Die Göttinnen. Heinrich Mann

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Die Göttinnen - Heinrich Mann

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zwischen den beiden zueinander geneigten Zypressen wiederholte die Herzogin:

      "Wir wollen recht oft einander sehen."

      Sie empfing den Besuch des Monsignor Tamburini, der ihr sagte:

      "Der Kardinal ist von der Ankunft Eurer Hoheit ganz entzückt."

      "Ich danke Seiner Eminenz aufrichtig."

      "Er unterhält jeden, der zu ihm kommt, von der berückenden Persönlichkeit der Herzogin von Assy. Ja, Herzogin, er ist begeistert von Ihnen und Ihrer Sache."

      "Begeistert?"

      "Und wie sollte er es nicht sein? Eine so edle Frau, und eine so große Angelegenheit! Die Freiheit eines Volkes! Dafür hegt der Kardinal das wärmste Mitgefühl. Er betet für Sie."

      "Betet?"

      "Und auch ich bete," fügte er hinzu und gab sich Mühe, sein Organ des weltlichen Fettes zu entkleiden.

      Sie verstummte. Er sagt stärkere Unwahrheiten, dachte sie, als die Höflichkeit ihm vorschreibt. Warum? Er rechtfertigte sich.

      "Die Kirche begünstigt bekanntlich jede Art werktätiger Liebe, und wie viele schöne Gesinnungen treten hier in den Dienst eines unglücklichen, von Tyrannei und Armut darnieder gedrückten Volkes. Sie, Frau Herzogin, sind die hehre Liebe selbst. Uneigennützige Gotteskämpfer wie der Marquis von San Bacco tragen das Feuer ihres Mutes herzu. Und darf der christliche Priester fehlen, wo Staatsmänner wie Pavic und Finanzleute wie Rustschuk eine wahrhaft biblische Gesinnung hegen? Sind sie doch klug wie die Schlangen und unschuldig wie die Tauben."

      "Besonders Rustschuk," meinte sie, ohne das Gesicht zu verziehen.

      "Rustschuk ist ein hochbedeutender Mann! Wir verfolgen seine Tätigkeit seit langem. Das Übergewicht, das ihm seine Geschicklichkeit unter den Kapitalisten des südöstlichen Europa verschafft hat, beschäftigt uns."

      "Also so wichtig ist mein Hausjud'?"

      "Hoheit! Ohne ihn oder gar gegen ihn ist in Dalmatien nichts auszurichten. Bedenken Sie, all das Geld!"

      Er wiederholte aus vollen Backen:

      "All das Geld! … Wer wirken und herrschen will unter den Menschen, braucht Mut, Klugheit und Geld: diese drei. Das Geld aber ist das höchste unter ihnen."

      "Monsignore, jetzt vergessen Sie die Liebe!"

      Eben war er ehrlich, sagte sie sich, und hörte ihn wieder süß werden. Er schwelgte in den seelischen Reizen einer großen Dame, die noch im jugendlichen Alter den Eitelkeiten der Welt den Rücken wendet.

      "Standen Sie nicht in der Fülle alles Glanzes, den eine vornehme Geburt, Reichtum, Schönheit und Anmut verleihen? Sie aber, Frau Herzogin, erachteten das alles für nichts. Noch in sehr jugendlichem Alter entsagten Sie und wurden Mutter, Trösterin und Fürsprecherin der Witwen, Verlassenen, Waisen und Bedrückten, der Darbenden und Hilflosen … Speiserin und Stillerin der Hungernden und Dürsten den, Schwester der Siechen…"

      Er nannte alle Zustände des menschlichen Elends, die ihm einfielen, und alle evangelischen Tugenden, zu denen sie Gelegenheit gaben. Seine Finger mit quadratischen Nägeln hoben und senkten sich nachzählend auf seinem schwarzen Gewande. Endlich hat er seine Gefühle genügend aufgemuntert, um auszurufen:

      "Am Krankenbett der Menschheit stehen Sie, Frau Herzogin, als dienende Magd, in der Glorie christlicher Demut!"

      Sie fand sich angewidert:

      "Ich bin weniger demütig als Sie glauben. Auch handle ich ohne Vorschrift, also unfromm."

      Er sah sie an, mit offenem Munde und stockendem Verständnis. Doch fasste er sich gleich.

      "Daher Ihre Prüfungen!" erklärte er triumphierend.

      "Sie tun viel Lobenswertes, ich leugne es nicht. Aber Sie tun es ohne den rechten Glauben. Und Gott sieht auf das Herz allein. Erkennen Sie dies, solange es noch Zeit ist!"

