Kranichtod. Thomas L. Viernau

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Kranichtod - Thomas L. Viernau

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Hektor Neidhardt von Quappendorff.

      Sein Neffe machte ihm etwas Sorgen. Dessen Naturell war ganz anders als bei den übrigen Quappendorffs, von einem krankhaften Geltungsdrang bestimmt. Der Baron führte diesen Drang auf die mütterliche Seite Lutgers zurück. Sein Bruder hatte eine Frau geheiratet, die sehr viel Wert auf Titel gelegt hatte und dafür auch eine Ehe mit einem fast zwanzig Jahre älteren Mann eingegangen war. Rochus warnte seinen Bruder vor dieser Liaison. Ihm war es suspekt, was diese junge ehrgeizige Frau mit seinem stillen und introvertierten Bruder anfangen wollte. Der frühe Tod des Bruders war wahrscheinlich auch auf den hektischen Lebensstil seiner jungen Gattin zurückzuführen.

      Alle drei waren im Stiftungsrat von Gut Lankenhorst. Dazu gesellte sich noch der Filialleiter der Märkischen Kreditbank aus der Kreisstadt Oranienburg, Gernot Hülpenbecker. Er verwaltete die Konten der Stiftung und war auch gleichzeitig zuständig für die persönliche Beratung Rochus‘ von Quappendorff in allen Geldfragen.

      Der Stiftungsrat traf sich quartalsweise auf dem Gut Lankenhorst zu seinen Sitzungen. Eigentlich waren die Sitzungen des Stiftungsrates ja mehr ein Familientreffen, zumal Gernot Hülpenbecker fast schon als Familienmitglied angesehen wurde. Er war ein Studienfreund der Töchter des alten Barons und begleitete ihn durch die Jahre mit freundschaftlichem Rat und tatkräftiger Hilfe.

      Die Idee, eine Stiftung aus dem alten Gut zu machen, war auch von Hülpenbecker gewesen. Alles andere jedoch war im Kopfe des alten Quappendorffs gewachsen. Endlich konnte er seine Vorhaben, die er schon als Gymnasiallehrer hatte, auch umsetzen. Überall, wo ihm die engen Strukturen der Schulverwaltung und die langsame Arbeitsweise der Behörden einen Strich durch die Rechnung machten, wurde er ausgebremst.

      Aber dieses alte Familienanwesen, an das er sich kaum noch erinnern konnte, bot plötzlich Raum für all das, wofür sich der alte Herr Zeit seines aktiven Schullebens eingesetzt hatte. Durch den Wegfall der Mauer konnte er endlich seine langgehegten Pläne umsetzen. Er brauchte auch nicht lange zu argumentieren, um seine Töchter und letztendlich auch seinen Neffen für die Idee eines Kunst- und Kulturzentrums auf Gut Lankenhorst zu begeistern.

      Alle wussten von seiner Passion. An seinem Gymnasium hatte er bereits vor über dreißig Jahren den Neubau einer schuleigenen Bibliothek mit Veranstaltungsräumen und kleiner Werkstatt durchgesetzt. Im Landkreis war man aufmerksam geworden auf ihn. Auch im Stadtrat engagierte er sich ehrenamtlich für diverse Kulturprojekte. Er war glücklich, dass auf seine Initiative hin direkt im Erdgeschoss des alten Rathauses eine Stadtgalerie eingerichtet und ein Posten des Ortschronisten ausgelobt wurde. Er kümmerte sich um den alten Stadtpark, der sonst wahrscheinlich zu Bauland umfunktioniert worden wäre, und er sorgte sich um die verkehrstechnische Anbindung der Dörfer aus dem Umland, so dass der Busverkehr im Kreisgebiet eine Vorbildfunktion für das gesamte Bundesland hatte.

      Baron von Quappendorff war ein Philanthrop durch und durch. Ihm schwebte ein Schloss vor, dass für jeden zugänglich war und dass als kultureller Mittelpunkt die ganze Region mit erblühen lassen sollte. Die Gegend rings um Lankenhorst war bisher vom Aufschwung weitgehend verschont geblieben.

      Von Berlin war es schon zu weit weg um noch vom »Speckgürtel« zu profitieren. Der »Speckgürtel« war ein knapp fünfzig Kilometer breiter Ring, der sich um die Hauptstadt zog. Die darin liegenden Ortschaften und Städte waren in den letzten sechzehn Jahren vom Glück begünstigt worden. Massive Investitionen in die Infrastruktur des »Speckgürtels« zahlten sich nun aus. Das Straßennetz war ausgebaut und modernisiert worden. Viele Orte hatten S-Bahnanschluss. Wohnparks und Gewerbegebiete schossen wie Pilze aus dem Boden und die Einwohnerzahl hatte sich fast verdoppelt. In den neuen, schönen Einfamilienhäusern wohnten gutverdienende Leute. Es gab viele Kinder und auch das Kulturangebot war entsprechend reichhaltig.

