Immer weiter. Lloyd Bradley

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Immer weiter - Lloyd  Bradley

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von Boney M.!“ In einem Nachtclub musste ich jedenfalls nie meine Getränke selbst bezahlen. Ich hatte aber eine Familie, die ich in England bei jeder Gelegenheit besuchte, und es gibt nichts, was einen besser erdet. Wir waren in England viel weniger präsent als auf dem Festland, wo wir ständig im Fernsehen auftraten, weshalb ich dort nicht so oft erkannt wurde. Und wenn das mal der Fall war, brandeten nie dieselben Begeisterungsstürme auf, wie ich sie vom Kontinent kannte. Keine Ahnung, warum das so war. Es war ja nicht so, als hätten wir in Großbritannien keine Platten verkauft. Bei den Konzerten zeigten sich die britischen Fans nicht weniger ausgelassen als andernorts auch, aber ich nahm mit Erleichterung zur Kenntnis, dass die Leute mir dort respektvoll begegneten.

      Ich liebte die Boney-M.-Blase. Sie beschützte uns und erlaubte uns, das zu tun, was wir am besten konnten. Aber es fühlte sich auch gut an, ihr für eine Weile zu entkommen und ein Leben außerhalb dieser Blase zu führen. Ich war selbstsicher genug und hatte ja noch unabhängig von ihr ein Leben. Wenn ich Streicheleinheiten für mein Ego brauchte, musste ich nur ein paar Wochen warten, bis wir wieder auf Tour gingen.

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      Auch abseits von uns auf der Bühne ging es bei Boney M. um Teamwork. Obwohl oftmals angenommen wird, dass Frank Farian sich um alles gekümmert habe – und natürlich widersprach er in dieser Angelegenheit auch nie –, hatte er sich in Wirklichkeit mit einem Team absolut brillanter Köpfe umgeben, die ihre Ideen beisteuerten. Die Themen unserer Songs waren richtig abgefahren und unterschieden sich sehr stark voneinander. „Ma Baker“ handelte von einer Gangster-Lady in der Art von Bonnie und Clyde. „Brown Girl in the Ring“ leitete sich von einem jamaikanischen Kinderreim ab. „Rasputin“ erzählte die Geschichte jenes irren Mönchs aus dem russischen Zarenreich. Und in „Rivers of Babylon“ wurden Psalme aus der Bibel zu einem Songtext umgearbeitet. Nie und nimmer konnten diese Nummern das Produkt eines einzigen, egal wie fantasiebegabten Kopfes sein. Vielmehr brachten mehrere Leute ihre eigenen Ideen ein. Das führte natürlich dazu, dass sie sich voneinander unterschieden.

      Allerdings muss man Frank schon zugestehen, dass er bezüglich der Inhalte der Songs absolut allem gegenüber offen eingestellt war. Vielleicht hatte das ja damit zu tun, dass er kein Englisch konnte und der Text eines Songs bei ihm daher ohnehin keinen Eindruck hinterließ. Aber so ergab sich eben auch eine absolut hinreißende Mischung. „Brown Girl in the Ring“ zum Beispiel, der einer unserer größten Hits werden sollte: Liz und ich wussten, wie ansteckend der Song war, da wir ihn schließlich aus unserer Kindheit auf Jamaika kannten. Ebenso verhielt es sich mit meinem Song „Belfast“: Frank fiel auf, dass der Song in den Discos prima ankam, weshalb er Boney M. eine Version aufnehmen ließ. Er bemerkte anscheinend überhaupt nicht, dass es sich dabei um einen Song mit einer politischen Aussage handelte. Und auch beim Titel unseres fünften Albums, Boonoonoonoos, handelte es sich um ein Wort, das die jamaikanische Volksdichterin und Komikerin Louise Bennett – Miss Lou – erfunden hatte. Sie benutzte es, um damit Dinge und Menschen zu umschreiben, die in ihren Augen besonders schön oder speziell waren. Wie hätte Frank dieses Wort kennen sollen? Irgendjemand muss es ihm gesagt haben – oder vielleicht hörte er es auch, als wir uns zu Dreharbeiten auf Jamaika aufhielten, und beschloss daraufhin, es aufgrund seines wohltuenden Klangs als Leitthema für das Album zu verwenden.

      Da das erste Album nur so vor Coverversionen zu strotzen schien, stellte er ein Team von Songwritern zusammen. Hans-Jörg Mayer war der Kopf hinter vielen unserer Songs. Er war echt clever, hatte die Universität besucht und kannte sich wirklich mit Musik aus. Hans-Jörg arbeitete von Anfang an mit Frank zusammen und schrieb zum Beispiel „Daddy Cool“. Sein Künstlername, der ihn als Autor seiner Songs auswies, lautete George Reyam – Mayer rückwärts geschrieben. Ein anderer wichtiger Autor war Fred Jay, ein Amerikaner mit deutschen Eltern, der zweisprachig aufgewachsen war. Er und seine Frau waren überaus bezaubernde Leute. Aus Freds Feder stammte etwa „What Am I Living For?“, das in den Fünfzigerjahren in den USA ein riesengroßer Hit gewesen und seither von Dutzenden von Acts interpretiert worden war. Dann zog er nach Deutschland, wo er ebenfalls für etliche Pop-Hits verantwortlich zeichnete. Zum ersten Mal traf ich ihn in Franks Offenbacher Studio, als wir „Ma Baker“ aufnahmen, eine Kollaboration zwischen Hans-Jörg und Fred. Zunächst sollte der Song „Ma Barker“ heißen – wie die reale Gangsterbraut. Nur ließ sich das nicht so leicht singen, weshalb Fred sagte: „Okay, wie wäre es dann mit Baker? Das lässt sich leichter singen. Ihr könnt den Song ‚Ma Baker‘ nennen.“

