Die Göttinnen. Heinrich Mann

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Die Göttinnen - Heinrich Mann

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stand ein wenig betreten da, doch im Grunde nicht unzufrieden mit dem Ausgang der Sache. Der Versuch, die Herzogin von Assy für den Glauben zu gewinnen, musste gemacht werden. Dass er aussichtslos sei, daran hatte der kluge Priester kaum gezweifelt. Er hatte einfach einer Gewissenspflicht genügt. Nun durfte er, endgültig beruhigt, zu sachlichen Verhandlungen schreiten, die seinem Geschmack und Wesen besser entsprachen als ekstatische Bekehrungsversuche, Er bot ihr in schlichten Worten für die dalmatinische Staatsumwälzung die Bundesgenossenschaft der Kirche an.

      "Endlich erkenne ich Sie wieder, Monsignore," entgegnete sie. "Sie sind ja ein viel zu starker Mensch, als dass Sie ein überzeugender Bußprediger sein könnten. Ich bitte Sie, mit einem römischen Profil spricht man nicht von Gnade und Jenseits."

      Er verbeugte sich, merklich geschmeichelt. Sie saßen sich höflich gegenüber und Tamburini erklärte ihr, sie habe ihre Unternehmungen romantisch, also falsch begonnen. Es gelte nun, sie nüchternen Sinnes fortzuführen. Die Kirche sei wesentlich praktisch, überstürzte Wagnisse lehne sie ab. Der Tropfen Öl, der jeden Sonntag von der Kanzel fließe, der bereite ein fernes, doch sicheres Feuerbad vor.

      "Noch besser, es wird alles milde und unvermerkt verlaufen. Ich wundere mich, dass es Euerer Hoheit bisher entgehen konnte, wie unwiderstehlich die Teilnahme der niederen Geistlichkeit Ihre Sache machen muss. Das Volk ist mit kleinen Abbaten durchsetzt, es sind seine Söhne, Brüder, Vettern und Schwäger. Jede größere Familie hat einen, und ordnet sich ihm unter bei allem was nicht Ernte oder Vieh ist. Überlassen Sie uns die Propaganda, Frau Herzogin, und nach einigen Jahren wird der Wille Ihres Volkes so klar sein und so zwingend, dass der jetzige Monarch den vom Marquis San Bacco erwähnten Reisesack ungebeten wieder zur Hand nimmt."

      Schließlich erklärte sie sich mit allem einverstanden.

      "Es erübrigt nur, uns über unsere Forderungen zu einigen. Ich brauche gegen meine Feinde die Hilfe der Kirche. Und Sie, was brauchen Sie."

      Er sah aus, als wüsste er nichts.

      "Ihre Bekehrung, Hoheit … wäre zu schön gewesen," fügte er rasch hinzu, angesichts ihres spöttischen Blickes.

      "Wir würden uns begnügen mit der des Baron Nustschuk."

      "Rustschuks Bekehrung! Ist er Ihnen unbekehrt noch nicht grotesk genug?"

      "Unterschätzen Sie ihn nicht. Wir halten ihn für den Berufenen, um im Osten das katholische Kapital zu organisieren gegen…"

      "Gegen?"

      "Gegen die Juden … Das wäre eine seiner würdige Aufgabe."

      "Allerdings," meinte sie. "Und das ist alles, was Sie verlangen?"

      Er redete lange, um sie zu überzeugen, dass das alles sei, und sie glaubte ihm nicht ungern. Es belustigte sie beträchtlich, am Horizont ihrer Zukunftspläne als den begehrtesten, ansehnlichsten Gegenstand ihren alten, treuen Hausjuden heraufsteigen zu sehen, mit weich schüttelndem Bauch und aufgeblättertem, roten Gesicht. Noch als Tamburini sich verabschiedete, wiederholte sie:

      "Jawohl, er muss bekehrt werden. So oft er auch schon getauft ist, — bekehrt ist er nicht. Und er muss bekehrt werden."

      "Es wäre ein großes Glück — für ihn und uns. Ich verehre den Herrn von Rustschuk hoch, sehr hoch. All' das Geld … All' das Geld!"

      Und Tamburini entfernte sich mit vollen Backen.

      Die Herzogin schuldete der Fürstin Cucuru einen Besuch. Die BN ging mit. Als sie in der Pension Dominici, Via Quattro Fontane, erschienen, schrie die Cucuru über die Köpfe der achtungsvoll verstummenden Gäste hinweg:

      "Sagen Sie der Herzogin von Assy, dass ich bei Tisch sitze und sie zu warten bitte."

