Radieschen von unten. Marie Kastner

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Radieschen von unten - Marie Kastner

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es mit aufgesetzter Coolness.

      Eigentlich hasste er selbergedrehte Zigaretten wie die Pest. Daheim dampfte er ausschließlich elektronisch.

      Die Pause war nun zu Ende, und die ungleichen Gärtner-Azubis kehrten murrend in den Klassenraum zurück.

      *

      

       06. Mai 2019, Revierkommissariat Wernigerode

      Die zierliche Brünette vor Ronny Weichelts Schreibtisch wirkte hibbelig. Sie gehörte offenbar zu jenen Menschen, welche, wenn sie meinten, unbedingt etwas loswerden zu müssen, schnell ungeduldig wurden. Er nahm den Blick vom Computermonitor.

      »Na, dann schießen Sie mal los, Frau Bilcher. Wer wird vermisst und seit wann genau?«

      »Meine Chefin Lara Schönhoff. Zuletzt haben wir sie vergangenen Montag an ihrem Arbeitsplatz gesehen. Wir arbeiten beim Gärtnereibetrieb Findeisen. Sie hat seither weder Urlaub eingetragen, noch ist sie krankgemeldet. Bei ihr daheim macht niemand auf. Ich erreiche sie nicht übers Festnetz und auch nicht über die Handynummer. Ihre Mails beantwortet sie ebenfalls nicht.«

      PHM Weichelt machte sich Notizen, wirkte erstaunt.

      »Sie sind also ihre Arbeitskollegin. Aber hat diese Frau Schönhoff gar keine Angehörigen, denen sie fehlt? Es kommt zwar gelegentlich schon mal vor, dass Kollegen, Nachbarn oder Freunde das Verschwinden einer Person melden. Zuerst fällt es jedoch üblicherweise den Familienangehörigen auf, wenn ein Mensch tagelang ohne ersichtlichen Grund abgängig ist. Haben Sie im privaten Umfeld Ihrer Chefin bereits Nachforschungen angestellt?«

      »Lara hat kein privates Umfeld mehr. Sie lebt allein.«

      »Also keinen Partner und keine Kinder?«

      »Nein. Nur einen Exmann. Und diesen arroganten Vollidioten rufe ich bestimmt nicht an. Außerdem dürfte er wohl kaum wissen, wo sie ist. Die beiden haben sich nicht im Guten getrennt.«

      »Verstehe. Sonstige Verwandtschaft?«

      »Die gibt es wohl, aber dazu kenne ich leider keine Namen. Lara hat mir ab und zu wilde Geschichten erzählt. Sie ist mit allen heillos zerstritten, und das seit Jahren. Ich weiß von einer jüngeren Schwester, von Onkels und Tanten. Ihre Mutter lebt auch noch, in Bremen, glaube ich. Doch die ist dement.«

      Der Polizeiobermeister kratzte sich seufzend am Hinterkopf.

      »Nicht sehr ergiebig, was? Schön, dann geben Sie mir bitte die Personalien. Mal sehen, was wir herausfinden. Geburtsdatum?«

      Einige Minuten lang fragte Weichelt alles an Personalien ab, was er wissen musste. Dann wurde es auf einmal anstrengend.

      »Also, das alte Passfoto aus den Unterlagen Ihres Personalbüros reichen Sie mir bitte nach, wie besprochen. Aber wir müssten natürlich auch wissen, wie sie heutzutage aussieht. Könnten Sie mir bitte eine möglichst genaue Personenbeschreibung geben?«

      »Ja natürlich, also … durchschnittlich, würde ich sagen.«

      »Durchschnittlich … was bitte wäre denn durchschnittlich? Diese vage Beschreibung kann ich wohl kaum in die Vermisstenanzeige eintragen. Sie haben mit Ihrer Kollegin jahrelang beim Findeisen zusammengearbeitet, da müsste das doch etwas genauer gehen«, grinste der Beamte süffisant.

      Die Frau dachte angestrengt nach, zuckte die Achseln.

      »Es ist aber so, wie ich sagte. Lara, die eigentlich Larissa heißt, ist weder groß noch klein, nicht besonders dick, aber auch nicht schlank. Ihr Gesicht … wie soll ich es Ihnen am besten klarmachen … hat absolut nichts Außergewöhnliches oder Attraktives an sich. Lara ist weder nennenswert hübsch noch auffallend hässlich. Gewöhnlich halt.

