Sommerleithe. Klaus Weise

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Sommerleithe - Klaus Weise

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Gott und der Garten

       48. Zu neuen Ufern

       49. Nicht hart – und auch nicht Schluss

       50. Zu noch neueren Ufern

       51. Die Erinnerung

       52. Vielleicht war alles auch völlig anders

       53. «Schulen der Sprachlosigkeit»

       54. Abschied

       Fine ohne Ende

       Über den Autor

       Über dieses Buch

       Impressum

       Sommerleithe

      Wortbegehung einer Kindheit diesseits und

      jenseits der Zonengrenze

      Eine Geschichte als wahr zu bezeichnen,

      ist eine Beleidigung für Kunst und Wahrheit zugleich.

       Vladimir Nabokov: Vorlesungen über westeuropäische Literatur

      Wenn die Natur aus ist, das ist, wenn die Natur aus ist.

      Wenn die Welt so finster wird,

      daß man mit den Händen an ihr herumtappen muß,

      daß man meint, sie verrinnt wie Spinneweb.

      Das ist so, wenn etwas ist und doch nicht ist,

      wenn alles dunkel ist und nur noch ein roter Schein im Westen,

      wie von einer Esse. Wenn …

      Die Schwämme … da, da steckt’s. Haben Sie schon gesehen,

      in was für Figuren die Schwämme aus dem Boden wachsen?

      Wer das lesen könnt.

       Georg Büchner: Woyzeck

      1.

       Poor boy, you’re bound to die

      Es begann mit einem Spaß. In einem weit zurückliegenden Damals.

      Das Licht wurde ausgeknipst, zwei kräftige Männerhände packten mich, hoben mich nach oben unter die Decke, als wäre ich leicht wie eine Feder, und ich, reflexartig den Schwung ausnutzend, streckte meine Arme aus, umfasste einen schwarzen Räucherspieß, hielt mich fest – und hing im Himmel. In einem Himmel aus Schinken, Wurst und Speck.

      Da hing ich nun. Wo niemand jemals vor mir hing. Ganz oben. Ich. Herrscher über ein riesiges Reich. Über den roten Wolf, über Kutter, Kühlhaus, Messer, Hackklotz, Wurstkessel und Räucherkammer, über alles und alle, die mir dienten, damit aus Schweinehälften und Rindervierteln, aus Kälbern, Färsen, Zicklein und Spanferkeln entstehe, was alle wollen und brauchen: etwas zu essen. Nein. Nicht etwas. Sondern Fleisch und Wurst. Und nicht irgendwelches Fleisch und irgendwelche Wurst, sondern das beste Fleisch und die beste Wurst weit und breit. In Lusan, in Gera und darüber hinaus. Ich war der König, der kleine König der elterlichen Metzgerei.

      Innerhalb weniger Sekunden wurde ich aus der Welt, in der man mit den Füßen auf festem Boden steht, erhoben in eine andere Welt, eine Welt, in der der Körper schwebt, die Beine und die Füße baumeln und der Kopf auf faszinierende Art verwirrt und berauscht ist.

      Und wenn der Boden unter mir auch nicht verschwunden ist, sondern nur sehr, sehr weit weg, erscheint es mir, als hinge ich, wenn nicht im Himmel, so doch zumindest im halben Himmel, im Metzgerhimmel als der Vorstufe zum Himmel.

      Wer durfte, wer konnte das in meinem Alter schon erleben! Ich halte mich fest an einem Stock, schwarz wie Ebenholz. Doch nicht ängstlich, wie sich Erwachsene an der Haltestange unter dem Dach der Straßenbahn festhalten würden, wenn plötzlich unter ihren Füßen der lange Gang mit den vollbesetzten Sitzen verschwände, sich mit Fahrer und Schaffner in bedrohliche Tiefe entfernte, in die hinabzustürzen den sicheren Tod bedeutete.

      Nein, ich hatte keine Angst, sondern war kraftvoll und stolz. Denn neben mir hingen keine verängstigten Fahrgäste einer Straßenbahn, sondern ihres Wertes und ihrer Würde sich bewusste und sich erhaben fühlende Würste, Schinken und Speckseiten. Sollten sie sich über meine unerwartete Anwesenheit, über das Eindringen eines Fremdlings in ihr Revier gewundert, geärgert oder gefreut haben, so ließen sie sich das, souverän wie sie waren, nicht ansehen und anmerken. Ich glaube, sie waren verwundert, denn noch nie hatte sich ein menschliches Wesen in ihr Reich gewagt. Außer eben ich. Jetzt. Um sie mit meiner Anwesenheit zu grüßen und ihre Anerkennung zu bekommen für mein mutiges Vordringen in ihr Fleischerreich. Meine Freude war riesig. Und ich glaube gespürt zu haben, dass man sie hier oben nach der ersten Verwunderung über meine unerwartete Tat durchaus mit mir teilte.

      Tief zu meinen Füßen saßen keine Menschen im Abgrund einer Straßenbahn, sondern dort lag, wie ich ohne hinunterzublicken wusste, in mattem Glanz ein dunkler, einsamer und gnadenlos harter Steinfußboden, der meinen ganzen Mannesmut herausforderte. Denn so schnell die Arme mich gegriffen und in den Himmel gehievt hatten, so schnell senkten sie sich hinab und verschwanden im dunklen Licht der Abendstunde – statt zur Sicherheit neben mir zu verharren, um mich, sollten meine Finger abrutschen und ich in die Tiefe stürzen, aufzufangen, zu retten und auf sicheren Grund zu stellen. Und mit den Armen verschwanden auch die Körper und die lachenden Gesichter der beiden Männer in der Dunkelheit, die schon aus den Ecken kroch, während es draußen noch taghell war. Ich hörte die Tür ins Schloss fallen, hörte, wie der Schlüssel gedreht und das Schloss verriegelt wurde.

      Dann war Stille. Ich lauschte in sie hinein – und hörte nichts. Der Raum lag in trägem Dämmerlicht und schwieg. Doch die Faszination, die Freude und der Stolz, hier oben hängen zu dürfen, wurden von der langsam sich ausbreitenden Finsternis geschluckt. Angst beschlich mich – und die Frage: Wie lange würde ich hier oben hängen können, ohne abzustürzen? Soeben noch ein über sich selbst hinauswachsender Abenteurer, war ich nun ein Gefangener, abgehängt im Gestänge einer Welt, die nicht für mich bestimmt war und die ich gerade deswegen neugierig hatte erobern wollen.

      Ich war allein. Verlassen. Eingesperrt. Wo war meine Mutter? Auf sie konnte ich mich immer verlassen. Es brauchte keinen Anlass. Hatte ich etwas ausgefressen: Sie war für mich da. Wollte ich sie einfach nur umarmen und ihr einen Kuss geben: Sie war für mich da. Wo war sie, jetzt, als ich sie brauchte?

      Mein Vater und sein

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