      Die beiden Damen betraten den vom Speisezimmer durch einen schmutzig braunen Vorhang getrennten Salon. Er war voll von Plüschmöbeln, deren Lehnen durch die Arme und die Rücken ungezählter Fremdlinge hart und fuchsig gescheuert waren, und von Teppichen mit widerspenstig nach oben gerollten Ecken. Von der Decke hingen Festons, an den Wänden die Bildnisse des Wirtes und seiner Gattin. Vor Spiegeln in den Winkeln standen auf Konsolen aus grünem Blech gedrungene, neckische Biskuitfiguren, inmitten von Papierblumen, und trugen in vergoldeten Körbchen Rosen aus Seife. Alle diese Gegenstände schützte dicker Staub.

      Aus dem Nebenzimmer drang der Duft billiger Fette. Man hörte Bestecke klappern und das Kichern von Vinon Cucuru. Die Mutter heulte der an gewidert von ihrem Teller wegsehenden Lilian zu, sie solle sich pflegen. Tüchtig essen und täglich auf geordnete Verdauung halten, das sei die ganze Lebensweisheit.

      "Ich habe die kranken Knie und kann mir keine Bewegung machen. Aber ich trinke mein Vichywasser und verdaue ganz prächtig!"

      Sie versenkte sich in die liebevolle Beschreibung ihrer körperlichen Verrichtungen und kaute dabei unablässig, keuchend und nach Luft schnappend. Sie goss glucksend ein Glas Wein hinab, die Wangen der Greisin erblühten rosig unter ihrem weißen Scheitel. Sie faltete die Hände in gestrickten Halbhandschuhen über dem unförmlich vorgestreckten Bauche und genoss einen Augenblick der Abspannung und des Friedens. Dann nahte der fettige Kellner mit einem frischen Gericht, und die Begierde nach möglichst langer Erhaltung zwang die Lebenslustige zu neuer angestrengter Arbeit. Jeder Zugwind, der den braunen Vorhang aufflattern ließ, enthüllte den Besuchern nebenan das scheußliche Bild der sich nährenden Alten.

      Eine Magd zeigte sich in der Tür.

      "Carlotta!" schrie die Fürstin, "hast du den Rosenkranz gebetet? Gleich tust du es, sonst sage ich deinem Beichtvater, dass du heute Nacht wieder den Joseph in deinem Zimmer gehabt hast!"

      Die Magd verschwand.

      Endlich befahl sie: "La bouche!" Das Gebiss knackte, der Kautschukkolben ihres Stockes stieß auf den Boden.

      "Meine Leute!" rief sie den Bediensteten der Pension zu, "ihr kocht recht ordentlich, ich habe gut gegessen!"

      Sie ging auf die Herzogin los und wiederholte:

      "Man wird hier satt. Gesteh es, Lilian, man wird satt."

      "Schon vom Ansehen!" erklärte Lilian.

      Stöhnend fiel die Greisin in einen Sessel.

      "Machen Sie sich nichts aus dem Trödel hier in dem Lokal. Ich mache mir auch nichts daraus. Da, schaut die Reiterfigur auf dem Tischchen nicht aus wie schwere Bronze? Und nun stoß ich sie um, passt auf, mit einem einzigen Finger stoß ich sie um. Das ist kein Kunststück, es ist ja hohle Pappe! Ich pfeife drauf! Unsereiner, nicht wahr, Herzogin, nimmt in die elendeste Bude doch immer die große Welt mit."

      "Auch ins Bett des Tamburini?" dachten die Blà und die Herzogin gleichzeitig. Sie sahen sich an und errieten sich. Vinon lachte, und Lilian blickte, voll leidenden Hochmutes, über das ganze Zimmer hinweg, worin sie nur dem winzigen Stück eines Stuhlrandes und dem schmalen Raum unter ihren Füßen die Berührung mit ihrer Person gestattete. Die Greisin stampfte mit dem Krückstock.

      "Aber ich gedenke hier durchaus nicht mein Leben zu beschließen. Einen Palast will ich mir noch erobern durch meine Tätigkeit, und reich und groß soll meine Familie wieder werden. Ich arbeite, und meine Kinder lohnen es mir mit Undank. Mein Sohn, der in Neapel ich weiß nicht wie lebt, kommt und macht mir Szenen und wirft mir meine Geschäfte vor. Kümmere ich mich etwa um die seinigen? Ich glaube fast, er lässt die Frauen zahlen!"

      Sie

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