Sympathy For The Devil. Paul Trynka

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Sympathy For The Devil - Paul  Trynka

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Lebensunterhalt aufzukommen!“

      „Ich schätze es sehr, dass Sie mir das sagen“, entgegnete der 17-Jährige mit gespielter Ernsthaftigkeit. „Ich werde mich wirklich bemühen.“

      Stattdessen verschlechterte sich sein Verhalten bis hin zu einer offenen Konfrontation.

      Will man über die Gründe für die Rebellion eines Brians Jones spekulieren, nimmt die Vorliebe der Grammar School für konformistische Typen der „Gattung“ Rugby-Spieler gewiss einen vorderen Platz ein. David Protherough, Präfekt und Captain der Rugby XV, war das wohl eindrücklichste Beispiel für diese Bevorzugung, ein von den Lehrern geschätzter klassischer Sportfanatiker mit Empfehlung für Cambridge, trotz der Tatsache, dass er im Gegensatz zu Brian nicht mal zu den Besten gehörte. Unter den Rugby-Fans überaus beliebt und von anderen eher „als eine Art Rüpel“ angesehen, wurde Protherough von Brian zutiefst verabscheut. Diese „Ein-Mann-Verkörperung“ des Establishments zog auch die Verachtung anderer auf sich, darunter einige von Brians Klassenkameraden. Zudem war seine Freundin Glitch immun gegen Brians Annäherungsversuche.

      Die Fehde – von den Lehrern später als „die Protherough-Affäre“ tituliert, erreichte ihren Höhepunkt während des letzten Schuljahres. „Es war eine inszenierte Auseinandersetzung in der Mittagspause.“ Brian und ein Freund hatten einen Showdown mit dem Rugby-Captain eingefädelt, der „in einer Konfrontation mündete, einer höllischen Prügelei, bei der Brian der Anführer war.“ Die Lehrer lösten den Kampf auf, und Brian wurde erneut zur Rede gestellt. Doch es gab nur unzureichende Beweise, um ihn zu bestrafen, ohne dabei Protheroughs positive Aussichten zu gefährden. Trotz des Geredes über einen möglichen Schulverweis überstand Brian den ersten Akt offener Rebellion unbeschadet. Protherough besuchte später pflichtbewusst und problemlos Cambridge. Brian hingegen hatte den Graben zwischen sich und Bürohengsten und Autoritätsfiguren ein wenig tiefer ausgehoben.

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      In Alexis Korners Club in Ealing war die zweite Woche nach der Eröffnung angebrochen. Man hätte meinen können, die Anlaufschwierigkeiten wären nun behoben gewesen, doch nein: Die an der Decke kondensierte Feuchtigkeit tropfte gleichmäßig auf die Bühne herab, der Laden roch recht merkwürdig und das Bier war viel zu warm. Keith Scott klimperte sich durch seine Klavierpassagen, Alexis Korner spielte einfachste Akkorde auf der Rhythmusgitarre und ein junger Drummer namens Charlie spielte leichthändig und jazzig – sie alle wurden von der röhrenden, aggressiven Mundharmonika eines missgelaunten und aggressiven Cyril Davies angetrieben. Doch niemanden interessierte das. In diesem legendären Frühling des Jahres 1962 wurde die britische Rockmusik elektrisch aufgeladen, wie von Frankenstein höchstpersönlich mit einem Stromstoß ins Leben katapultiert und in die große, weite Welt gesandt. Wen kümmerte da schon ein kleiner Stromschlag, den man sich leicht auf der Bühne holen konnte?

      Mick Jagger gehörte zu den Besuchern dieses Schuppens. Wie üblich hatte er seinen „yankophilen“ Dad überredet, ihm für die 45-minütige Fahrt von Dartford nach Ealing die Familienkutsche auszuleihen. Er warf einen vorsichtigen Blick in den Raum, sein üblicherweise zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein ein wenig gedämpft. Ein Jahr lang hatten er, Keith Richards und Dick Taylor so getan, als seien sie ausgebuffte Blueser gewesen, doch letztendlich hatten sie nur in einem Wohnzimmer gespielt. Als Mick sich behutsam an Korner anschlich – mit einem Tape der Band in der Hand –, wurde er auf griechische Art herzlich begrüßt. Korner mochte die jugendliche Aufrichtigkeit und unterhielt sich mit dem dürren, aufstrebenden Bluesmusiker, wobei er wie ein exotischer Onkel wirkte, stilecht mit Bart. Klar, versicherte er ihm, er werde sich das Band der Blue Boys anhören, und möglicherweise gäbe es schon bald einen freien Platz im Programm.

