Kochwut. Ella Danz
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Bad und Küche waren die einzigen Räumlichkeiten in Güldenbrooks Wohnung, die modernen Bedürfnissen angepasst waren. Sie waren mit allem Notwendigen versehen, aber keineswegs luxuriös ausgestattet. Langsam ließ Jansen seinen Blick noch einmal durch das Arbeitszimmer schweifen.
»Ich glaube, wir haben alles gesehen, oder?«
Angermüller nickte.
»Denke ich auch. Komm, wir schauen mal, ob Steffen schon da ist.«
Nachdem sie sich mit Mühe von Frau Hase wieder losgeeist hatten, die ihnen in der Halle förmlich aufgelauert hatte und der Polizei unbedingt wichtige Hinweise geben wollte, die sich aber als vollkommen uninteressant erwiesen, kehrten sie ins Kavaliershaus zurück. Im Lager trafen sie als Ersten auf Ameise.
»Ich hab selten so einen sauberen Tatort gesehen, Kollegen!«, kommentierte der kopfschüttelnd, als er die beiden Kommissare bemerkte, die ihm sogleich ihre Ausbeute aus Güldenbrooks Wohnung in die Hand drückten. Ameise und der andere Kriminaltechniker waren immer noch dabei, in Lager und Kühlraum nach Spuren zu suchen, seien es Fußabdrücke, Faserreste, Fingerabdrücke, Blut oder andere DNA-Träger.
»Soweit wir das bis jetzt feststellen konnten, hat auch niemand Spuren beseitigt. Es waren schlicht keine vorhanden.«
»Das macht es uns nicht gerade leichter«, brummte Angermüller.
»Ihr werdet ja auch nicht dafür bezahlt, dass ihr es leicht habt, oder?«
»Sonst noch was, Meise?«
»Schon nach diesen ersten Eindrücken würde ich sagen, dass es keinen Kampf zwischen Täter und Opfer gab und der- oder diejenige gleich mit dem ersten Stich sauber das Ziel getroffen hat. Wenn du mich fragst: Das Ganze hat sich genau dort abgespielt, wo der Mann gefunden wurde. Mehr hab ich jetzt noch nicht auf der Pfanne.«
»Danke, Meise.«
Als sie an der Kühlzelle ankamen, hockte Steffen im weißen Overall neben dem Toten und war dabei, ihn fotografieren zu lassen. Der Fotograf, ebenfalls im Schutzanzug, drückte sich zwischen die an Fleischerhaken hängenden Tierteile, um die beste Position für seine Aufnahmen zu finden.
»Grüß dich, Steffen! Bist du schon länger hier?«
»Hallo Schorsch! Hallo Jansen! Bin vor einer knappen Stunde eingetroffen. Sehr passende Umgebung. Wenn auch ein wenig frisch.«
»Tja, können wir uns leider nicht aussuchen.«
»Ihr wollt schon was wissen, nehm ich an.«
»Wär’ nicht schlecht.«
»Tja, das ist wieder eine extra harte Nuss, die ihr mir hier zu knacken gebt.«
»Nicht absichtlich, das kannst du uns glauben! Wo ist das Problem?«
»Die Temperaturverhältnisse. Ich fürchte, da werd ich ein Weilchen rechnen müssen, um den Todeszeitpunkt festzulegen, und wie genau das dann sein wird …«
Steffen wiegte zweifelnd seinen Kopf hin und her.
»Normalerweise bestimme ich die Körperkerntemperatur, um den Todeszeitpunkt festzustellen. Ich berechne die Abkühlungszeit unter Berücksichtigung der Außentemperatur, des Körpergewichtes und der Auffindungsumstände. Diese Methode ist ziemlich exakt. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage: Wann wurde der Temperaturregler auf die jetzt angezeigten minus 20 Grad gestellt?«
»Ich würde annehmen, vom Täter gleich nach der Tat«, meinte Angermüller. »Aber wann war das?«
»Siehst du, das ist genau das Problem.«
Der Fotograf hatte seine Arbeit in der Kühlzelle beendet und verließ den engen Raum. Steffen war bekannt für seine akribische Arbeitsweise, und offensichtlich bereitete ihm die Aussicht, seine Ergebnisse nicht vernünftig absichern zu können, echtes Unbehagen. Obwohl er grundsätzlich keine Aussage mit hundertprozentiger Sicherheit traf, dafür war er viel zu genau und zu vorsichtig.
