Menschen und andere Tiere. Mara-Daria Cojocaru
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Um aber die Aufgabe, richtig Tier zu werden, zu konkretisieren, lässt sich hier abschließend eine Formel ergänzen, auf die Richard Rorty durch Deweys Spätwerk gebracht wurde. Rorty spricht davon, dass der Mensch in Deweys Werk als eine weitere Art sichtbar wird, die eben genau das tut, was sie am besten kann.34 Die Bezeichnung: „Nur eine weitere Spezies, die ihr Bestes gibt“, wählt er, weil bei Dewey der Mensch als spezifisches Tier verstanden wird, das heißt als Organismus Mensch, der in einer sozialen und natürlichen Umwelt Probleme meistern muss. Dafür muss er seine tierliche Ausstattung zur Anwendung bringen, und Dewey spricht hier von der lebendigen Kreatur („live creature“), aus deren Perspektive sich erst erschließt, um welche Erfahrung es pragmatisch geht.
Zu dieser Ausstattung zählen qua Sozialwesen erstens soziale Institutionen wie Kultur, Moral und Politik. Hier wird Wissen generiert, und zwar auf soziale Weise, nicht von erkennenden Monaden. Zweitens zeichnen sich Sozialwesen wie der Mensch dadurch aus, dass die Individuen Probleme nicht schon und nicht ausschließlich sprachlich vermittelt begreifen, sondern dass sie vorbegrifflich affiziert werden, wenn es ein Problem gibt. Es gibt eine qualitative Dimension des Denkens. Menschen können beispielsweise wissen, dass es ein Problem gibt, weil sie den realen Zweifel spüren. Midgley würde vielleicht sagen, dass man buchstäblich riechen kann, wenn etwas stinkt. Dabei muss der Zweifel noch nicht einmal kulturell, moralisch oder politisch anerkannt und artikuliert sein – das ist kein Ausweis nutzlosen Querulantentums, sondern zu erwarten, wenn es darum geht, etwas zu klären, was noch nicht gewusst wird.
Diese Klärungen vollziehen sich dann aber in einer Gemeinschaft. Ein Zweifel ist nicht dann schon legitim, wenn ein Individuum ihn sich in den Kopf gesetzt hat. Menschen haben in der Geschichte der Menschheit auch davon profitiert, dass sie bestimmten Zweiflern und Mahnern gerade nicht gefolgt sind. Bei der von validierten Problemwahrnehmungen ausgehenden gemeinschaftlichen Suche nach Lösungen spielen dann weitere Aspekte eine Rolle, die den Menschen als ein besonderes Tier ausweisen. Diese Aspekte sind gewisse zu Tugenden gewordene Leidenschaften; Peirce nennt sie „logische Sentimente“ und ich erkläre sie in Kapitel 6 genauer. Sie können aber hier schon einmal einen Optimismus konkret machen, den es pragmatisch braucht: Menschen müssen der jeweiligen Erkenntnisgemeinschaft verpflichtet sein, sprich: Sie müssen an das Projekt gemeinschaftlicher Problemlösung und wechselseitiger Kritik glauben, sie müssen einander als Gleiche begegnen und das Problemlösen mit einer gewissen Selbstlosigkeit betreiben, und sie müssen dabei hoffen, dass es letztlich wirklich etwas zu erkennen gibt.
Diese Tugenden sind in der Erforschung von Problemen wirkmächtig und sollen in den Wirrnissen, die das moralische Leben auch emotional mit sich bringt, Orientierung verschaffen, und zwar, weil diese Art von Erkenntnis, auch in Form von Ethik und Politik, für den Menschen ein Erfolgsprojekt gewesen ist. Da aber andere Tiere die längste Zeit nicht von diesen menschlichen Institutionen und der Art und Weise, wie Menschen in ihnen ihre Emotionen prozessieren und kultivieren, profitiert haben, geht es im nächsten Kapitel zunächst darum zu zeigen, warum Ethik ein mehr als nur menschliches Projekt sein sollte.
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