      In dieser Woche hatten sich schon andere den Platz als Gastmusiker unter den Nagel gerissen. Auf der gerade mal zwanzig Zentimeter hohen, wackeligen Bühne wurden einige gehetzte Worte gewechselt, wonach Korner in seiner voluminösen, tiefen Stimme den Special Guest des Abends vorstellte: „Ladies and Gentlemen, heute Abend präsentiere ich Ihnen – Elmo Lewis an der Gitarre und P. P. Pond am Gesang!“

      Als der flüssige, glasklare und erotische Klang der Slide-Gitarre das Kellergewölbe durchdrang, streckten Dick und Keith ihre Köpfe in die Höhe und versuchten herauszufinden, wie zum Teufel noch mal der Musiker das bewerkstelligte. Korner, einer der ersten elektrischen Bluesgitarristen, die sie gesehen hatten, war gut, doch Elmo spielte viel besser – in der Art, wie er den abgehackten und prägnanten Rhythmus bei den Gesangsbeiträgen von Pond hielt und dann mit dem Bottleneck aus Glas die Saiten hochschoss, um seine Soli runterzuspielen. Der Typ an der Gitarre – kurze Haare, ernster Gesichtsausdruck, bekleidet mit einem weißen Hemd und Hosen mit Hahnentritt-Muster – wirkte unglaublich cool. Mit was für einer höllischen Gitarrenstimmung spielte der? Wie zum Teufel kriegte der Typ so einen Sound hin? Und überhaupt: Wer war der Kerl?

      Dick und Keith, die beiden Gitarristen der Blue Boys, versuchten erst gar nicht, ihren Schreck zu verstecken. „Der ist nicht nur gut“, meinte Dick zu seinem Kumpel von der Kunsthochschule. „Er ist sogar sehr, sehr gut!“

      Es wurde ein grandioser Abend. Man hätte es von der ersten Begegnung der zukünftigen Rolling Stones auch nicht anders erwartet. Der hoch konzentrierte und energiegeladene Brian Jones überzeugte Mick Jagger, Keith Richards und Dick Taylor über alle Maßen, denn sie waren im Frühjahr 1962 allenfalls Anfänger im Bereich der Musik, die Jones schon beherrschte. Die verschiedensten Überlegungen drehten sich in den Köpfen des Trios aus Dartford, doch eine Frage stand im Vordergrund: Wie zum Teufel hatte er so gut werden können?

      Innerhalb weniger Minuten war der Kontrast zwischen der musikalischen Entwicklung von Brian Jones und seinen zukünftigen Stones-Kollegen bei dieser ersten Begegnung offensichtlich geworden. Allerdings wusste niemand etwas über die beschwerliche und aufreibende Reise zum Herzen des Blues, die Brian bereits hinter sich hatte. Erstmalig können wir dokumentieren, dass Elmo Lewis (alias Brian Jones) hundert oder mehr Gigs absolviert hatte, bevor er sich auf die Bühne in Ealing stellte. Jedes einzelne Konzert vergrößerte die Kluft zwischen ihm und den nicht mehr ein noch aus wissenden Eltern.

      Ende der Fünfzigerjahre – jenes trostlosen Jahrzehnts der Unterdrückung und Anpassung – schien Brian immer noch in einem Netz aus Anforderungen gefangen zu sein, die andere an ihn stellten. Man behandelte ihn wie ein Kind, das den Wünschen der Eltern zu entsprechen hatte. Das Bestehen dreier A-Levels – Physik, Chemie und General Studies (in Biologie fiel er durch) – war zwar nicht sonderlich überraschend, aber damals durchaus respektabel. Sie genügten, um ihm den Weg zu einer Universität oder einer Fachhochschule zu ebnen. Louisa und Lewis beschlossen, ihm als Belohnung einen besondern Urlaub zu spendieren. Es wurde jedoch keine Familienreise, denn Lewis bekam bei Rotol im Sommer 1959 keinen Urlaub, und so schickte man Brian für sechs Wochen nach Deutschland, wo er bei Freunden wohnen durfte. In späteren Erzählungen über das Intermezzo schmückte Brian die Reise wie ein Wanderabenteuer aus – ein Mann und seine Gitarre, der Europa per Anhalter durchquerte. Tatsächlich waren die Gastgeber schon ungefähr im Alter seiner Eltern, und sein Aufenthalt bei ihnen ähnelte „einem offenen Strafvollzug“, wie er später einem Freund berichtete. Zurück in Großbritannien verstärkte sich der gesellschaftliche Anpassungsdruck, und Brian fügte sich dem Wunsch des Vaters, eine Ausbildung zum Optiker anzufangen. Er schrieb sich Berichten nach für das Fach „Angewandte Optik“ am Northampton Institute (später City University) in London ein. Die Lehrveranstaltungen sollten im September beginnen.

      Soweit wir wissen, vermisste Brian Val, doch nicht so intensiv, wie Val Brian vermisste. „Ihr Leben drehte sich nur um Brian“, berichtet Carole Goodsell, eine Freundin Vals. „Sie war ein offenherziger Mensch, fröhlich und freundlich – doch er bestimmte ihr ganzes Leben.“ Wenn Carole die Zeit mit Brian und Val verbrachte, empfand sie den aufstrebenden Musiker als „arrogant und selbstsüchtig – doch Valerie liebte ihn, und darauf kommt es ja eigentlich an“.

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