Fantasy. Martin Hein
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Die Fans hatten riesigen Spaß. Und man sah wieder einmal, wie sehr die Menschen klassische Unterhaltungsmusik brauchen. Bei Fantasy hatte ich in all den vielen Jahren nicht ein einziges Mal das Gefühl, dass sie nicht glücklich sind mit ihrer Musik. Genau das ist der Schlüssel zum Erfolg. Das Geheimrezept. Wenn man das, was einem wichtig ist, aus Überzeugung und mit Leidenschaft macht und absolut dahintersteht, dann findet man auch Erfüllung. Und man schafft es bis ganz nach oben. Fantasy leben ihre Schlager, sie füllen das Genre total aus, und sie haben große Freude daran. Deswegen sind sie auch authentisch – und lassen sich nicht zähmen. An den beiden beißt sich jeder die Zähne aus.
Wir spielten mal in Magdeburg ein Konzert. Ich hatte meine damalige Plattenfirma Ariola eingeladen und sagte: „Guckt euch doch mal bitte die Jungs an.“ Hansi Möllering war begeistert: „Mein Gott, wenn ich diese Chance hätte, dann würde ich schon am Tag vorher nach Magdeburg laufen und vor der Halle warten, damit ich auch ja pünktlich zum Gespräch mit den Plattenbossen da wäre.“ Ich lachte und erklärte ihm: „Du schon, Hansi, aber das sind Fantasy.“
Natürlich kamen sie dann zu spät! Martin rief an und sagte, sie stünden im Stau. Ihr Auftritt sollte um 19.30 Uhr sein, das Gespräch mit Sony im Anschluss. Sie wussten, dass es eine einzigartige Chance für einen Plattenvertrag war. Um 20 Uhr waren sie immer noch nicht da. Um 20.15 Uhr bin ich dann auf die Bühne und habe meine Show gemacht. Sie hatten tatsächlich ihre Chance verpasst. Einige Zeit später kamen sie dann doch noch zu Ariola – weil man Gutes ja zum Glück nicht verhindern kann. Aber es war einfach so typisch für die beiden! Ich habe Dutzende solcher Abende erlebt und rege mich längst nicht mehr über ihre Unpünktlichkeit auf. So sind sie halt einfach. Du kannst sie nicht bändigen. Du kannst sie höchstens ein Stück weit führen oder ihnen Tipps geben, was sie besser machen könnten. Dann schütteln sie sich, maulen ein bisschen rum, und meistens funktionieren sie dann doch.
Freddy schreibt und komponiert die meisten Songtexte selbst. Aber mit jedem Jahr, in dem sie noch erfolgreicher wurden, bekamen sie auch vermehrt Songs von fremden Textern angeboten. Sie haben ja im Frühjahr 2017 bereits ihr achtes Studio-Album Bonnie & Clyde herausgebracht, und ich freue mich riesig für die beiden. Sie sind für mich echte Freunde, total loyal. Sie gehören auf jeden Fall zu meiner Familie.
Juni 2017
* * *
Das „Heimspiel“ ist vorbei, wir trinken ein Bier und stoßen auf unser 20-jähriges Fantasy-Jubiläum an – und auf unsere großartigen Fans, die uns schon so lange auf dieser Reise begleiten.
Wir sind uns bewusst, dass wir heute unseren Traum leben (dürfen). Musikalisch haben wir fast alles erreicht, was wir uns für unsere Karriere vornahmen. Wir stehen hier in Aspach auf der Bühne und sind uns an diesem lauen Sommerabend ganz sicher: Wir sind dort angekommen, wohin wir uns immer gewünscht haben – mehr als zwei Millionen verkaufte Tonträger, acht Studio-Alben, eigene Tournee, Fernsehauftritte und nun auch noch eine eigene Autobiografie.
Uns fehlt nur noch der so begehrte wie wichtige Echo, der bedeutendste deutsche Musikpreis; wir waren bereits fünf Mal nominiert und mussten leider jedes Mal mit leeren Händen nach Hause gehen. Diese Trophäe eines Tages in Händen halten zu dürfen wäre ein denkwürdiges musikalisches Ereignis! Ein anderer Traum von uns ist, dass wir gerne am Samstagabend eine Unterhaltungsshow im Fernsehen präsentieren würden. Eine Mischung aus Florian Silbereisen, Carmen Nebel und Hape Kerkeling, mit Talk-Gästen, Musik und Spielen. Eben hundertprozentige Unterhaltung. Das wäre der Hit! Wir arbeiten jetzt nicht wie verrückt darauf hin, aber wenn sich irgendwann die Gelegenheit ergeben sollte, würden wir sicher nicht nein sagen. Es müsste ja nicht gleich bei ARD oder ZDF sein, vielleicht in einem kleineren Sender wie dem MDR, dort schaltet ja auch unsere Kernzielgruppe ein. Und da es in der Vergangenheit doch recht lange dauerte, bis wir auf der Bühne Erfolg hatten, wäre es schön, wenn wir noch vor Eintritt ins Rentenalter auch als TV-Moderatoren erfolgreich werden könnten. Wir sind offen für Anrufe …
Martin Hein und Fredi Malinowski, Juli 2017
Hinweis in eigener Sache
Freddy März ist ein Künstlername.
