Der Zukunftscode. Theresa Cheung
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Ruhelos und vom Drang erfüllt, mich zu bewegen, stand ich auf und ging laufen, um das Unbehagen abzuschütteln. Die Bewegung half mir, mich zu entspannen, und als ich ein paar Stunden später meinen allmorgendlichen Tätigkeiten nachging, fühlte ich mich energetisiert. Und ich war aufgeregt: Am Nachmittag sollte mein erstes Radiointerview stattfinden. Thema war eine Artikelreihe, die ich für die Lokalzeitung schreiben wollte und die sich mit ganz gewöhnlichen Menschen beschäftigten, deren Leben vom Außergewöhnlichen berührt worden waren. Eine dieser Geschichten handelte von einer Frau, die ich interviewt hatte und die behauptete, sie könne Engel sehen. Dieser Artikel stieß auf großes Interesse.
Normalerweise bin ich gut organisiert, aber aus irgendeinem Grund hatte ich die Zeit für das Interview falsch abgespeichert. Als ich irgendwann im Terminkalender nochmals die genaue Uhrzeit nachsah, war ich schon spät dran und hätte längst unterwegs sein sollen. Hektisch sprang ich ins Auto und fuhr los, um noch rechtzeitig im Studio zu sein. Wenn ich pünktlich ankommen wollte, musste ich das Gaspedal durchdrücken. Zunächst lief alles gut, die Straßen waren frei, und es sah ganz so aus, als würde ich es schaffen. Doch dann blieb ich hinter zwei riesigen Lastwagen hängen, die mit gefühlten 30 Kilometern pro Stunde vor mir herschlichen. Wahrscheinlich fuhren sie in Wahrheit viel schneller, aber wenn man es eilig hat, kommt einem alles, was vor einem fährt, zu langsam vor. Mehrmals setzte ich zum Überholen an, bekam aber keinen freien Blick auf den Gegenverkehr und musste mich damit abfinden, hinter den beiden Lastwagen herzuzuckeln.
Schließlich kamen wir an eine Kreuzung, und ich überlegte. Ich könnte links abbiegen, den langsam fahrenden Lastwagen auf einer kürzeren Route weiter folgen und kurz vor knapp das Studio erreichen, oder ich könnte nach rechts abbiegen, die Lastwagen hinter mir lassen, dafür aber einen Umweg in Kauf nehmen. Ich wollte gerade nach links abbiegen und bis zum Ziel weiter hinter den Lastwagen bleiben, als wie aus dem Nichts der Traum von letzter Nacht vor meinem inneren Auge aufblitzte. Wieder hörte ich die Stimme meiner Mutter, die meinen Namen rief und mich sachte drängte, den rechten Weg zu nehmen. Es fühlte sich an wie ein Déjà-vu. Ich war schon mal hier gewesen. Ohne zu zögern und ohne wirklich zu verstehen, warum, bog ich nach rechts ab.
Wie vermutet, brauchte ich länger als gedacht und kam etwa fünf Minuten zu spät beim Sender an. Damals gab es noch keine Handys, also konnte ich nicht von unterwegs anrufen und sagen, dass ich auf dem Weg war und gleich da sein würde. Im Studio hatten sie angenommen, dass ich nicht mehr käme und das Interview abgesagt. Ich flehte sie an, mich noch in den Aufnahmeraum zu lassen und das Interview eben etwas später zu beginnen, aber vergebens. Schlimmer noch, das Netzwerk hatte keinen weiteren freien Slot, um das Interview nachzuholen. Ich war natürlich enttäuscht, und obendrein sollte ich, obwohl ich das damals nicht wusste, nochmals zehn Jahre warten müssen, bis ich wieder von einem Radiosender eingeladen wurde, über meine paranormalen Forschungen zu sprechen.
Auf dem Rückweg war ich frustriert und wütend über eine verpasste Gelegenheit und die verschwendete Zeit. Wäre ich doch nur ein paar Minuten früher losgefahren und hätte diese Lastwagen vermieden! Hätte ich doch nur eher an den Interviewtermin gedacht, statt dann hetzen zu müssen und dennoch zu spät zu kommen! Als sich der Verkehr immer mehr verlangsamte und schließlich ganz zum Erliegen kam, wurde ich noch gereizter. Doch meine Wut schlug in Entsetzen um, als vor mir die Szenerie eines offensichtlich schrecklichen Unfalls in Sicht kam. Unweit der Kreuzung, an der ich mich dazu entschieden hatte, rechts und nicht, wie zuerst beabsichtigt, links abzubiegen, war einer der Lkws, denen ich so lange hinterhergeschlichen war, von der Straße abgekommen. Drei oder mehr Autos – in dem Chaos war das schwer zu sagen – waren in den Truck und ineinandergerast. Das Auto direkt hinter dem Lkw – das wäre mein Auto gewesen – war ein Wrack, und die beiden Fahrzeuge dahinter sahen auch nicht viel besser aus.