      Stefan Klinkhammer wiederum war ein echtes Genie als Arrangeur. Auch er arbeitete von Anfang an mit Frank zusammen. Ich traf ihn bei meinem ersten Vorsingen für Boney M. Viele Leute wissen nicht um die Bedeutung des Arrangeurs, vor allem bei jenen großen Produktionen, die Frank vorschwebten, als Boney M. sich weiterentwickelten. Stefan spielte eine zentrale Rolle dabei, das Grundgerüst eines Songs dahingehend auszugestalten, dass sich pure Pop-Sounds ergaben, die mit Disco-, Reggae- oder Rock-Elementen oder was auch immer versehen waren, wodurch sie sich von der breiten Masse abhoben.

      Später arbeiteten noch andere Songwriter mit Boney M., aber anfangs waren diese Jungs und Stefan nicht weniger wichtig als Frank, als es darum ging, den Sound von Boney M. zu formen. Ich möchte Franks tatsächlichen Beitrag gar nicht schmälern. Er war ein verdammt guter Produzent und der Kopf hinter allem, der all diese Faktoren zusammenbrachte. Allerdings war er kein Songwriter und er sollte nicht so tun, als hätte er sich bei uns um alles gekümmert, wie er mal in einem Fernsehinterview behauptete. Nein, das war ordentliches Teamwork von Leuten aus Deutschland, Amerika und der Karibik. Den wahren kreativen Köpfen hinter Boney M. sollte deshalb auch die entsprechende Anerkennung zuteil werden.

      Obwohl Frank den Sound eher formte, als ihn selbst zu komponieren, wurde er dennoch als Autor ausgewiesen. Somit war er an den Einkünften der Songwriter beteiligt.

      Das ist schon lange eine Grauzone im Musikbusiness. Songwriter mussten sich darauf einlassen, einen Prozentsatz ihrer Einkünfte abzugeben, weil ihre Songs sonst künftig nicht mehr zum Zuge kämen – und 70 Prozent der Vergütung eines Hits sind immer noch besser als 100 Prozent von nichts.

      Der Look von Boney M. resultierte ebenfalls aus Teamarbeit, obwohl es mitunter auch ganz schön beängstigend sein kann, wenn jemand anderes darüber entscheidet, wie wir schon früh herausfanden.

      Von Anfang an ließen wir uns von dem renommierten deutschen Rock-Fotografen Didi Zill ablichten. Er gehörte zu den besten seines Fachs und fotografierte fantastische Studio-Sessions mit so ziemlich jedem von Little Richard über Tina Turner bis zu Culture Club oder Alice Cooper. Von uns schoss er ein paar großartige Live-Aufnahmen und ich liebte es, mit ihm zu arbeiten. Ich war also rundum happy, als ich erfuhr, dass er die Fotos für die Plattenhülle von Take the Heat off Me schießen würde. Wir trafen ihn in einem Berliner Fotostudio und warteten darauf, dass die Beleuchtung eingerichtet wurde, als mir auffiel, dass etwas fehlte. Ich fragte also Frank, wo denn unsere Kostüme wären. Er meinte, ich müsste mir deswegen keine Sorgen machen, denn er wolle sie gerade abholen gehen. Fein. Als er dann zurückkehrte, hatte er nicht mehr dabei als eine kleine Einkaufstüte. Im ersten Moment dachte ich mir noch nichts dabei und fragte ihn erneut nach unseren Kostümen. Doch er grinste nur und hielt die Tüte hoch.

      Noch bevor er sie aufhielt, blieb uns die Spucke weg. Als wir drei Mädels dann die durchsichtigen Dessous, die sich darin befanden, erspähten, waren wir durch die Bank schockiert: „O nein! Was sollen wir bei diesem Fotoshooting machen?“ Obwohl wir auf der Bühne manchmal eher gewagt wirkten, waren wir abseits davon vier ganz gewöhnliche Leute mit ganz gewöhnlichen Neigungen – und auf keinen Fall wollten wir uns halbnackt vor drei oder vier Männern im Studio in Pose werfen. Didi eilte uns schließlich zuhilfe, da es ein Teil seines Jobs war, seine Motive in eine entspannte Stimmung zu versetzen – und Didi war sehr gut in seinem Job. Er machte gar keinen großen Wirbel, sondern schickte uns einfach in die Garderobe, wo wir unsere, ähem, Kostüme anlegen sollten. Allerdings durften wir unsere eigene Unterwäsche anbehalten und die dort bereitliegenden Bademäntel anziehen.

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