      Ihre Haarfarbe wäre fast noch schwieriger zu beschreiben. Ein stumpfes Asch-Hellbraun vielleicht, oder meinetwegen auch dunkelblond. Was weiß denn ich, irgendeine undefinierbare Straßenköter-Farbe. Sie trägt ihr Haar … «

      »Nein, lassen Sie mich bitte raten. Halblang, also auch durchschnittlich? Nicht lockig und nicht glatt?«, stöhnte Weichelt und änderte nebenbei den Vornamen der Vermissten im System von Lara auf Larissa.

      »Genau«, nickte die Gärtnerin.

      »Augenfarbe?«

      »Keinen blassen Schimmer, sorry.«

      »Nochmals zum Mitschreiben. Es handelt sich somit um eine mittelgroße Person, weiblich, die vom Gesicht her unscheinbar aussieht und bräunliches, halblanges Haar hat.«

      »Jetzt haben Sie es endlich kapiert. Das ist Larissa Schönhoff«, entgegnete sie überheblich.

      Der Polizist überging die Unverschämtheit einfach, blieb sachlich. Das war definitiv der schnellste Weg, diese nervige Frau vor seinem Schreibtisch wieder loszuwerden.

      »Beim Hereinkommen hatten Sie den Verdacht geäußert, dass Ihre Kollegin sogar ermordet worden sein könnte. Wie kommen Sie darauf, gibt es konkrete Hinweise auf Feinde oder Motive?«

      Ihr selbstbewusstes Lächeln erstarb. Sie betrachtete ihre Fingernägel, deren braunschwarze Trauerränder ihren Beruf verrieten. Vermutlich war sie direkt von der Arbeit hergekommen.

      Gegen das tägliche Wühlen in feuchter Erde sind Wasser und Seife wahrscheinlich machtlos, sinnierte Weichelt.

      »Feinde … wenn Sie damit Leute meinen, die Lara nicht ausstehen können, sie womöglich sogar hassen, müsste ich Ihnen eine Liste anfertigen. Eigentlich mochte sie niemand leiden, im Betrieb schon gar nicht – niemand außer mir. Privat ist sie auch überall angeeckt, was mich aber keineswegs wundert.

      Ich bin scheinbar die Einzige, die sich jemals die Mühe gemacht hat, hinter ihre beinharte Fassade zu schauen, um den wirklichen Menschen dahinter zu erkennen. Und der ist gar nicht so übel.

      Larissa hat eine ausgesprochen schwierige Kindheit durchlitten, mir einiges Schlimme anvertraut, nachdem wir uns angefreundet hatten. Es ist deshalb meines Erachtens kein Wunder, dass sie mit der Zeit so unnahbar geworden ist, von jedem Menschen erstmal nur Schlechtes denkt und ihn dementsprechend behandelt.

      Außerdem entwickelte sie im Laufe der Zeit einen krankhaften Ehrgeiz, wurde immer ärger zur sturen Perfektionistin. Die überzogen hohen Ansprüche, die sie an sich selbst stellt, überträgt sie leider auch auf andere Leute.

      Damit macht sie besonders unseren Azubis das Leben schwer. Kein Berichtsheft ist ihr akkurat genug geführt. Die Jungs und Mädels arbeiten ihr entweder zu lahmarschig – oder zu ungenau. Selbst an deren T-Shirts kritisiert sie herum, dabei geht es sie gar nichts an, was einer unter der Latzhose trägt.«

      »Na schön, dann fahnden wir nach einem menschlichen Ekelpaket, so wie Sie Ihre Kollegin darstellen. Aber ich muss Sie das jetzt nochmal fragen: Gab es konkrete Hinweise, dass ihr jemand ans Leder wollte, hat sie irgendwas darüber erzählt?«

      »Von einer Morddrohung weiß ich nichts. Aber ihrem Exmann Gerald würde ich einiges Üble zutrauen. Er hatte bereits vor ihr bei Findeisen gearbeitet. Der Chef stellte Lara damals bloß ihm zuliebe ein. Als die Ehe nach ein paar Jahren in die Brüche ging, schied Gerald aus und machte sich als Landschaftsgärtner selbständig,

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