Vom Verlust der Freiheit. Raymond Unger

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Vom Verlust der Freiheit - Raymond Unger

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Querulanten, Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten verortet.

      Mit seinem Buch Wie wirklich ist die Wirklichkeit – Wahn, Täuschung, Verstehen legt der renommierte Psychotherapeut Paul Watzlawick einen Klassiker der Kommunikationsforschung vor. Watzlawick führt auf unterhaltsame Weise aus, dass die Erfassung der sogenannten »Wirklichkeit« von diversen Konditionierungen, Ängsten und persönlichen Befindlichkeiten abhängig ist. Doch abgesehen von der innerpsychischen Lage, ist die Entwicklung einer ausgewogenen Medienkompetenz heutzutage wichtiger denn je. Du bist, was du isst – dies gilt auch für die geistige Nahrung. Um sich ein Bild von der Wirklichkeit machen zu können, sind wir auf seriöse, realitätsnahe Informationen angewiesen. Wir müssen dem System vertrauen können, das uns mit diesen Informationen versorgt. Westdeutschland hatte über viele Jahrzehnte eine relativ ausgewogene Medienlandschaft. Es war durchaus möglich, sich über die öffentlich-rechtlichen Sender und die großen Blätter, allen voran der Spiegel, ein einigermaßen realistisches Bild von der politischen und sozialen Wirklichkeit Deutschlands zu machen. Diese Ära ist spätestens seit 2015 vorbei. Dass sich im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise seriöse Medien wie Tagesschau und heutejournal für einen vermeintlich nötigen Erziehungsauftrag der Bürger entschieden haben, habe ich als persönlichen Schock empfunden. Letztlich war das Geschehen der Anlass für mein vorangegangenes Buch. Viele Menschen haben den Wandel der meisten deutschen Leitmedien – gegen Neutralität und für eine regierungsnahe Gesinnung – noch immer nicht mitbekommen. Ausgewogen informiert zu werden ist heutzutage ungleich aufwendiger als früher. Man könnte auch sagen, es ist ein zweiter Job. Trifft man Menschen auf der Straße oder im Alltag, lässt sich schon beim Smalltalk erkennen, ob das Gegenüber bereit war, diesen Job zu machen. Wenn Trumps Amtszeit keinen einzigen guten Aspekt hatte, wir unbedingt unseren CO2-Fußabdruck verringern müssen, der Islam friedliebend genannt werden muss und unsere Regierung die Deutschen vorausschauend und weise durch eine gefährliche Gesundheitskrise geführt hat, können wir getrost davon ausgehen, dass dieser Job nicht gemacht wurde. Medienkompetente Menschen merken Mainstream-informierten Menschen recht schnell an, ob sie das Framing der Leitmedien lediglich zurückspielen. Alle in diesem Buch beschriebenen Agenden dienen globalen oligarchischen Interessen, höhlen nationale demokratische Grundprinzipien aus und führen über kurz oder lang in die technokratische Totalität. Das einzige Antidot gegen diesen Prozess ist wahrhaftiger, neutraler Journalismus. Demokratie ohne freie, objektive, investigative Presse ist keine Demokratie. Selbst wenn es noch so gut gemeint ist – Journalisten, die das Neutralitätsgebot verletzen, indem sie den Bürger über »Nudging«, »Wording« und »Framing« in die richtige Richtung lenken wollen, ebnen damit den Weg in die Totalität.

      Der Journalist Milosz Matuschek beschreibt, was guter Journalismus eigentlich sein sollte:

      »Der italienische Publizist Paolo Flores d’Arcais schreibt in seinem Buch »Die Demokratie beim Wort nehmen«, dass in der echten Demokratie jeder Bürger ein Fürst ist. Jeder hat deshalb gleichen Zugang zur Wahrheit zu bekommen, um Entscheidungen treffen zu können. Das ist die Aufgabenverteilung in der Demokratie: Der Souverän entscheidet, der Journalist versorgt ihn mit den relevanten Informationen, und zwar so rein und ungefiltert wie möglich. […] Es geht nicht darum, etwas zu framen, zu erzählen oder jemanden zu überzeugen, sondern darum, den Beweis in Bild, Schrift und Ton für ein Ereignis zu liefern. Denken kann der Bürger selbst. Diese radikale Transparenz kann Verschwörung und Korruption zerschlagen: Niemand wäre mehr sicher vor Entdeckung. […] Es gibt zwei Arten, Journalismus zu betreiben, so wie es offenbar auch zwei Arten gibt, Demokratie zu organisieren: von oben nach unten oder von unten nach oben. In der Konstellation des Top-down ist der Journalist ein Wächter, ein Aufseher; letztlich Teil der ›Priesterkaste‹ (Schelsky). […] 40 Prozent des Inhalts einer Tageszeitung stammen inzwischen aus PR-Agenturen, schrieb mal der Spiegel. Propagandafiguren wie Rainald Becker (ARD), Olaf Sundermeyer (RBB), Sascha Lobo (Spiegel), Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab) sorgen dafür, dass für die Regierung nichts anbrennt. Wenn unten rauskommt, was man oben reingibt, braucht es Journalismus allerdings nicht. Das kann auch der Pressesprecher der Regierung. Mit der zweiten Form des Journalismus, von unten nach oben, produziert man hingegen am ehesten das, was man, wenn schon nicht ›Wahrheit‹, dann zumindest einen ›unverstellten Zugang zur Wirklichkeit‹ nennen kann. Denn hier arbeitet der Journalist direkt für den Bürger und nicht für eine Institution mit eigenen Interessen. […] Der echte Journalist ist wie ein Minenarbeiter im Stollen, der sich durch Geröllhaufen an unwesentlichen Informationen arbeitet, um ein paar Goldkörner an Wahrheit zu Tage zu fördern. Nur dafür hat er Lohn vom Leser verdient. Niemand bezahlt nämlich freiwillig Geld für Propaganda, also Werbung.«1