Wie der Titel schon sagt, ist dieses Buch der Wahrheit verpflichtet. Gleichwohl mussten zum Schutz einiger Personen zum Teil namentliche Veränderungen vorgenommen werden. Dadurch wird
der grundsätzliche Wahrheitsgehalt jedoch nicht berührt.
Kapitel 1:
Martin kommt in Polen zur Welt
Der 12. Januar 1971 war ein Dienstag. Um die Mittagszeit wurde ich an jenem kalten Wintertag in dem Dörfchen Dramatal in Schlesien (Polen) geboren. Der offizielle Name dieser kleinen Gemeinde lautet seit 1945 eigentlich Zbroslawice. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gehörten wir zu Deutschland, bevor wir dann unter polnische Verwaltung gestellt und der Woiwodschaft Schlesien eingegliedert wurden. Damals bekamen alle Gemeinden polnische Ortsnamen. Aber ich sage immer noch Dramatal, da ich das Wort Drama so schön passend für mich finde …
Mein Heimatdorf liegt idyllisch am Ufer des Flusses Drama, umgeben von landwirtschaftlichen Flächen und waldbewachsenen Hügeln. Die nächsten größeren Städte sind Gleiwitz und Kattowitz, beide rund 25 Kilometer entfernt. Als ich ein Kind war, lebten rund 400 Menschen in Dramatal, heute sind es noch weniger, weil viele junge Leute in den Westen gegangen sind.
Die ersten Jahre meiner Kindheit habe ich größtenteils bei meiner Oma Christa und meinem Opa Walter in der Ortschaft Zerniki verbracht, gemeinsam mit meinen Eltern (und meinem jüngeren Bruder) wohnte ich zeitweise sogar in ihrem kleinen Häuschen. Man muss sich unser Dorf als Rechteck vorstellen, in dem 60 Einfamilienhäuschen angeordnet waren. Alles Häuser von Bergleuten, die im Oberschlesischen Industriegebiet arbeiteten und denen ein solches Haus zugeteilt worden war, welches sie dann im Laufe der Jahrzehnte abbezahlen mussten. Unsere Region war schon damals das wichtigste Industriegebiet Polens und Zentrum des polnischen Steinkohlebergbaus und der Schwerindustrie.
Jedes Haus sah absolut gleich aus. Unseres, also das Haus meiner Großeltern, war wunderschön gelegen, da nach hinten raus der Wald, links und rechts Felder und nach vorn Hügel waren. Es gab eine große Straße, deshalb kannte jeder jeden. Vom Baby bis zur Oma waren mir alle Einwohner vertraut. Meist wohnten drei Generationen unter einem Dach. Wenn die Eltern also arbeiten gingen, waren immer die Alten da und passten auf die Kinder auf. Für mich als Dreikäsehoch war das absoluter Luxus. Noch heute durchflutet mich ein unheimlich wohliges Gefühl, wenn ich an meine Kindheit zurückdenke. Wir waren natürlich nicht reich, eher arm, aber uns fehlte es an nichts, was wirklich wichtig war.
Wollten wir Kinder etwas Süßes zum Naschen haben, rannten wir in Omas Garten. Er war voller Obstbäume und Gemüse. Das waren nicht die Süßigkeiten, wie sie die Kinder heute in Hülle und Fülle kennen. Aber für mich, meinen jüngeren Bruder und unsere Freunde waren Äpfel oder Beeren aus Omas Garten eine besondere Köstlichkeit. In unserem Dorf gab es nur einen einzigen Lebensmittelladen. Er lag im Zentrum, und wenn zum Beispiel eine Orangenlieferung kam, hat sich das in wenigen Minuten im ganzen Ort herumgesprochen. Alle rannten sofort hin und standen geduldig die nächsten zwei Stunden in einer Schlange an, um pro Familie zwei Orangen kaufen zu können. Mehr gab es nicht. Für uns war das allerdings absolut in Ordnung. Wir kannten es ja nicht anders. Wir waren glücklich, überhaupt in den Genuss von Zitrusfrüchten zu kommen. Das war dann für die ganze Familie ein riesiges Erlebnis. Meine Oma rief schon von weitem: „Maaartin! Guck mal, ich habe Orangen mitgebracht!“ Das war der Wahnsinn. Heute ist das selbstverständlich. Und doch sage ich aus tiefstem Herzen: Ich bin sehr, sehr glücklich aufgewachsen.
Bis