»Außerdem: Welche Temperatur herrschte vorher hier drin und wie lange braucht die Kühlzelle, um auf die jetzt hier angezeigten minus 20 runterzukühlen?«
»Was den Zeitpunkt der Tat angeht: Bisher haben wir eine Aussage, dass von Güldenbrook das letzte Mal lebend so gegen 17 Uhr gesehen wurde«, sagte Jansen. »Und normalerweise soll hier drin eine Temperatur von null bis zwei Grad gewesen sein.«
»Immerhin, das sind zwei Anhaltspunkte«, nickte der Rechtsmediziner. »Zur Todesursache: Da würde ich bereits jetzt die These hämorrhagischer Schock wagen.«
Steffen deutete auf die Stelle, wo das Messer immer noch in Güldenbrooks Brustkorb steckte.
»Ihr werdet auch gleich bemerkt haben, dass es äußerlich kaum sichtbare Blutspuren gibt. Der Stich muss die große Vene in Herznähe getroffen haben, und das Opfer ist so nach innen verblutet.«
»Glaubst du auch, dass es hier drinnen passiert ist?«, fragte Georg seinen Freund.
»Ich gehe davon aus, ja. Ich nehme an, der Täter hat ganz überraschend zugestochen, und das Opfer ist sofort hier zusammengesackt. Eventuell hat der Angreifer sogar selbst den Fall abgefangen und den Mann gestützt, als er zu Boden ging. Aber ich werde das selbstverständlich überprüfen, Hämatome, Abschürfungen, das ganze Spektrum.«
»Gut«, nickte Angermüller.
»Und jetzt wollt ihr wahrscheinlich wissen, wann ich euch mehr erzählen kann.«
»Du kennst uns doch.«
»Ich denke, spätestens morgen Vormittag«, versprach Steffen von Schmidt-Elm den Kommissaren. »Der Wagen, der ihn ins Institut bringen soll, ist schon hierher unterwegs.«
Der Rechtsmediziner erhob sich. Leiser sagte er dann zu Georg Angermüller: »Morgen Nachmittag habe ich einen wichtigen Termin am Flughafen.«
Georg musste erst einen Moment überlegen, was sein Freund damit meinte. Dann fiel ihm ein, dass David kommen würde. David war Steffens englischer Lebenspartner. Die beiden bewohnten seit Dezember ein gemeinsames Haus in Lübeck. David war als auf Kirchenmalerei spezialisierter Kunstrestaurator von internationalem Ruf viel unterwegs, weshalb die geplante offizielle Besiegelung ihrer Lebensgemeinschaft schon mehrfach verschoben worden war. Doch nun sollte das Ereignis, das den sonst so kontrollierten Steffen schon seit Monaten mit Nervosität und Spannung erfüllte, am nächsten Wochenende endlich über die Bühne gehen.
»Und vergiss nicht: morgen Abend, Schorsch!«
»20 Uhr, ich weiß!«
»Das ist vielleicht nicht gerade die richtige Inspiration dafür«, sagte Steffen leise mit einem kurzen Seitenblick auf den Toten und dann die Rinderkeulen ringsum. »Aber ich mach doch einen Tafelspitz.«
Georg war bei Steffen und David zum Essen eingeladen. Sie wollten Einzelheiten der Hochzeitsfeier besprechen, bei der Angermüller als Steffens Trauzeuge fungieren sollte.
»Da habe ich kein Problem mit«, meinte er zu seinem Freund. Im Gegenteil, bei einem guten Essen und einem Glas Wein fand der