      Fuhr man jedoch etwas weiter hinaus ins Brandenburgische, dann änderte sich die Gegend schlagartig. Dünn besiedelt war hier das Land. In den Dörfern wohnten meist ältere Menschen und die Verlierer der Wende. Die Dorfstraßen waren rumplig und die Fassaden warteten noch auf ihre Verschönerung. Alte verlassene Backsteinbauten wuchsen wie das Dornröschenschloss langsam zu. Keiner wusste mehr so genau, was da mal früher drin gemacht worden war. Geschlossene Dorfkneipen und Läden weckten Erinnerungen an einstige Prosperität.

      Lankenhorst war so ein Dörfchen jenseits des »Speckgürtels«. Früher gab es hier sogar mal ein Kino. Das Gebäude stand sogar noch als baufällige Ruine mitten im Dorf. Bäume waren inzwischen hoch gewachsen und versteckten so gnädig den direkten Blick auf die Fassade. Auch die beiden Dorfkneipen waren schon seit Jahren verwaist. Der große Gasthof »Zur alten Linde« war mit dunkelbraunen Jalousien verbarrikadiert worden und die kleine Dorfkneipe mit dem verblassten Schild »Lankenhorster Krug« hatte nicht eine ganze Scheibe mehr. Die wenigen Kinder des Ortes hatten sich einen Spaß daraus gemacht, mit ihren Katapulten Zielschießen darauf zu veranstalten.

      Etwas versteckt am Rande des Dorfes lag das alte Gut mit seinem Park und den alten Wirtschaftshöfen. Auch sie boten jahrelang ein Bild des Jammers. Seit drei Jahren war das Gut wieder belebt. Der alte Quappendorff hatte als erstes Fenster und das Dach des Gutshauses instand setzen lassen, dann die Räume renoviert und eine Zentralheizung einbauen lassen. Der Park wurde vorsichtig entrümpelt und der kleine Teich im hinteren Teil des Parks sah nach zwei Sommern schon wieder ganz manierlich aus. Dennoch war das Pensum der noch zu bewältigenden Aufgaben immens.

      Quappendorff hatte vom Landkreis ein paar Strukturfonds anzapfen können und einige brauchbare Mitarbeiter wurden ihm auf Anfrage vermittelt. Aus der Vielzahl der Bewerber für die ausgeschriebenen Stellen hatte er sich drei Leute auserwählt. Den etwas unauffälligen Leuchtenbein, den praktisch veranlagten Zwiebel und die etwas schrille, dafür aber vielseitige Gunhild Praskowiak. Allesamt waren keine jungen Hüpfer mehr, hatten einige Brüche in ihrer Vita, aber waren doch für die Ideen des Barons zu begeistern. Im Übrigen arbeitete er sowieso lieber mit gestandenen Leuten als mit den jungen Hitzköpfen. Das hatte er lange genug als Lehrer praktizieren müssen – jetzt wollte er endlich einmal etwas effizient und zügig durchziehen.

      II

      Auszug aus dem Gutachten zur

      Schätzung und Taxierung des Grundstücks Lankenhorst

      A 47/2322/FG-XIII-Az. 03299/01

      Lage des Grundstücks: äußere Ortslage Dorf Lankenhorst

      Größe: 45 000 qm

      Ausweisung: denkmalgeschütztes Ensemble bestehend aus:

      1) Gutshaus, erbaut 1821, zweigeschossiger Bau mit

      2 Seitenflügeln und Walmdach, überdachte Fläche 1175 qm

      2) Torhaus, erbaut 1888, eingeschossiger Bau mit

      ausgebautem Dachgeschoß, überdachte Fläche 147 qm

      3) Pavillon, erbaut 1847, offener Rundbau, 22 qm

      4) Eiskeller, wahrscheinlich 1823 erbaut, einsturzgefährdet

      5) Park, alter Baumbestand mit 2400 Laubbäumen und ca.

      3000 Nadelbäumen, darunter zahlreiche seltene Arten (u.a.

      Eiben, Blutbuchen, Traubenstieleichen), Teich, ca.400 qm,

      umlaufende Mauer aus Feldsteinen, zwei Parktore, Zugang zum

      Hellsee mit Bootssteg und eigenem Ufer, befestigt

      Gesamtschätzwert: 418 000 Euro

      Gegenwärtiger Besitzer: Land Brandenburg

      Pacht:

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