Okertal-Atlantis. Marie Kastner

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Okertal-Atlantis - Marie Kastner

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      Der Tatort lag im ersten Stock eines zweistöckigen Mehrfamilienhauses an der Karlstraße – und diese wiederum befand sich in einer ruhigen, grünen Wohnsiedlung in Wernigerodes Südwesten. Vor der Haustüre standen ein Krankenwagen und das Auto des Rechtsmediziners Rainer Müller.

      Die drei Neuankömmlinge bahnten sich ihren Weg durch eine Gruppe verstörter, höchst neugieriger Nachbarn, die sich leise im Treppenhaus unterhielten, und gelangten schließlich zur offenstehenden Wohnungstür im ersten Stock links.

      Steffen Beckert und Marit Schmidbauer wollten, genauso wie immer, unverzüglich die Mordwohnung betreten und mit den anwesenden Fachkollegen über erste Erkenntnisse zum Tathergang reden, doch Thomas Wolters bremste beide abrupt aus, indem er sich mit ausgebreiteten Armen vor sie drängelte.

      »Sie können da doch nicht einfach reinrennen und den Tatort kontaminieren!«, rügte er wichtigtuerisch.

      Beckert hielt seine krasse Geste für einen Scherz und grinste.

      »Schon klar. Und wie kommen wir jetzt rein, ohne Spuren zu hinterlassen? Fliegen wir einfach über den Boden, von oben bis unten verpackt in Ganzkörper-Kondome – oder was?«

      »Lassen Sie gefälligst die Albernheiten! Kontaminierte Tatorte haben schon häufig zu Fehlschlüssen verleitet, was Sie sehr genau wissen sollten. Denken Sie dazu nur an den Mordfall der Peggy Knobloch, wo eine mit Trugspuren verunreinigte Messlatte der thüringischen Polizei zur völlig falschen Annahme führte, Uwe Böhnhardt vom NSU hätte mit dem Mord des Mädchens zu tun gehabt. So etwas Dummes darf uns keinesfalls passieren«, wurde er in sachlichem Tonfall belehrt.

      Marit versuchte zu vermitteln.

      »Ja, das ist durchaus einzusehen. Also im Klartext. Wie kommen wir rein, ohne eigene Spuren zu hinterlassen? Der Schaden ist vermutlich eh schon angerichtet, wir sind nicht die Ersten am Tatort. Müller trägt zwar einen sterilen Anzug, aber dasselbe gilt keineswegs für die Rettungssanitäter.«

      In diesem Augenblick kamen besagte ›Spurenleger‹ mit ihrem Notfallköfferchen und der Trage aus dem Schlafzimmer, grüßten kurz und verschwanden. Für sie war der Einsatz beendet, sie hatten nichts mehr für die junge Frau tun können. Die war bei ihrem Eintreffen längst mausetot gewesen.

      »Also, dürfen wir jetzt hinein oder nicht?«, hakte Beckert nach.

      Wolters wirkte unschlüssig. Er ruderte ungern zurück.

      »Okay, gut … aber bitte mit Schuhüberzügen – und nichts ohne Handschuhe anfassen.« Er zog beides aus der Jackentasche.

      »Das versteht sich von selbst«, sagten seine Begleiter wie aus einem Munde. Ihr neuer Chef versuchte ganz offensichtlich, sie zu tölpelhaften Anfängern zu degradieren. Darüber würde man später Tacheles mit ihm reden müssen. Aber nicht jetzt gleich. Sie hatten schließlich einen Frauenmord aufzuklären.

      Also zogen Beckert und seine Begleiterin die übliche Prozedur durch, zum Glück unbeanstandet vom Chef. Der stellte nur hin und wieder Fragen, besonders an den Rechtsmediziner. Die Spurensicherung war inzwischen ebenfalls eingetroffen. Sie überließen diesem Kollegenteam den Tatort, zogen sich zurück.

      Näheres würde man über die jeweiligen Berichte erfahren.

      Weil Wolters mit im Einsatzfahrzeug saß, konnte Marit Schmidbauer auf dem Rückweg keinen Abstecher nach Elend einlegen, was sie und Steffen sonst zweifellos getan hätten. Sie hatte Bernd vor seiner Abreise nach Paris in die Hand versprochen, zweimal täglich bei Kater Felix vorbeizuschauen, ihn gut zu füttern und wenigstens immer kurz zu streicheln, damit die rotgetigerte Fellnase nicht zu sehr trauerte. Der dicke Kater kannte und mochte sie, wäre in ihrer winzigen Stadtwohnung aber nicht halb so gut aufgehoben gewesen.