      Staunend horte sie ihn in einen barschen, landläufigen Predigerton verfallen.

      "Er ist ein Bauer," bemerkte sie im stillen. "Man kratze den Prälaten, und zum Vorschein kommt ein Landpfarrer."

      "Noch hat er Sie nicht verworfen, denn er ist überaus langmütig. Verbannung, Armut, Verlassenheit sind seine sanften Lockungen, dass Sie ihm folgen sollen. Folgen Sie ihm! Unterwerfen Sie sich der Gnade! Tun Sie es schon aus Klugheit! Sie sollen sehen, wie Ihnen dann alles gelingt! Ein wie reicher Lohn winkt Ihnen alsdann!"

      Sie warf dazwischen:

      "Wer hat ein Recht mich zu belohnen?"

      Doch überhörte er es. Er sang jetzt und wimmerte und warb, in der schulmüßigen Abstufung und unter der mimischen Begleitung, die ihn für seinen Beruf gelehrt war. Sie kannte Tamburini kaum noch. Seine Augen rollten, aus schiefem Kopf, verdreht und weiß zur Decke. Seinem sehr irdischen, noch kürzlich mit guten, gehaltvollen Speisen angefüllten Leibe entstieg eine völlig unvorhergesehene Verzückung. Auf die Dauer erfasste sie bei seinem Anblick eine Art Scham und etwas wie Verschüchterung. Sie folgte seinen Blicken: dort oben hing eine Muttergottes, ältlich, mit grellblauem, weit ausgebreitetem Mantel. Fromme Frauen und Heilige knieten verkleinert darunter, gleich untergekrochenen Küchlein.

      "Sub tuum praesidium refugimus!" rief Tamburini aus, und die Herzogin musste zugeben, er habe die begleitenden Umstände für sich. Die hässliche, dunkelgrüne Tapete mit ihrem leisen Weihrauchduft, die schwarzen, vom Gebrauch geglätteten Möbel, die zusammengestoßen nur noch gedämpft rumpelten, — alle die dumpfigen Erinnerungen in den geflossenen Zimmerchen dieser Priesterwohnung berechtigten seine Aufführung. "Er ist an seinem Platze," sagte sie sich. "Ich weniger."

      Er fühlte dasselbe. Seine Hände trafen ganz von selbst die Gegenstände, über die sie bei Andachtsübungen hinzugleiten pflegten. Über einem Betschemel hing ein Rosenkranz. Tamburini ließ sich nieder, beinahe unbewusst. Seine Finger legten sich ineinander, das lange Kleid schleppte hinter ihm. Ohne seiner Rede weiter zu folgen, betrachtete die Herzogin ihn, mit neu angeregter Teilnahme. Er erinnerte sie an das Bild manches jesuitischen Heiligen, der steif aufgepufft und starkknochig, himmlischen Gesichten unterlag. Das gallige, muskulöse Antlitz des Glückseligen deutete auf einen tüchtigen Verwalter und Geschäftsmann, einen hohen Ordensbeamten, der Übung besaß im harten Umspringen mit Menschen und im Handhaben großer Gelder. In freien Stunden unterhielt er sich manchmal, so wie man ihn gemalt hatte, mit schönen, reich entwickelten Engeln. Sie schwebten über dem Erdboden, doch mit Mühe, denn ihre Reize waren derb und sinnlich. Der Heilige erfreute sich dieser Sendlinge seines Paradieses mit Ernst und Zurückhaltung. Seine frommen Hände tasteten nicht einmal nach dem Untersten, Beleibtesten. Nur feuchteten sich die gen Himmel fliehenden Blicke, und die Lippe fiel wulstig aufs Kinn.

      Die Herzogin gab, in der Lebhaftigkeit ihrer Einbildung, einer seltsamen Versuchung nach. Plötzlich trat sie vor den Knieenden hin; sie erhob einen gerundeten Arm, sie streckte einen Fuß nach hinten, gleich dem größten der Engel auf jenen Altartafeln, und sie lächelte. Sogleich verzerrte Tamburini den Mund, ganz so wie am Abend, als er Lilian Cucuru den Orangensaft anbot, der über seine Finger geronnen war. Diese Wirkung genügte ihr. Sie ließ ihn, laut auflachend, allein.

      Nach Verlauf von drei Minuten kehrte sie ins Zimmer zurück und sagte:

      "Wenn es Ihnen recht ist, Monsignore,

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