Vom Verlust der Freiheit. Raymond Unger

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Vom Verlust der Freiheit - Raymond Unger

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Mainstream. Seit jeher zählt hier die Bejahung der freien Märkte, und schon immer gab es ein tiefes Misstrauen gegen den Staat. Zudem ist Kalifornien das Eldorado freiheitsliebender Individualisten, die sich gegen die Konventionen der alten Welt gestellt haben. Die klassische Aufspaltung in »böse Kapitalisten« und »gute Sozialisten« hat es im Westen der USA nie gegeben. Sowohl linke wie rechte Kräfte schauten skeptisch auf einen zu starken Staat, und beide Seiten eint ein liberaler Grundgedanke.

       »Dieser neue Glaube entwickelte sich aus einer seltsamen Verschmelzung der kulturellen Boheme aus San Francisco mit den High-Tech-Industrien von Silicon Valley. Von Zeitschriften, Büchern, Fernsehprogrammen, Websites, News-Groups und Netzkonferenzen unterstützt, verbindet die kalifornische Ideologie klammheimlich den frei schwebenden Geist der Hippies mit dem unternehmerischen Antrieb der Yuppies. Diese Verschmelzung der Gegensätze wurde durch einen tief reichenden Glauben an das emanzipatorische Potenzial der neuen Informationstechnologien bewirkt. In der digitalen Utopie wird jeder gut drauf und reich sein. Diese optimistische Vision wurde, keineswegs überraschend, begeistert von Computer-Enthusiasten, faulen Studenten, innovativen Kapitalisten, sozialen Aktivisten, modischen Akademien, futuristischen Bürokraten und opportunistischen Bürokraten überall in den Vereinigten Staaten angenommen. Wie immer beeilten sich die Europäer, den letzten Schrei von Amerika nachzuahmen. […] Wer hätte gedacht, dass eine solch widersprüchliche Mischung aus technologischem Determinismus und liberalem Individualismus zur hybriden Orthodoxie des Informationszeitalters würde? Und wer hätte vermutet, dass es mit der zunehmenden Verehrung der Technologie immer weniger möglich würde, irgendetwas Sinnvolles über die Gesellschaft zu sagen, in der sie eingesetzt wird? […] Die kalifornische Ideologie spiegelt daher gleichzeitig die Disziplin der Marktökonomie und die Freiheiten des künstlerischen Hippietums wider. Diese bizarre Mischung wurde nur durch einen fast universellen Glauben an den technologischen Determinismus möglich. Seit den 60er-Jahren haben die Liberalen – im gesellschaftlichen Sinne des Begriffs – darauf gehofft, dass die neuen Informationstechnologien ihre Ideale verwirklichen würden.« 35

      Um die kalifornische Ideologie zu verstehen, muss man bedenken, dass sowohl linke als auch rechte Liberale in der Revolution der medialen Vernetzung per se ein Instrument der Freiheit gesehen haben. Man glaubte fest daran, dass neue Software, Apps und Gadgets die Welt automatisch freier, gerechter und besser machen würden. Wie radikal sich dabei gleichzeitig die Möglichkeiten von Kontrolle und Unterdrückung einstellen würden, sah man hingegen kaum. Dabei ist der »reiche Hippie« im Grunde Sinnbild für einen Typus des linken Abspalters, den ich bereits weiter oben beschrieben habe. Sozialistische Ideale der Gleichheit verkommen zur Attitüde.

       »Apple-Gründer Steve Jobs trat stets bescheiden im schwarzen Rolli auf, hörte Bob Dylan, hatte einen Sommer im Ashram verbracht, baute gleichzeitig eine Weltfirma auf, ließ in Shenzhen bei Foxconn unter miserablen Arbeitsbedingungen produzieren, beutete staatlich finanzierte Forschungsergebnisse aus und vermied mit allerlei Tricks, Steuern zu zahlen. Somit kann er als Personifizierung des Amalgams zwischen Kalifornischen Hippies und Rand’schen Techno-Unternehmerpersönlichkeit gelten. Hippies, die in Privatjets kommen: Hier kommen sie alle einmal im Jahr zusammen, die Alt-Hippies aus der ›Bay Area‹ und die CEOs aus dem Silicon Valley: Das in der Wüste von Nevada stattfindende ›Burning Man Festival‹ ist eine aus der Zeit gefallene Reminiszenz an das Kalifornien der Blumenkinder-Zeit. Ideale von Nachhaltigkeit, Selbstverwirklichung, freier Liebe, Gesetzlosigkeit und alternativer Ökonomie werden durch eine logistische Maschinerie als Illusion aufrechterhalten. Tatsächlich erinnert das Festival im Wüstensand an eine Mad-Max-Dystopie: Die CO2-Bilanz ist katastrophal, die Besucher kommen in Privatjets, die Zugriffsmöglichkeiten der Polizei sind umfassend, und das Publikum ist alles andere als divers. Und doch wird etwa Googles Motto ›Don’t Be Evil!‹, der Versuch, Menschheitsaufgaben zu lösen und die Welt mit ›guten Produkten‹ zu beglücken, nur vor dem Hintergrund von ›Whole Earth Catalog‹ und ›Burning Man‹ verständlich: Tue Gutes mit gutem Karma und guten Tools und verdiene dabei einen Haufen Geld: That’s the spirit!« 36