Später am Abend schaltete ich den Fernseher ein, um die lokalen Nachrichten zu verfolgen. Bilder des Unfalls flimmerten über den Bildschirm. Ein streunender Hund war zwischen dem ersten und zweiten Lastwagen auf die Straße gerannt. Der zweite Lkw-Fahrer hatte scharf abgebremst, und die nachfolgenden Autos waren in ihn hineingerast. Dem Lastwagenfahrer und dem Hund war nichts passiert, doch das frisch verheiratete Pärchen im Auto unmittelbar dahinter und der Fahrer eines der anderen Autos hatten weniger Glück gehabt. Alle drei waren beim Aufprall ums Leben gekommen.
Mit ihrer Ermahnung, ich solle den rechten Weg nehmen, hatte die Stimme meiner Mutter, wie sie mir im Traum begegnet war, an diesem Tag mein Leben gerettet. Ich hatte nicht erwartet, jemals einen Beweis dafür zu finden, dass wir mehr sind als nur unser physischer Körper, aber nun hatte mir unverhofft eine Vorahnung in einem Traum ebendiesen Beweis geliefert.
Man könnte meinen, ich wäre begeistert gewesen. Schließlich war ich in eine Familie von Sehern und Spiritualisten hineingeboren worden und umgeben von Menschen, die das besaßen, was wir »den Blick« nannten. Ich hatte schon mein ganzes Leben mit meiner offenkundigen Unfähigkeit gehadert, das Unsichtbare zu sehen – und jetzt hatte ich endlich selbst eine konkrete und direkte Erfahrung damit gemacht. Doch statt Begeisterung fühlte ich mich elend und unwürdig. Warum war mein Leben und nicht das dieser drei Menschen verschont worden? Das Ganze kam mir weniger wundersam als vielmehr willkürlich und sinnlos vor.
In dieser Nacht hatte ich einen weiteren starken Traum, einen, in dem ich mich mit den drei Opfern des Unfalls im Geiste verbunden fühlte und sie mir versicherten, dass es ihnen gut gehe und alles in Ordnung sei. Ich bin mir voll und ganz bewusst, dass meine Nachtvision wissenschaftlich nicht bewiesen werden kann und womöglich bloßes Wunschdenken war, aber sie hat mir großen Trost gespendet. Am nächsten Morgen wachte ich erfüllt mit dem brennenden Ehrgeiz auf, die bei dem Unfall gestorbenen Geister stolz zu machen und mich der mir gegebenen Chance würdig zu erweisen, die Menschen darüber zu informieren, dass es zwischen Himmel und Erden definitiv mehr gibt, als das Auge sieht.
Bereits vor dem Traum, der mein Leben rettete, hatten mich Träume und ihre Bedeutung fasziniert. Aber von diesem Tag an rückten Träume für mich immer mehr in den Mittelpunkt. Ich fing ernsthaft an, ein Traumtagebuch zu führen, und stieß so nach und nach auf Themen und Muster, die in meinen Träumen wiederkehrten – darunter auch Träume, die sich später im wirklichen Leben zu wiederholen schienen. Ich recherchierte die verschiedenen Interpretationen von Traumsymbolen und verzeichnete sie in einer Datenbank.
Ich fand die Traumdeutung überaus faszinierend, und wie so oft im Leben, wenn man seine Energie auf etwas richtet, spiegelt das Leben einem diese Energie zurück. Man könnte es das Gesetz der Anziehung nennen oder einfach nur, dass man stets das zurückbekommt, was man gibt. Im Jahr 2005, nachdem ich meinen ersten Sunday-Times-Bestseller über spirituelle Titel verfasst hatte, bot mir mein damaliger Verlag HarperCollins die erstaunliche Gelegenheit, The Element Encyclopedia of 20,000 Dreams zu schreiben. Bei der Enzyklopädie handelte es sich um eine gigantische Ressource für Trauminterpretationen, an der ich über ein Jahr saß und die zu einem internationalen Bestseller wurde. Die kürzere Taschenbuchversion, The Dream Dictionary, gilt nach wie vor als Klassiker der Trauminterpretation und ist in Buchhandlungen auf der ganzen Welt erhältlich.
Vor drei Jahren habe ich mich zum ersten Mal mit Julia Mossbridge in Verbindung gesetzt, nachdem ich von ihrer bahnbrechenden Forschung zur Intuition bei IONS gehört hatte und ich ihre Gedanken in ein Buch einbeziehen wollte, das ich damals schrieb.