      Vor gar nicht so langer Zeit bestand in Westdeutschland noch ein recht ausgewogenes Verhältnis zwischen »Top-down«- und »Bottom-up«-Journalismus. Leitfiguren des deutschen Journalismus, wie Anja Reschke oder Georg Restle, behaupten inzwischen aber freiheraus, dass die neue globale Wirklichkeit zu »komplex« sei, um den Bürger mit einer neutralen Berichterstattung »allein zu lassen«. Man bekennt sich offen zu einem lenkenden Journalismus, bei der Sachinformation und Meinung bis zur Unkenntlichkeit vermischt werden. Trotzdem nennt man das Ganze nicht Propaganda, weil man glaubt, zu den Guten zu gehören. Ein Urvater der »Meinungspriester«, der Stimmungen nach Belieben modellieren konnte, war Edward Bernays (1891–1995), ein Neffe Sigmund Freuds. Bereits 1917 sorgte Bernays mit der Kampagne »Make the world safe for democracy« für die Zustimmung der Amerikaner, in den Ersten Weltkrieg einzutreten. Später steigerte er den Absatz von Zigaretten, indem er Frauen zum Rauchen brachte. Das Framing damals: Zigaretten als Emanzipations-Symbol, »torches of freedom« (Fackeln der Freiheit). Auf Bernays eigentliches Geheimnis zur Massenmanipulation, auf das er sozusagen das Copyright hat, komme ich im Klimakapitel zurück. Sofern man einen Nobelpreis für Massenmanipulation ausgelobt hätte – Bernays hätte ihn wohl gewonnen. So behauptete Bernays, der Propaganda-Erfolg von Joseph Goebbels sei auf sein Buch Crystallizing Public Opinion zurückzuführen, was durchaus denkbar wäre. Erschreckenderweise beschreibt Bernays exakt jene Prinzipien, die heute tatsächlich umgesetzt werden und die nicht allzu weit von den zeitgenössischen Journalismus-Vorstellungen entfernt sind:

       »Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Geist wird geformt, unser Geschmack geformt, unsere Ideen vorgeschlagen, größtenteils von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Sehr viele Menschen müssen auf diese Weise zusammenarbeiten, um als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben zu können. Unsere unsichtbaren Gouverneure sind sich in vielen Fällen der Identität ihrer Kollegen im Innenkabinett nicht bewusst. Sie regieren uns durch ihre natürlichen Führungsqualitäten, ihre Fähigkeit, die benötigten Ideen zu liefern, und durch ihre Schlüsselposition in der sozialen Struktur. Unabhängig von der Haltung, die man gegenüber diesem Zustand einnimmt, bleibt es eine Tatsache, dass wir in fast jedem Akt unseres täglichen Lebens, sei es im Bereich der Politik oder der Wirtschaft, in unserem sozialen Verhalten oder in unserem ethischen Denken, von der relativ kleinen Zahl dominiert werden von Personen – ein kleiner Teil unserer hundertzwanzig Millionen –, die die mentalen Prozesse und sozialen Muster der Massen verstehen. Sie ziehen an den Drähten, die das öffentliche Bewusstsein kontrollieren, nutzen alte soziale Kräfte und erfinden neue Wege, um die Welt zu binden und zu führen.« 2

      Demokratien, die auf diese Weise »geführt« werden, haben gegenüber totalitären Staaten einen großen Nachteil. In totalitären Regimen mit offenkundig gelenktem Meinungsmanagement wissen die meisten Bürger zumindest, dass sie einen zweiten Job zur Wirklichkeitserfassung leisten müssen. In der DDR las man heimlich den Spiegel und schaute Westfernsehen; Karl-Eduard von Schnitzler verkam zu seiner eigenen Karikatur, und viele Bürger haben über ihn gelacht. Über Claus Kleber, Anja Reschke, Georg Restle und Marietta Slomka wird heutzutage weitaus weniger gelacht. Viele Menschen halten den Journalismus

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