Radieschen von unten. Marie Kastner

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Radieschen von unten - Marie Kastner

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weißer Zähne zeugten davon, dass er aus purer Lebensfreude mit der Sonne um die Wette strahlte. Sie beneidete ihn ein bisschen.

      Vermutlich steckte er voller Adrenalin. Marit bezweifelte, dass ihr der Surfsport denselben Spaß bereiten könnte, auch wenn sie sportlich und absolut kein ängstlicher Mensch war. Seine Kumpels gaben ihm High Five, gönnten ihm den Erfolg.

      Er sah plötzlich in ihre Richtung, lächelte immer noch. Ob es ihn störte, dass sie ihn so unverhohlen anschaute?

      Sie hielt den rechten Daumen nach oben, tat dann so, als würde sie ihm lautlos Beifall klatschen.

      Diese Geste schien ihn zu freuen. Er steuerte direkt auf sie zu. Während er in ihre Richtung schlenderte und immer näherkam, registrierte sie, dass sie sich bezüglich seines Alters anscheinend getäuscht hatte. In sein markantes Gesicht hatten sich um Augen und Mundpartie doch schon unzählige Lachfältchen eingegraben. Jetzt schätzte sie ihn eher auf Dreißig oder noch älter, doch das machte ihn für sie gleich noch interessanter.

      Nun passte er perfekt ins Beuteschema.

      »He, du brauchst doch nicht alleine hier am Rand herumzusitzen. Wenn du Lust hast, könntest du dich gerne zu uns gesellen. Der Strand wird nachher bei Flut ohnehin ziemlich schmal, da ist Zusammenrücken angesagt. Wird denen da drüben sicherlich gar nicht gefallen«, grinste er und zeigte auf das junge Pärchen, das gerade mächtig am Fummeln war.

       Ein Deutscher, wer hätte das gedacht. Die sind wirklich allgegenwärtig, selbst am entlegensten Strand trifft man Landsleute.

      »Falls die Youngsters noch einen Rest Schamgefühl besitzen, gehen sie eh gleich ins Hotel zurück. Die haben heute noch viel vor, möchte ich wetten«, grinste Marit verschmitzt.

      Kaum hatte sie die Worte fertig ausgesprochen, rollte der junge Mann auch schon hektisch die Strandmatte zusammen. Das Mädchen rückte ihren, im Eifer des Gefechts verrutschten, Bikini zurecht.

      Nur Minuten später stieg das heiß verliebte Pärchen händchenhaltend die Steintreppe hinauf und verschwand endgültig aus dem Blickfeld.

      »Beneidenswert«, seufzte der Surfer. Marit schloss daraus, dass er im Augenblick solo war, so schwer dieser Schluss angesichts seines Aussehens auch fallen mochte. Oder er wollte ihr diesen Eindruck absichtlich, aus taktischen Gründen, vermitteln – beispielsweise, weil er sie attraktiv fand. Einem Draufgänger wie ihm mussten die Frauen eigentlich scharenweise zu Füßen liegen.

      Egal. Sie befand sich in Urlaub, ergo in einer Ausnahmesituation, und da konnte man die Aufmerksamkeit eines tollen Mannes schon mal ungetrübt genießen. Sie war de facto immer noch solo, weil Bernd ewig brauchte, Julia endgültig den Laufpass zu geben. Außerdem … was auf La Palma geschah, würde auf La Palma bleiben. Scheißegal, wie viele Mädels der Typ womöglich gerade in der Mache hatte.

      Sie nickte, wenn auch leicht zeitverzögert, und stand behände auf, um ihm zu den vier anderen Jungs zu folgen.

      Er musterte sie neugierig von der Seite.

      »Verrätst du mir bitte noch deinen Vornamen? Ich muss dich meinen Freunden ja irgendwie vorstellen«, sagte seine angenehme Stimme auf dem Weg dahin.

      »Marit aus Wernigerode, ich mache hier Urlaub. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

      »Björn aus Barlovento.«

      »Soso, du wohnst hier auf der Insel. Aber woher stammst du ursprünglich? Skandinavien?«

      »Das glauben viele. Ich bin aber auf Teneriffa geboren, ergo ein waschechter Spanier. Meine Eltern sind in den Achtzigerjahren von Kiel auf die Kanaren ausgewandert und haben ein altes Haus hergerichtet. Dort durfte ich behütet, aber doch frei aufwachsen.