      Kein Zweifel, es war so herum besser.

      Nach dem Dienst fuhr Marit kurz nach Hause, aß einen Bissen und duschte. Dann machte sie sich auf den Weg zu Bernds renoviertem Bauernhaus, das im vergangenen Sommer beinahe einem verheerenden Waldbrand zum Opfer gefallen wäre.

      Ihr liefen immer noch eiskalte Schauder den Rücken herunter, wenn sie an dieses absichtlich gelegte Großfeuer dachte. Seither fuhr sie sehr ungern durch größere Waldgebiete. Mutige Polizistin hin oder her, auch sie kannte diffuse Ängste.

      Marit bog auf den Hof ein und die Außenbeleuchtung flammte auf. Felix wartete schon am Fenster, rannte hektisch in Richtung Haustür, als sie aufsperrte. Er machte vor Freude einen veritablen Katzenbuckel, rieb sich an ihren Unterschenkeln und hinterließ auf ihrer schwarzen Jeanshose einen breiten Streifen roter Haare. Nachher würde wieder die Fusselrolle zu Ehren kommen.

      Während der Kater sich schmatzend seine Wampe vollschlug, setzte sie sich auf einen Küchenstuhl, kramte ihr Handy aus der Handtasche und drehte ein kurzes Video. Das schickte sie über WhatsApp an Bernd.

       Wo mag er gerade sein, was wird er machen? Vielleicht sitzt er mit ihr in einem schicken Restaurant … lieber nicht drüber nachdenken, Marit. Das zieht dich nur noch weiter runter.

      

      Kaum hatte der Stubentiger seine Mahlzeit beendet und leckte sich genüsslich die Reste vom Schnäuzchen, nahm sie ihn auf den linken Arm, drückte ihn liebevoll an ihre Brust und versuchte mit der freien Hand, ein Foto von sich und dem Kater zu schießen. Was gar nicht so einfach war, denn dieser verfressene Kerl wog über sechs Kilo und hielt nicht still. Es brauchte mehrere Anläufe, bis sie auch dieses Bild nach Frankreich absenden konnte.

       Vielleicht ist es unfair von mir, mich auf diese Weise in Erinnerung zu bringen. Kann sein, dass Julia sich darüber aufregt und ihm die Hölle heiß macht. Ach ja, was soll’s. Wenn ich sowas bleiben lassen soll, muss er es mir halt schreiben. Bislang kamen jedenfalls nur Smileys und lächelnde Katzen-Emojis zurück. Ich weiß, dass er sich über die Fotos freut.

      *

       01. Dezember 2018, Paris

      Nach knapp einer Woche hatte Bernd Mader längst die Schnauze voll. Es fiel immer schwerer, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, nur um Julia den Spaß nicht zu verderben.

      Für heute stand ein Besuch der Champs-Élysées an. Sie wollte einen Einkaufsbummel unternehmen, den Triumphbogen mit-samt Kreisverkehr anschauen und den Élysée-Palast bewundern.

      Am liebsten hätte er verweigert und wäre im Wellnessbereich des Hotels zurückgeblieben. Seine Frau verfügte zwar nach wie vor über ein eigenes Bankkonto, dessen Füllstand er nicht einmal kannte, und neigte auch keineswegs zu Kaufräuschen – aber mit ihr shoppen zu gehen, nervte trotzdem gewaltig.

      Nach seiner Erfahrung rannte sie in unzählige Geschäfte, sah sich Unmengen von Klamotten an und hatte an allem was auszusetzen. Einmal stimmte die Stoffqualität nicht, dann wieder das Preis-Leistungs-Verhältnis. Wenn ausnahmsweise mal alles passte und er schon vor Erleichterung aufatmen wollte, kaufte sie meistens doch nichts, verließ seufzend das Ladengeschäft. Mit der Begründung, dass sie ja eigentlich gar nichts Neues brauche. Was für eine öde Zeitverschwendung.

       Verstehe einer die Frauen! In diesem Punkt sind sie wohl alle gleich.

      Er wusste, weshalb er sie zu Hause nicht mehr in die Innenstadt begleitete, jedes Mal eine andere Ausrede aus dem Hut zauberte, bis sie es aufgab und mit einer Kollegin abschwirrte. Hier jedoch konnte er ihr

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