Arkadiertod. Thomas L. Viernau
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Das öde Haus machte einen unbewohnten Eindruck. Jalousien ließen keinen Blick ins Innere zu. Die niedrige Tür war mit Brettern vernagelt.
Der Mann klopfte vorsichtig an die Jalousie des rechten Fensters, direkt neben der Tür. Dreimal kurz, dreimal lang, ein Geheimcode. Eine Kerze flackerte kurz auf, die Jalousie wurde angehoben und mit einem kühnen Schwung verschwand der Mann im Innern des Hauses.
Bei spärlichem Licht waren eine Handvoll Männer versammelt, die den Ankömmling gleich bedrängten.
»Nun sprecht! Was passierte in Thüringen?«
Der so Bedrängte schüttelte nur den Kopf. »Alles ist hin. Der Prinz ist gefallen, schon beim ersten Scharmützel. Eine Kugel zerfetzte ihm die Brust … Wir hatten keine Chance. Die Franzosen, sie sind uns über.«
Einer der Männer im Halbdunkel schaute seine Mitstreiter fest an. »Es werden schwierige Zeiten auf uns zukommen. Wir müssen uns wappnen. Nicht mehr lange, und Napoleon reitet in Berlin ein. Lasst uns Vorkehrungen treffen.«
Der König hat eine Bataille verloren.
Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht …
Graf von der Schulenburg im Oktober 1806
II
Berlin, Unter den Linden
Donnerstagnachmittag, 16. Oktober 1806
Die Stadt befand sich schon seit über einer Woche in einem eigenartigen Zustand der Lähmung. Ein Kaninchen, das vor der gefräßigen Schlange erstarrt und auf seinen Todesbiss wartet. Die Bewohner huschten wie Schatten durch die Gassen, bemüht, nur nicht aufzufallen. Jeder der hier Verbliebenen war in Gedanken weit weg.
Irgendwo im Thüringischen sollten die Armeen aufeinandertreffen. Der König hatte sein Heer in zwei Teilen gen Süden geschickt. Der Vormarsch der Franzosen und ihrer Verbündeten sollte vor den preußischen Grenzen gestoppt werden.
So war der Plan. Kein genialer Plan, aber dennoch ein Plan, gut genug um den Bürgern so etwas wie ein bisschen Hoffnung zu geben. Alles würde gut gehen. Die preußische Armee galt lange Jahre als ein unbesiegbares Wunderwerk. Ihr Ruhm war zwar schon etwas verblasst, aber viele der siegreichen Generäle aus des Alten Fritzens Zeiten waren noch da. Sie würden es schon richten.
Noch warteten alle auf ein Zeichen. Bisher waren nur spärliche Neuigkeiten durchgesickert. Bei Jena sollte es zu einem großen Gefecht gekommen sein. Dort war das erste Heer auf die Franzosen und deren Mitläufer gestoßen.
Heute früh war ein Bote eingetroffen. Er berichtete von einem zweiten Gefecht unweit des Dorfes Auerstedt. Hier sollte das zweite, größere Heer die Franzosen stellen. Drei Tage kämpften nun schon die Armeen.
Am Nachmittag kam ein zweiter Bote in die Stadt. Er war verwundet, blutete stark, stammelte nur. Wahrscheinlich fieberte er in einer Art Delirium. Was er bruchstückhaft von sich gab, war alles andere als ermutigend.
»Alles ist hin! Wir sind verloren. Die waren uns über.«
Etwas Branntwein brachten die Lebensgeister des Boten zurück. Doch was er berichtete, war erschreckend. Beide Preußenheere vernichtend geschlagen.
Napoleons Kavallerie habe alle in Grund und Boden geritten und seine Kanonen würden doppelt so schnell schießen wie die preußischen. Die Generäle Blücher und Scharnhorst wären die einzigen, die noch nennenswerten Widerstand leisteten. So sei wenigstens noch ein halbwegs geordneter Rückzug möglich. Der König sei auf der Flucht, Richtung Oder, zur Festung Küstrin.
Die Festungen Erfurt und Magdeburg hätten sich bereits kampflos ergeben. Napoleons Einmarsch in Preußens Herz Berlin, nur noch eine Frage der Zeit.
Panik machte sich breit. Ein Briefträger riss sich sein Schild mit dem preußischen Adler vom Arm, das ihn als Staatsbeamten auswies. Von den Fassaden wurden überall die Schwarzen Adler entfernt. Alles was auch nur entfernt an preußische Hoheitszeichen erinnerte, wurde von den beflissenen Berlinern übermalt oder abgehangen. Die königliche Kunstausstellung, die erst vor wenigen Wochen geöffnet hatte, schloss ihre Pforten. Man sah, wie eilig Portraitbüsten der königlichen Familie herausgetragen wurden.
Kopfschüttelnd standen ein paar Leute herum und beobachteten das konfuse Treiben ihrer Mitbürger. Wie konnte man nur so schnell die Seiten wechseln? Gab es denn überhaupt kein Ehrgefühl?
Eine sehnige Dame, die vor einem Modesalon herumwirtschaftete und bemüht war, ihr Aushängeschild mit dem schwarzen Preußenadler abzumontieren, lamentierte lautstark herum.
»Wir müssen seh’n wo wir bleiben. Der König haut einfach ab, doch wir müssen uns arrangieren. Keine Zeit für Sentimentalitäten!«
Sie sprach mit gewollt hochdeutschem Sprachduktus und versuchte, ihre Berliner Herkunft zu verleugnen.
Angewidert wandten sich die herumstehenden Männer ab. So etwas hatten sie sich in ihren schlimmsten Alpträumen nicht vorgestellt. Berlin kroch zu Kreuze. Einem Eroberer, der den preußischen Ungehorsam nicht vergessen würde.
Was für ein bitterer Tag war das!
Der Mann mit dem Zweispitz und dem zerfurchten Gesicht stand mitten in der kleinen Gruppe ratlos dreinschauender Männer, die Berlins vorzeitige Kapitulation miterleben mussten. Er musste hier weg. Die Stimmung kippte und er ahnte, dass er nicht mehr sicher war in der Stadt.
Er nickte seinen Begleitern kurz zu. Dann machte er sich auf den Weg. Durchs Brandenburger Tor, quer durch den Tiergarten, nach Charlottenburg und von da weiter Richtung Glienicke, über die Havel in die alte Residenz Potsdam.
Der Besuch Napoleons in der Gruft fand am oder bald nach dem 24. Oktober 1806 statt.
Die Worte: »... lebte er noch, so wären wir nicht hier« soll er angesichts des Degens Friedrich II., ich glaube, dann auf Sanssouci, gesprochen haben.
Hier in der Gruft sagte er nur: »Sic transit gloria mundi.« Draußen fragte er ..., was die Statuen neben der Gruft bedeuteten. Gey sprach etwas von heidnischen Gottheiten, allegorischen Figuren, Symbolen der Kriegskunst etc., als ob Napoleon nie von Mars und Minerva gehört hätte, worauf der Kaiser ihn anstarrte und dann mit einem lauten, langgezogenen »Bah« antwortete.
Theodor Fontane in
»Wanderungen durch die Mark Brandenburg«
Band 6 »Flecken und Dörfer im Lande Ruppin«
III
Potsdam, Park Sans,Souci.
Nacht vom Dienstag zum Mittwoch,