      Vor einer Weile habe ich mir mein eigenes Apartment gekauft. Die Immobilienkrise machte es möglich. Bis vor kurzem waren die Objekte auf der Insel traumhaft günstig zu haben.«

      »Ah so, deswegen hast du auf dem Surfbrett einiges drauf. Du bist damit großgeworden. Ähnlich wie deutsche Kinder, die allerdings bei der Wohnortwahl ihrer Eltern nicht dasselbe Glück hatten, mit dem Skateboard«, lachte Marit.

      »Genaugenommen habe ich mit dem Surfen erst vor ein paar Jahren angefangen, bin wohl ein Naturtalent. Mangels zahlungskräftiger Kundschaft gibt es auf dieser wunderbaren Insel nämlich noch keine einzige Surfschule. Eigentlich ist sowas kaum zu glauben, oder? Ich gedenke das aber demnächst zu ändern, werde Klasse statt Masse anbieten. Verstehst du das Konzept? Wenige, jedoch wohlhabende Kunden, die eine exklusive Rundumbetreuung genießen sollen«, plauderte der Weißkopfspanier.

      Der Rest dieses relaxten Strandnachmittags gestaltete sich wunderschön. Björn und seine Jungs entpuppten sich als intelligente, lebensfrohe Zeitgenossen, integrierten die fremde Urlauberin in ihre Gespräche, so als würde sie dazugehören. Einer von ihnen klimperte gekonnt Guantanamera auf seiner Gitarre, während die herabsinkende Sonne orangegoldene Lichtreflexe auf die Wellenkämme zauberte. Die Zeit war wie im Flug vergangen.

      »Wenn wir Puntallana noch halbwegs bei Tageslicht erreichen wollen, müssten wir jetzt allmählich aufbrechen. Die Sonne geht hier, ganz in der Nähe des Äquators, erheblich schneller unter als in Deutschland. Ich begleite dich gerne noch bis zu deinem Auto – oder wohin immer du möchtest«, erbot sich Björn kavalierhaft.

      Marit hatte längst registriert, dass er sich für sie interessierte und versuchte, den Abschied hinauszuzögern. Das schmeichelte ihr, und auch sie wollte seine Gesellschaft noch ein wenig länger genießen. So gönnten sie sich im Dorf noch einen Mojito, bevor Björn sie zum Abschied einfach fest in die Arme schloss.

      »Ich würde dich gerne wiedersehen«, gestand er unumwunden.

      »Dito. Wie wäre es gleich morgen?«, hörte sie sich sagen.

      »Wow, mit dir kann man echt was anfangen. Du bist herrlich unkompliziert und direkt. Sowas schätze ich sehr. Solche Frauen sind rar, und das nicht nur hier auf der kleinen Insel. Dabei ist das Leben so kurz, jeder Tag könnte der letzte sein. Man muss jeden einzelnen genießen, so gut es geht.

      Falls du auch mal aufs Brett steigen willst, empfiehlt sich der Strand Playa Nueva bei Porto Naos. Der ist besser für Anfänger geeignet, weil die Wellen an diesem Spot nicht gar so hoch werden. Die ersten Stunden entscheiden schließlich darüber, ob du diesem Sport jemals etwas abgewinnen kannst. Schluckst du nur Wasser, hat der Spaß schnell ein Loch.

      Wenn du möchtest, hole ich dich morgen früh bei deiner Pension ab und wir fahren zusammen dahin. Man ist von Santa Cruz aus zwar gut eine Stunde unterwegs, aber du würdest auch viel von der wunderbaren Landschaft zu sehen bekommen.

      Ich würde mich auf alle Fälle tierisch freuen, dir deine ersten Surfstunden geben zu dürfen. Völlig kostenlos, das versteht sich natürlich von selbst.«

      Sie zögerte keine zwei Sekunden. Dann gab sie ihm bereitwillig die Adresse ihrer Ferienpension am Rande von Santa Cruz und umarmte ihn ein weiteres Mal.

      Erst nach dem Zubettgehen kam ihr Bernd in den Sinn, aber ohne, dass der Gedanke an ihn großartig Emotionen weckte. Es fiel ihr schwer, dieses Phänomen einzuordnen, auch weil sie so lange um sein Herz gekämpft hatte.

      Es war schon kurios. Zurzeit bestand erstmals die Chance, mit ihrem Chef die ersehnte Liebesbeziehung zu beginnen. Er hatte bis zu ihrer Rückkehr ins Revier zwei Wochen Zeit, seine Angelegenheiten einigermaßen zu ordnen, den Weg für

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