenen Augen durch die Gänge und sähe über die Schulter zurück. Er wurde vom Schlauch eines Feuerlöschers verfolgt. Ich wachte mit einem schrecklichen Zittern und schweißgebadet auf. Ich stand auf, zündete mir eine Zigarette an, setzte mich auf den Stuhl neben dem Fenster, schaute auf die Rockies hinaus, und als ich die Zigarette geraucht hatte, hatte ich das Gerüst des Romans im Kopf.“

      King schrieb diesen Roman – THE SHINE, später THE SHINING, da der erste Begriff ein Slang-Schimpfwort für Farbige ist – im Herbst und Winter 1974. Als er ihn im Januar 1975 mit Bill Thompson besprach, warnte sein Redakteur ihn erneut: „Erst das telekinetische Mädchen, dann Vampire, und jetzt das Spukhotel und das telepathische Kind. Man wird Sie abstempeln.“

      „Das ist schon

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