      Kennzeichnend für die Kalifornische Ideologie sind die Hybris und die Arroganz, zu einer Elite zu gehören, die nicht nur einfach reich werden will, sondern der die Mission zukommt, die ganze Welt zu verbessern. Machbarkeitswahn, Technikgläubigkeit und Paternalismus gehen fatale Verbindungen ein. Der Größenwahn einer Pseudoelite wird ohne sittliche und ethische Reife jedoch brandgefährlich, wenn es zu einer monströsen Massierung von Kapital kommt. Völlig im mechanistischem Denken und technischem Machbarkeitswahn gefangen, kommen Silicon-Valley-Milliardäre dann schon mal auf die Idee, das Genom von sieben Milliarden Menschen zu »verbessern«.

       »Gesellschaftssteuernde Maßnahmen und Technologien werden zunehmend weltumspannend und zentral koordiniert wirksam. Einflussreiche Privatleute entwerfen Pläne für die ganze Welt, die in wachsendem Umfang auch global umgesetzt werden. Das Heil liegt dabei oft in menschenfernen, leblosen und automatisierten Prozessen, die Hilfe und Annehmlichkeit versprechen, zugleich aber zentrale Herrschaft und Kontrolle ermöglichen – sowie außerordentlichen Profit. Am Ende dieser Entwicklung steht eine große Vereinheitlichung. Spezielle Technologien und Programme, vorangetrieben von einigen Oligarchen, sollen für alle Menschen auf der Welt bindend werden – ohne jede demokratische Debatte. Das Problem reicht weit über die aktuelle [Corona-]Krise hinaus. Eine Art Autopilot scheint vieles zu steuern, ob in der Politik, der Wirtschaft oder auch im Denken ganz allgemein. Die Verantwortung für Entscheidungen verliert sich immer öfter im Nebel internationaler Organisationen oder wird gleich ganz auf Algorithmen übertragen und damit von individuellen, persönlichen Erwägungen losgelöst. Die populäre Annahme, einige Superreiche würden sich zu neuen Weltherrschern machen, ist naheliegend, erklärt die Situation aber nur unzureichend. Es scheint, als wären auch diese Einflussreichen geblendet von einer Ideologie, die sich immer mehr verselbstständigt. Es ist, als ob der Prozess des Nachdenkens selbst, das individuelle Abwägen, Zweifeln und Hinterfragen, zunehmend verlöscht und einem Vertrauen in automatisierte Effizienz Platz macht.« 37

      Was der Autor Paul Schreyer hier feststellt, ist wesentlich. Tatsächlich geht es nicht allein um oligarchische Machtstrukturen, sondern um einen Paradigmenwechsel, bei dem die Achtung vor dem Mysterium des Lebens durch eine mechanistische, technikgläubige Weltsicht ersetzt wurde (mehr dazu im letzten Buchteil). Zunächst zurück zur Kalifornischen Ideologie: Ungeachtet rudimentären Hippiekultes und linker Attitüde – vermutlich sind die zehn größten Firmenkonsortien, als eigentlicher Taktgeber einer neuen Weltordnung, tatsächlich kapitalistisch orientiert. Trotzdem zeigen die Agenden der supranationalen Organisationen, die in Wirklichkeit von Milliardären wie Bill Gates abhängig sind, unverkennbar sozialistische Züge. Man könnte auf die Idee kommen, dass die wirklich Mächtigen die Dekonstruktion der bestehenden Ordnung Leuten übertragen, die sich bestens damit auskennen. Um die Gesellschaft zu atomisieren, alle haltgebenden Strukturen abzubauen und die erforderlichen Brandrodungen bestehender Institutionen vorzunehmen, werden Kulturmarxisten instrumentalisiert. Zumindest klingen die Grundsatzpapiere zur Umsetzung einer neuen Weltordnung wie sozialistische Pamphlete. Die für eine linke Argumentation unabdingbaren Ingredienzien sind natürlich wie immer hypermoralisch, unverzichtbar sind Postulate von Gleichheit, Diversität und Umverteilung.

      So machen der »Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation« (WBGU), der »Global Compact for Migration« sowie das Strategiepapier »Gemeinsame Verantwortung, globale Solidarität – Bewältigung der sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19« keinen Hehl daraus, was in Kürze geschehen soll. Das Kuriose: Etablierte Medien berichten kaum über deren Inhalte. Sobald diese Aufgabe aber von freien Journalisten übernommen wird, werden diese als Spinner und Verschwörungstheoretiker diffamiert. Tatsächlich wird aber meistens nur aus den offiziellen Agenden der supranationalen Organisationen zitiert, ich werde dies ebenfalls tun. Zunächst gebe ich kurze Einblicke in das Hauptgutachten des wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung mit dem Titel: »Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation«. Auf die Bedeutung des UN-Strategiepapiers zu COVID-19 komme ich zurück. Für alle Grundsatzpapiere

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